Am Jahrmarkt „Dijous Bo“ auf Mallorca scheiden sich die Geister: Für die einen schlägt das Herz der Insel am dritten Donnerstag im November in Inca, für die anderen handelt es sich nur um den vielleicht größten Ramschmarkt Europas. Dieses Jahr fällt der Termin auf den 17. November – genauer gesagt den vierten Donnerstag nach den Feierlichkeiten zu Ehren des Heiligen Lluc, denn der dritte Donnerstag im November ist nur eine Faustformel.
In der Tat sind beim „Dijous Bo“ – zu Deutsch „schöner Donnerstag“ – Oliven- und Textilstände en masse zu finden. Böse Zungen sagen, dass die Socken aus China kommen und die Oliven angeblich manchmal aus Monokultur vom spanischen Festland, obwohl Mallorca gerade mitten in der Erntesaison steckt. Aber auch attraktive lokale Erzeugnisse kann man erwerben, etwa Lederwaren aus den Manufakturen von Inca, das mit seiner Umgebung einst von dieser Branche und der Landwirtschaft lebte. Im Kern ist der „Dijous Bo“ immer noch ein Bauernmarkt („Mercat pages“) mit Leckereien wie der Paprikawurst Sobrassada, der Blutwurst Butifarrò, Weinen aus der Inselmitte, Kunsthandwerktsprodukten, Kräutern, Honig, Olivenöl oder Kartoffeln aus Sa Pobla.
Das Tohuwabohu aus landwirtschaftlicher Leistungsschau, Jahrmarkt und Tummelplatz für die einheimische Bevölkerung und ihre Gäste zieht jedes Jahr zigtausende Gäste an. Wenn nicht gerade eine Pandemie das Vorhaben vereitelt, sind auf der Bahnstrecke zwischen Palma und Inca sogar Sonderzüge im Einsatz. Anders als die ängstlichen Deutschen ließen sich die Mallorquiner ihre Gaudi aber lediglich im Herbst 2020 vermiesen und waren bereits 2021 wieder bei ihrem „Dijous Bo“ mit von der Partie. Ein Zeichen von konservativer Widerständigkeit und Traditionsverbundenheit, wie sie unter der Landbevölkerung auf Mallorca durchaus typisch sind. Kinder werden sich beim „Dijous Bo“ zudem über Fahrgeschäfte, Zuckerwatte und einen lebenden Streichelzoo freuen, mit dem Viehzüchter aus der Gegend für Ambiente sorgen. Wann kann man schon mal einen blökenden Esel oder ein mähendes Schaf erleben bzw. anfassen?
Es ist wie mit dem Mittwochsmarkt in Sineu oder dem Sonntagsmarkt in Santa Maria: Nicht jedem erschließt sich, warum man ausgerechnet im Urlaub unbedingt dort gewesen sein muss, aber deutschsprachige Gäste gehen bei ihren Inselaufenthalten gerne hin. Für die Insulaner ist der „Dijous Bo“ ohnehin ein Happening, bei dem man nicht fehlen darf und schon vormittags einen Wein oder Apéritif genießen kann. Zumindest einmal in einer Karriere als Mallorca-Resident oder Teilzeit-Resident sollte man das miterlebt haben.
Wer am 17.11. (ab 9 Uhr) trotz des Bahnangebots mit dem Auto anreist, muss übrigens weit außerhalb parken. Und auch an einem anderen vielleicht weniger überlaufenen Tag ist Inca einen Ausflug wert: Die rustikalen Restaurants, die man in Inca „Celler“ nennt, bieten leckere mallorquinische Gerichte bei urigem Keller- oder Kamin-Ambiente an, im Zentrum lässt es sich gut schlendern. Etwas außerhalb locken einige Ledermanufakturen sowie das Schuh- und Ledermuseum (Museu del Calçat i de la Indústria) zu einem Besuch. Davon abgesehen liegt die Stadt am Fuß des Tramuntana-Gebirges und ist von allen Seiten gut zu erreichen.
https://www.dijousbo.es/