Hitzige Diskussion um „Overtourism“ auf den Balearen
Gegen Auswüchse des Massentourismus protestierten kürzlich auf den Kanaren 40.000 Menschen, auf Mallorca waren es am 25. Mai zirka 10.000 – die größte Demonstration seit fast einem Jahrzehnt auf den Balearen.
Im Fokus der Kritik stehen unter anderem die hohen Immobilienpreise, durch die sich junge Einheimische kaum noch Wohneigentum leisten können und derzeit auch überhöhte Mieten bezahlen müssen. Linke Parteien befürchten einen „Ausverkauf“, doch selbst von Konservativen kommen in letzter Zeit nachdenkliche Töne. So hat die Balearen-Regierung von Marga Prohens angekündigt, leerstehende Wohnungen auf den Inseln mit einem staatlichen Programm auf den Markt bringen zu wollen.
Wahrscheinlich geht der Trend auf dem Markt aber ohnehin zu mehr „Klasse statt Masse“. Die Touristenzahlen könnten in den nächsten Jahren bei gleichbleibenden Umsätzen etwas zurückgehen, womit sich einige Probleme relativieren dürften. Die konservative Balearen-Regierung hatte Anfang Mai in einer überraschenden Kehrtwende erklärt, dass die Grenzen des touristischen Wachstums auf Mallorca erreicht seien. Diese Entscheidung markiert einen Paradigmenwechsel, nachdem solche Aussagen bisher nur von linken Parteien gekommen waren.
Jahrzehntelang galt das Motto „mehr Touristen, mehr Wachstum“. Stattdessen soll der Fokus nun auf Qualitätstourismus liegen. Ziel ist es, wohlhabendere Urlauber anzuziehen, die mehr Geld auf der Insel ausgeben. Dafür sind Investitionen in hochwertige Unterkünfte, Gastronomie und Freizeitangebote geplant. An einem runden Tisch mit der Hotelbranche hat sich die Regierung auf einen Wegfall von 18.000 Gästebetten geeinigt. Von 430.000 sollen noch 412.000 übrig bleiben, und die Maßnahme kann voraussichtlich nicht vor 2025 in Kraft treten.
Diese Neuausrichtung wird von vielen Einheimischen begrüßt, die unter den negativen Auswirkungen des Massentourismus leiden. Die natürlichen Ressourcen der Inseln seien endlich und müssen geschützt werden. Nur ein nachhaltiger Tourismus könne die Wirtschaft langfristig sichern und die Lebensqualität der Bevölkerung erhalten, heißt es.
Die Kehrtwende ist einerseits eine Reaktion auf Tendenzen von „Overtourism“ wie Anfang Mai mit kilometerlangen Staus im Raum Sóller. Andererseits will die konservative Balearen-Regierung damit womöglich auch Massenprotesten und Demonstrationen den Wind aus den Segeln nehmen, die jüngst auf den Kanaren für Unruhe gesorgt hatten. Konkrete Handlungsmöglichkeiten gibt es aber durchaus: So gilt auf der kleinen Balearen-Insel Formentera im Sommer zum Beispiel schon seit einigen Jahren ein Mitnahme-Verbot für auswärtige Autos auf der Fähre. Symbolfoto: Strand am „Ballermann 6“, CC-BY-SA 3.0, Wikimedia Commons, Oliver Lipp