Kurios oder geheimnisvoll? Entscheiden Sie selbst…
Die Grenzen zwischen einer Kuriosität und einem geheimnisvollen Ereignis sind oft fließend. Wir haben Sie gefunden, die Geschichten von kopflosen Reitern, eingemauerten Frauen und schlafenden Ungeheuern, die alle über Jahrhunderte die Sagenwelt Mallorcas geprägt haben. Entstanden aus überraschenden Ereignissen, deren Inhalt im Sinne einer "stillen Post" zu teils mysteischen Selbstläufern wurde
Überraschende Totenwache, und ein geheimnisvolles Buch
Über das Kloster Santa Clara in Palma de Mallorca gibt es gleich mehrere unerklärlich Geschichten. Das Franziskanerkloster wurde während der Herrschaft von König Jaume I. im 13. Jahrhundert errichtet. Während einer Totenwache für eine adlige Dame wurde der zuständige Wächter auf einen wertvollen Ring am Finger der Toten aufmerksam. Es gelang ihm aber nicht, den Ring vom Finger abzuziehen. Als er voller Gier den Finger abbeißen wollte, erwachte die Tote zum Leben. Die Nonnen des Klosters berichten bis heute von unerklärlichen Phänomenen:
Kerzen, die sich von selbst entzünden, leises Flüstern in den leeren Gängen, und das Klappern von Schritten, obwohl weit und breit keine Menschenseele zu sehen ist sind nur einige der unerklärbaren Phänomene. Ein besonders unheimlicher Vorfall ereignete sich in der Bibliothek des Klosters. Eine Schwester, die für die Pflege der alten Manuskripte zuständig ist, fand eines Morgens ein Buch, das sie noch nie zuvor gesehen hatte. Der Einband war aus altem, brüchigem Leder und trug kein sichtbares Zeichen. Als sie das Buch öffnete, fand sie darin einen Text in einer Sprache, die sie nicht verstand. Doch das Seltsamste war, dass die Seiten des Buches leer waren, sobald sie es anderen Schwestern zeigte. Nur Schwester Maria konnte die rätselhaften Schriftzeichen sehen, die sie seither in ihren Träumen verfolgen.
Läuten ohne Glöckner, und kleine Zettel zwischen Steinen
Die Pfarrkirche Mont Sió in Palma de Mallorca ist auf den Ruinen eines einstigen, römischen Tempels errichtet worden. Später befand sich hier die alte Hauptsynagoge der Balearenhauptstadt. Gemeindemitglieder und Besucher der Kirche berichten immer wieder von seltsamen Phänomenen: Flackernde Lichter, obwohl kein Windstoß die Kerzen erreichen kann, und plötzliche, unerklärliche Kälteeinbrüche, die durch das Kirchenschiff fegen. Besonders beunruhigend seien jedoch die leisen, kaum wahrnehmbaren Flüstereien, die aus den Mauern der Kirche zu kommen scheinen, heißt es weiter. Viele Menschen, die sich zu stiller Andacht in die Kirche zurückzogen, berichten von dem Gefühl, beobachtet zu werden. Ein Vorfall, der besonders für Aufsehen sorgte, ereignete sich während der Abendmesse. Die Glocken, die normalerweise nur von Hand geläutet werden, begannen plötzlich von selbst zu schlagen.
Kein Mensch war zu dieser Zeit im Glockenturm, doch das Läuten hallte durch die gesamte Kirche, als wolle es eine Warnung aussprechen. Das Rathaus von Palma hat inzwischen beschlossen, eine Untersuchung einzuleiten. Doch bis Antworten gefunden werden, bleibt die Pfarrkirche Mont Sió ein Ort des Mysteriums und der Faszination – ein Ort, an dem sich die Grenzen zwischen Diesseits und Jenseits in einigen Fällen zu verwischen scheinen.
Doch neben all der Mystik gibt es aus Mont Sió auch Erstaunliches zu berichten. Wer genau hinschaut, wird auf den Sockeln im Innenraum der Kirche kleine Zettel entdecken. Sie befinden sich meist gut versteckt zwischen Stein und Stein oder in den Vertiefungen. Es sind die Wünsche und Gebete von Juden aus aller Welt und damit eine traditionelle Art, sich an Gott zu wenden, in dem einst wichtigsten Sitz ihrer Gemeinde auf der Insel.
