Mallorca Film Commission “Das Geld haben heutzutage Netflix & Co.”

Pedro Barbadillo von der Mallorca Film Commission erklärt, wie seine Branche auf der Insel tickt und warum „Bollywood“ inzwischen genauso wichtig ist wie Deutschland.
„Lioness“, „Night
Manager“, „The Mallorca Files“: Täuscht der Eindruck, dass die Deutschen beim Filmen auf Mallorca aktuell den Angelsachsen hinterher hinken?
Die „Mallorca Files“ waren ja eine deutsch-britische Ko-Produktion. Nach meiner Schätzung entfällt beim Filmen auf Mallorca etwa ein Drittel auf den deutschsprachigen Raum, ein Drittel auf Produktionen in englischer Sprache und das letzte Drittel auf sonstige wie Skandinavier. Groß im Kommen ist neuerdings auch Bollywood. Aktuell läuft der teilweise auf Mallorca gedrehte internationale Kassenschlager „Pathaan“, ein Spionage-Thriller mit Shah Rukh Khan und Deepika Padukone in den Hauptrollen. Allein das Musik-Video mit Szenen aus Camp de Mar hat am ersten Wochenende über 150 Millionen Aufrufe bekommen. Zum Bollywood-Film gehört ja als integraler Bestandteil mindestens eine Sequenz mit Musik und Tanz. Das ist eine indische Besonderheit und in diesem Fall sehr gelungen.
Müssen wir jetzt aufpassen, dass keine indische Touristenwelle über das im Sommer ohnehin ausgebuchte Mallorca hinwegschwappt?
Das ist kein Thema zum Scherzen, sondern Tatsache. Nach einer Bollywood-Produktion in Cádiz waren dort 250.000 zusätzliche Übernachtungen von indischen Gästen zu verzeichnen. Denken Sie daran, dass auch in Großbritannien oder anderswo in Europa viele Inder leben. Die werden sich durch „Pathaan“ jetzt zunehmend für Mallorca interessieren.
Die Zeiten von „Traumschiff“ und „Hotel Paradies“ scheinen aber vorbei zu sein. Oder sehen Sie Chancen für ein Revival?
Der audiovisuelle Markt hat sich in den letzten Jahrzehnten sehr verändert und fragmentiert. Das Geld haben heutzutage die großen Plattformen wie Netflix & Co., weniger die TV-Sender. Wenn deutsche Fernsehproduktionen auf Mallorca gedreht werden, dann sind es oft Dokumentationen aus dem Bereich Natur, Geografie oder Kultur. Es gibt aber auch Reality Shows wie „Love Island“. Nicht jeder nimmt das war, aber solche Formate erreichen ein Multi-Millionen-Publikum. „Love Island“ ist eine Dating-Show und wurde in verschiedenen Länderversionen auf Deutsch und Englisch hier auf der Insel gedreht. Darüber hinaus gibt es immer noch viel beachtete TV-Movies und -serien, zum Beispiel „Der König von Palma“ auf RTL, den Stasi-Thriller „Kleo“ für Netflix, oder „Hotel Barcelona“ im ZDF.
Wie lange braucht es, um auf Mallorca eine Drehgenehmigung zu bekommen?
Die Mallorca Film Commission berät dazu oder stellt den Erstkontakt zu spezialisierten Agenten her. Darum kümmert sich zum Beispiel ein „Introducing Manager“. Wenn es ein Werbespot ist, muss es schnell gehen.
Vielleicht drei oder vier Tage, sonst wird anderswo gedreht. Bei Filmen dauert es je nach Drehort zwischen einer Woche und einem Monat.
Das hängt davon ab, wer zuständig ist. Die Küstenbehörde braucht etwas länger, und manchmal braucht man in der Natur auch ein Umweltgutachten. Außerdem hat jede Gemeinde eigene Regeln. Manche behandeln Dreharbeiten wie einen Flohmarkt, andere wie ein Kultur-Event. Palma und Calvià haben eigene Filmbüros im Bereich Wirtschaftsförderung, aber auch kleinere Rathäuser sind da oft sehr fit und beweglich. Manchmal hilft auch ein Empfehlungsschreiben der MFC weiter.
Auch Steuervorteile
nimmt die Filmbranche angeblich gerne an.
Absolut. Seitdem Spanien im Jahr 2015/2016 einen Steuerbonus von 20 Prozent eingeführt und dann ab 2018 auf 30 Prozent ausgeweitet hat, boomen Filmproduktionen im Land. Navarra bietet sogar 35 Prozent, und die Kanaren 50 Prozent. Über das neue Steuer-Regime REB für die Balearen versuchen wir die staatliche Quote mit autonomen Mitteln um weitere vier bis fünf Prozent zu ergänzen.
Wären solche Projekte wie das „Green Film Studio“ in Marratxí (siehe Seite 6/7) im Fall eines Regierungswechsels im Rathaus oder auf den Balearen gefährdet?
Nein, das glaube ich nicht. Die EU-Mittel dafür sind ja schon bewilligt. Außerdem ist die Mallorca Film Commission über die Spain Film Commission vernetzt. In manchen Regionen regiert die PSOE, in anderen die PP. Unabhängig davon liegt die Filmförderung im öffentlichen Interesse.
Welche Drehorte auf Mallorca sind am gefragtesten?
Palma ist eigentlich fast bei jedem Dreh dabei. Das liegt auch am Palma Film Office und daran, dass die Stadt keinerlei Gebühren verlangt. Hotspots sind auch Calvià, Sóller und der Raum Alcúdia/Pollença. Potenzial haben auch Orte wie Valldemossa, aber im Sommer ist dort manchmal zu viel los, um dort auch noch einen Film zu drehen.
Womit beschäftigt sich die Mallorca Film Commission noch?
Zu unseren Kernaufgaben gehört Promotion und Marketing, egal ob bei Film-Events in Berlin, Los Angeles, Cannes oder San Sebastián. Da kann man sich gut über laufende Projekte austauschen und den Bedarf mit dem Angebot auf Mallorca abgleichen. Scouting vor Ort auf Mallorca ist eine gute Möglichkeit, wenn ein Produzent schon konkret etwas im Kopf hat. Da ist aktuell zum Beispiel etwas in Vorbereitung das an mehreren Orten am Mittelmeer wie in Kroatien spielt. Außerdem haben wir Projektlinien mit Subventionen für bestimmte Produktionen, Drehbücher, Sponsoring und neuerdings für Minderheitsbeteiligungen an Co-Produktionen, die dadurch erst möglich werden.
Welche Bedeutung hat das Evolution Film Festival im November?
Sowohl das Evolution Film Festival als auch das Atlàntida Mallorca Film Fest sind ein Schaufenster für die Branche. Das spiegelt sich auch international in den Medien. Außerdem gibt es dabei Premieren und ein Stelldichein für Branchenvertreter. Die Mallorca Film Commission beteiligt sich daran mit eigenen Wirtschaftstagen für das Fachpublikum.
Wie alt ist die Geschichte der Mallorca Film Commission?
Ich war schon von 2010 bis 2012 in der Filmförderung auf Mallorca aktiv, dann wurde das Büro wegen der Wirtschaftskrise geschlossen. 2016 hat man mich erneut angeworben. Neu dabei ist jetzt Mireia Covas. Sie beschäftigt sich speziell mit dem Thema Nachhaltigkeit und „Green Film“. Die Mallorca Film Commission gehört zum Inselrat (Consell de Mallorca, Anm. d. Red.).