Christoph Kolumbus, ein heimlicher Mallorquiner?
Der Entdecker Amerikas soll 1460 als unehelicher Königsenkel im Osten Mallorcas geboren worden sein – glaubt zumindest Inselhistoriker Gabriel Verd Martorell.
Ein heißer Sommersonntag zwischen Campos und Felanitx im Osten Mallorcas. Rund um das Landrestaurant Son Colom kurz vor dem Ort zirpen die Grillen. Gähnende Leere im Schankraum, der unter der Woche von Handwerkern, Landwirten und Lastwagenfahrern frequentiert wird. Nur der mexikanische Filmemacher Sergio Guerrero Garzafox und sein Filmteam stören am Vormittag die Beschaulichkeit.
Ihre Mission: die Theorie von der mallorquinischen Herkunft von Christoph Kolumbus diskutieren, für ein Dokudrama unter dem Titel „Colón el Emprendedor“ („Kolumbus der Unternehmer“). Für Netflix oder für das spanische Fernsehen RTVE? Die Sache wird nicht ganz klar, doch der Interview-Partner des Mexikaners ist an diesem Tag einer, der es ganz genau wissen will. „Kolumbus war Mallorquiner“, behauptet der Inselhistoriker Gabriel Verd, der sich dieser These schon seit Jahrzehnten verschreibt, dazu Bücher geschrieben und eine Stiftung gegründet hat. Auch das kleine „Kolumbus-Museum“ bei Felanitx geht auf seine Initiative zurück. Auf Anfrage über seine Homepage organisiert er sogar Bustouren hierher.
Zwar sehen Historiker die Herkunft von Christoph Kolumbus als Sohn des Wollwebers und Wirts Domenico Colombo aus Genau aufgrund von Urkunden gut belegt, doch es gibt Ungereimtheiten. So ist sein genauer Geburtstag bis heute unbekannt. Irgendwann zwischen August und Oktober 1451 soll er gewesen sein. „Er wurde 1460 auf Mallorca geboren“, meint dagegen Gabriel Verd, und zwar „als Sohn des Prinzen Karl von Viana (1421-1461) und der Mallorquinerin Margarida Colom“. Bis heute lebt eine Sippe mit diesem katalanischen Familiennamen im Raum Felanitx. Im kastilischen Spanisch soll aus Colom dann Colón geworden sein, so die Theorie, die auch mit zahlreichen katalanischen Ausdrücken in den Schriften Kolumbus´ belegt werden soll. Die Insel Margarita, 1498 vor der Küste Venezuelas entdeckt, sei nach seiner mutmaßlichen Mutter Margalida Colom benannt – auf einer Seekarte aus dem Jahr 1500 gar mit der mallorquinischen Namensvariante.
Adliger Kolumbus?
Weitere Argumente für die vermeintliche Identität von Christoph Kolumbus sind die sogenannten „Capitulaciones de Santa Fe“ zu den Bedingungen von Kolumbus´ Entdeckungsreise im Auftrag des spanischen Königspaars. Noch vor der Abfahrt wird ihm darin eine Behandlung als „Vizekönig“, „Admiral“ und „Generalgouverneur“ zugestanden – laut Verd enorme Privilegien, die nur eine Person königlichen Geblüts beanspruchen konnte und kein anonymer italienischer Seefahrer.
Da der Prinz Karl von Viana, Thronprätendent und Halbbruder von König Fernando dem Katholischen, damals mit seinem in zweiter Ehe neu verheirateten Vater Juan II. im Streit lag und vor der Rückkehr aus dem Exil ins Königreich Aragón zwangsweise eine monatelange Zwischenstation auf Mallorca einlegen musste, sei es opportun gewesen, die wahre Herkunft von Christoph Kolumbus zu verschleiern, besagt die Theorie.
Nicht unplausibel, zumal Karl von Viana in seiner überlieferten Korrespondenz Insulanern für die gute Behandlung der schwangeren Margalida Colom dankt. Warum sollte der bekannte Schürzenjäger das ohne persönliches Interesse getan haben?
Doch in seinem Testament ist zwar viel von einer unehelichen Tochter die Rede, allerdings kein Wort von einem Sohn. Ging die mutmaßliche Verschleierung der Identität so weit, dass der 1461 unter zweifelhaften Umständen mit Verdacht auf Vergiftung gestorbene Karl nicht einmal in seinem Nachlass Spuren hinterlassen wollte? Immerhin galt er im 15. Jahrhundert als Favorit der Stände in Barcelona und gefährlicher Konkurrent von König Fernando II., dem Katholischen, hatte sogar um die Hand der späteren Königin Isabel I. angehalten. Aus dieser Verbindung entstand bekanntlich die Vereinigung der Kronen von Kastilien und Aragón, also das moderne Spanien.
Viele Ungereimtheiten gibt es dennoch in der Mallorca-Theorie, die wichtigste vielleicht eine DNA-Analyse mit Überresten von Christoph Kolumbus aus der Kathedrale von Sevilla. Gabriel Verd konnte nach vielen bürokratischen Hürden eine Probe entnehmen lassen und wollte damit die Verwandtschaft zum aragonesischen Königshaus und damit zum Prinzen von Viana beweisen. Das Ergebnis solle ganz bestimmt im Frühjahr 2024 vorliegen, so die Ankündigung Anfang des Jahres.
Auf Nachfrage vor Ort in Felanitx antwortet Gabriel Verd jedoch ausweichend, „vielleicht irgendwann demnächst“, meint er freundlich aber unbestimmt. Man darf gespannt sein, ob das Filmteam von Sergio Guerrero Garzafox mehr erfahren hat und der Öffentlichkeit im Herbst die sensationelle Neuigkeit mitteilen wird, dass Mallorca selbstverständlich das Zentrum der Welt ist oder zumindest den Entdecker Amerikas hervorgebracht hat. Der vorläufige Arbeitstitel „Kolumbus der Unternehmer“, deutet indes nicht unbedingt darauf hin. Colón starb übrigens 1506 mittellos in Valladolid – ohne Anerkennung seiner klangvollen Titel. Die Verwendung der katalanischen Sprache in den Kolonien in Amerika wurde von der Krone strikt untersagt.