Kopflos auf Mallorca: Der Schwarze Reiter vom Puig de Galatzó
Im Jahre 1820 veröffentlichte der amerikanische Schriftsteller Washington Irving die Legende von „Sleepy Hollow“. Es ist die Geschichte eines kopflosen Reiters, dessen Haupt von einer Kanonenkugel getroffen worden war. Auf seinem Pferd reitend, irrt er auf der Suche nach seinem Kopf ewig über das Schlachtfeld. Eine ähnliche Geschichte ereignete sich auch auf Mallorca. Allerdings rund 100 Jahre vor Irvings Buch.
Der Ritter war Comte Mal. Noch ungeklärt ist, ob es den Adligen wirklich gab und zu welcher Familie er gehörte. Inzwischen ist man sich sicher: Es war Ramon Burgues-Safortesa Pacs-Fuster de Vilallonga i Nét, zweiter Graf von Santa Maria de Formiguera, der 1694 starb. Er erhielt den Spitznamen „mal“, weil er ein gefürchteter Steuereintreiber war und seine herrschaftliche Autorität missbrauchte. Der Sage nach erschien er auf seinen Ländereien am Puig de Galatzó auf einem schwarzen, in Flammen gehüllten Pferd, weil er eine Affäre mit einer Nonne hatte.
Die Legende besagt, dass sich der Comte mit dem Teufel verbündete, um einen sehr hohen Turm in seinem Palast in Can Formiguera, Carrer de la Portella, 11, zu errichten. Von diesem aus konnte er den Hof des Klosters und damit seine Geliebte Margalida sehen.
Das Fenster zum Hof: Die "eingemauerte Frau" in der Kathedrale
Auf dem Rückweg vom Diözesanmuseum der Kathedrale von Palma in Richtung Stadt führt der Weg an einigen kleine Fenstern vorbei. An dieser Stelle wurde Elisabet Safortesa Gual-Desmur beigesetzt. Elisabet war eine 1530 geborene Adelstochter. In ihrer Jugend verband sie eine enge Freundschaft mit der späteren mallorquinischen Heiligen Catalina Tomàs. Die beiden jungen Frauen verbrachten viel Zeit miteinander, und der Überlieferung nach war es Elisabet, die Catalina das Lesen, Schreiben und Sticken beibrachte. Ihr Wunsch, Nonne zu werden, blieb Elisabet verwehrt – ihre Eltern verheirateten sie gegen ihren Willen. Die Freundschaft zu Catalina hatte aber Bestand, auch weit nach dem Tod von Elisabets Mann hinaus. Allerdings vereinsamte die Witwe mehr und mehr. Sie beschloss schließlich, sich in einem kleinen Raum in der Nähe der Peterskapelle einzuschließen. Den Verantwortlichen der Kathedrale gefiel das zunächst gar nicht, doch Elisabet blieb beharrlich, wie Aufzeichnungen aus dem Jahr 1576 belegen. Nachdem sie den Raum bezogen hatte, ließ Elisabet die Türen zumauern. Nur eine Drehscheibe blieb übrig, durch die sie mit Essen und Getränken versorgt werden konnte.
In ihrem Zimmer an der Seite der Kirche wurde ein kleines Fenster geöffnet, das sie für ihre langen Gebetsstunden nutzte. In der Bevölkerung nannte man sie nur noch „die eingemauerte Frau“. Nach 13 Jahren freiwilliger Gefangenschaft starb sie im 1589 im Alter von 59 Jahren.
Der Kartograf Jafudà Cresques: Künstler und Visionär
Die Welt um sich genauer kennenlernen – dieser Wunsch bewegte die Menschen seit jeher. Bereits im 14. Jahrhundert gab es Kartographen, die mittels komplizierter und für damalige Verhältnisse moderner Technik Zeichnungen anfertigten. Eine dieser Kartographen war Jafudà Cresques, geboren 1350 in Palma de Mallorca. Seine Statue finden wir in der Calle de Ramon Llull, 20. Obwohl sein Name heute nicht mehr in jedem Geschichtsbuch steht, gilt er unter Kennern als eine der wichtigsten Figuren in der Entwicklung der Kartografie.
