Ein guter Kompromiss bedeutet angeblich, dass keine Seite so richtig damit zufrieden ist. Geprägt wurde der Spruch auf EU-Ebene, er gilt aber auch für die komplizierte Sprachpolitik auf Mallorca und den Nachbarinseln.
Die konservative Regierungspartei PP und ihr rechtspopulistischer Tolerierungspartner Vox hatten sich wochenlang gezofft, was das Zeug hielt. Zeitweise stand sogar ein vorzeitiges Aus für die Minderheitsregierung von Marga Prohens zur Debatte. Das ist nun vom Tisch. PP und Vox haben gemeinsam einen Haushaltsrahmen für 2024 verabschiedet und sind bei der Wahl der Hauptunterrichtssprache an Schulen zu einer Lösung gekommen.
Obligatorisch eingeführt wird die Option im Schuljahr 2024/25 zunächst nur bis zur 2. Klasse inklusive, wobei die Klassen nicht geteilt werden und gleichzeitig ein Mindestanteil von 50 Prozent Katalanisch gewährleistet bleibt. Darüber hinaus gibt es ab September „Pilotprojekte“ bis einschließlich zur 6. Klasse – aber nur dort, wo es räumlich möglich ist, und die Schulgemeinschaften sich dafür aussprechen. Ab dem Schuljahr 2025/26 könnte dann auch die Mittelstufe bis zur 10. Klasse folgen. Wann die Umsetzung an Berufsschulen und in der Oberstufe möglich ist, wird noch geprüft.
Die Balearen-Regierung will dabei auf Gesetzesänderungen verzichten. Das nun vorgestellte Modell war theoretisch schon seit Jahrzehnten vorgesehen, in der Praxis allerdings nie umgesetzt worden. Real wurde bis auf ganz wenige Ausnahmen stets zu etwa 90 Prozent auf Katalanisch unterrichtet – mit Ausnahme des Fachs Spanisch. Künftig soll es möglich sein, in Mathematik, Natur- und teilweise in den Sozialwissenschaften auf Spanisch zu lernen. In jedem Fall bleibt es jedoch bei mindestens 50 Prozent Katalanisch. Das entsprechende Dekret (Decret de Mínims) aus dem Jahr 1997, will Balearen-Präsidentin Marga Prohens nicht antasten.
Wer sich als internationaler Resident mehr Offenheit wünschte, hat verkannt, dass das Katalanische auf den Balearen fast fünf Jahrzehnte nach dem Ende der Franco-Diktatur inzwischen parteiübergreifend als einheimische Umgangs-, Schul- und Verwaltungssprache anerkannt ist, obwohl man auf der Straße sonst auch gut mit Spanisch durchkommt. Lediglich vor Gericht hat das Spanische eine exklusive Rolle, während auf dem Land im Alltag das Mallorquinische dominiert. Kinder sollen nach ihrer Schulzeit deswegen beide Sprachen mehr oder weniger beherrschen.
Im Gegensatz zu ihrem Vor-Vorgänger José Ramón Bauzá (2011-15) dürfte Marga Prohens mit der getroffenen Lösung, die den Regeln der Region Galicien ähnelt, einen großen Sprachenstreit vermeiden. Lehrergewerkschaften und die linke Opposition protestieren trotzdem. Zustimmung kommt nur vom katholischen Privatschulverband.
Ob Neuankömmlinge aus dem Ausland oder anderen Regionen wie in Galicien zwei Jahre lang von Klassenarbeiten in der Regionalsprache befreit werden können, ist noch offen. Offen ist auch noch, wie die Schulen die neue Regelung umsetzen werden und ob die Eltern dabei mitreden können. Lediglich an teuren internationalen Privatschulen sind Abweichungen vom Katalanisch-Mindestanteil möglich.
Vox zeigte sich unzufrieden, zumal Marga Prohens auch angekündigt hat, nicht so rasch auf obligatorische Katalanisch-Kenntnisse im Öffentlichen Dienst verzichten zu wollen. Nur Ärzte und Pflegepersonal sind seit Kurzem ausgenommen.