Cresques, auch bekannt als „El Judio de Mallorca“ (der Jude von Mallorca), wurde in eine Zeit hineingeboren, in der das Wissen der Welt in Büchern, Sternenkarten und Legenden gesammelt wurde. Als Sohn eines jüdischen Kartografen wuchs er in einer Familie auf, die sich der Vermessung und Darstellung der damals bekannten Welt verschrieben hatte. Sein Vater, Cresques Abraham, war ebenfalls ein begnadeter Kartograf und führte seinen Sohn früh in die Kunst der Kartenherstellung ein.
Doch es war Jafudà, der das Familienhandwerk zu ungeahnten Höhen führte. Sein größtes Werk, der katalanische Atlas, wurde 1375 fertiggestellt und gilt als eines der bedeutendsten Kartografiewerke des Mittelalters. Diese prachtvolle Weltkarte, die sich heute in der Nationalbibliothek von Frankreich befindet, stellte die damals bekannte Welt in beeindruckenden Details dar – von Europa bis hin zu den exotischen Küsten Afrikas und Asiens. Der katalanische Atlas war jedoch nicht nur eine Karte. Er war ein Kunstwerk, geschmückt mit prächtigen Illustrationen und umfassendem Wissen über Geografie, Astronomie und sogar Mythologie. Er zeigte den Weg zu Handelsrouten, beschrieb Länder, die für die damaligen Europäer kaum mehr als Namen waren, und inspirierte zukünftige Generationen von Entdeckern. Doch Jafudà Cresques war mehr als nur ein Kartograf; er war ein Visionär. In einer Zeit, in der das Reisen gefährlich und die Welt voller Unbekannter war, schuf er Karten, die den Weg für Entdecker wie Christoph Kolumbus ebneten. Es heißt, dass Kolumbus selbst von den Karten der Cresques-Familie beeinflusst wurde, als er seine Reise nach Westen plante. In Sagres, Portugal, wo er starb, gilt er als Koordinator der maritimen Entdeckungen der Marineschule.
Das Dominikanerkloster mit dem Namen "Schwarzes Haus"
Das große Dominikanerkloster in Palma de Mallorca war der Schauplatz einiger der blutigsten Ereignisse der Insel. Es befand sich am heutigen Círculo Mallorquín und dem March-Palast. An diesem Ort wurden im Jahre 1691 viele Menschen bei lebendigem Leib verbrannt. Die Dominikaner waren auf der Insel unbeliebt, denn sie verehrten nicht die Heilige Maria.
Wenig Anklang fand bei ihnen auch der wohl berühmteste Inselgeistliche und Philosoph Ramon Llull. Am schlimmsten war jedoch das Inseltribunal der Dominikanermönche, das sie unerbittlich gegen Juden ausübten. Die kirchliche Gewaltherrschaft dauerte bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts. Dann wurden die Dominikanermönche gewaltsam von der Insel vertrieben und auf einem Schiff nach Cartagena gebracht. Das Kloster, das als „Schwarzes Haus“ bekannt war, wurde wenig später abgerissen.
Die Zisterne der Rache
Wasser gilt als lebensspendend. Doch in Palma de Mallorca birgt ein Brunnen eine tödliche Geschichte. Er befindet sich gegenüber der Carrer de la Concepció, 12. Der sogenannte „Grabesbrunnen“ ist eine einfache arabische Zisterne, geschaffen im 10. Jahrhundert. Aufgabe des Brunnens war es, eine große Anzahl von Menschen mit dem kostbaren Gut Wasser zu versorgen. Doch im 15. Jahrhundert kam es am Brunnen zu einem mörderischen Ereignis.
Der Mallorquiner Barthomeu Cantarelles ertränkte dort seinen jungen Schwager, vom Alter fast noch ein Kind. Wie so häufig bei innerfamiliären Streitigkeiten ging es auch Cantarelles um Macht und Besitz. Durch den Tod des Schwagers würde Cantarelles Frau sein Eigentum behalten. Die „Freude“ über den „Gewinn“ war allerdings nur von kurzer Dauer. Barthomeu Cantarelles wurde 1459 gehängt, nachdem er die Tat gestanden hatte. Doch damit nicht genug: Sein Leichnam wurde zur Verspottung ausgestellt, als Mahnung und Warnung für alle Meuchelmörder.
Pocken, Pest, Cholera: Auch Mallorca blieb nicht von Seuchen verschont
Trotz der Insellage blieb Mallorca auch von Seuchen nicht verschont. Die Krankheiten wurden durch die Besatzung von Schiffen rasch rund um das Mittelmeer verbreitet und ließen die Sterblichkeit ansteigen. Mallorca wurde im Laufe seiner langen Geschichte von Pocken, Beulenpest und Cholera heimgesucht. Die Epidemien erreichten auf dem Seeweg auch Barcelona, Valencia und Gibraltar.
Bei der ersten Choleraepidemie auf Mallorca im Jahr 1865 starben drei Personen aus derselben Familie an derselben Ursache. Beim Tod der vierten Person war die Cholera bereits diagnostiziert worden – man wusste, dass die Krankheit bald viele Menschen erreichen würde. Im Spätsommer 1865 setzte eine regelrechte Massenflucht ein. In weniger als einer Woche verließen mehr als 75% der Einwohner die Hauptstadt Palma. Geschäfte, Fabriken und Werkstätten wurden geschlossen, weil es an Personal fehlte. Mehr als 8.000 Mallorquiner starben an der Cholera, allein 2.500 in der Stadt.
Die Legende vom Ungeheuer aus Sa Pobla
Das heutige Naturschutzgebiet s’Albufera ist für viele „ungeheuer tierische“ Überraschungen gut. Doch ein Ungeheuer im Norden der Insel? Mitten im benachbarten Sa Pobla?– Diese Legende wird auch heute noch berichtet. Bauern hatten das Krokodil in einem der zahlreichen Wasserläufe entdeckt. Eine Theorie besagt, dass ein Seemann oder Händler das Reptil von einer seiner Reisen aus fernen Länder mitgebracht und dort ausgesetzt haben könnte. Phantastischer und aufregender klingt allerdings die Geschichte vom Schmuggler, der sich das Krokodil als Haustier hielt. Als er verhaftet wurde, setzte man das Reptil in der natürlichen Umgebung des Sumpfgebietes aus.
Das Bild mit dem geheimnisvollen Eigenleben
Das Heiligtum Lluc gehört zu den größten Klöstern der Insel. Natürlich gibt es auch zu seiner Entstehung eine sagenhafte Geschichte. Sie handelt von einem Hirtenjungen namens Lluc. Er entdeckte im 13. Jahrhundert beim Schafehüten in einem nahegelegenen Wald ein in Holz geschnitztes Bild der Jungfrau Maria.
Den wertvollen Fund nahm er mit nach Hause. Doch am nächsten Tag war das Bild verschwunden – es lag erneut an derselben Stelle im Wald. Der Hirtenjunge nahm es immer und immer wieder mit, doch das Bild kehrte aus unerklärlichen Gründen an seinen Fundort zurück. Die Dorfbewohner gingen von einem Wunder aus. Zur Ehre Marias wurde am Fundort des Bildes eine Einsiedelei errichtet; sie erhielt den Namen Mare de Déu de Lluc, Schutzpatronin von Mallorca.
Die dunkle Seite der Insel: Tödliche Übergriffe auf die jüdische Bevölkerung
In Palma de Mallorca gab es in alten Zeiten immer wieder Übergriffe auf die jüdische Bevölkerung. Das jüdische Viertel wurde rund um die Calle de la Almudaina gegründet. Die schlimmsten Übergriffe fanden Ende des 15. Jahrhunderts statt. Bereits 1435 wurde den Juden befohlen, die Insel für immer zu verlassen, oder sich taufen zu lassen. Diejenigen, die sich dem fügten, um ihren Besitz oder ihr Leben zu retten, wurden chuetas genannt.
In der Calle de la Almudaina, 9, finden wir das Centre Maimó Ben Faraig mit eindrucksvollen Dokumenten über die 1.500 Jahre jüdischen Lebens auf Mallorca. Nach einer Ruhephase kam es im 17. Jahrhundert erneut zu Übergriffen. Wer bekannt war oder verdächtigt wurde, die jüdische Religion auszuüben, wurde auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Im Jahr 1688 kam es zu einem schrecklichen Ereignis: Aus Angst vor der Unterdrückung wollte eine Gruppe chuetas mit einem englischen Schiff von der Insel fliehen. Es kam jedoch ein so starker Sturm auf, dass sie nicht auslaufen konnten. Die Inquisition verhaftete sie – mit tödlichen Folgen.