Die Skandale der linken Parteien in Madrid und auf den Balearen erinnern an die Schlussphase der Regierung von PSOE-Ministerpräsident Felipe González (1982-96), der seinerzeit wegen grassierender Korruption auf allen Ebenen aus dem Amt gewählt und vom konservativen PP-Mann José María Aznar (1996-2004) ersetzt wurde.
Auch nun haben sich im Dunstkreis der Sozialisten von der PSOE offenbar wieder korrupte Netzwerke gebildet. Es geht dabei um Freunderlwirtschaft, fragwürdige bis illegale Masken-Geschäfte und die Hinterziehung von Mineralöl- und Mehrwertsteuer – mit einem Schaden, der mutmaßlich hunderte Millionen Euro beträgt. 182 Millionen aus Steuergeldern soll sich ein Kreis um den PSOE-nahen Unternehmer Victor de Aldama, gleichzeitig Präsident des Fußballklubs FC Zamora, über den Großhandel mit Benzin und Diesel angeeignet haben. Er und mehrere Mitverdächtige sitzen seit Kurzem in Untersuchungshaft.
Möglich soll das nur gewesen sein, weil der Leibwächter des 2021 entlassenen Ex-Verkehrsministers José Luis Abalos, Koldo García Izaguirre, der Bande in mehreren Ministerien die Tür öffnete und auf diese Art eine Lizenz für den mehrwertsteuerfreien Kraftstoffhandel beschaffte. In einem schiefen Licht stehen nun Politikerinnen und Politiker bis auf Ministerebene, ein zwielichtiger Polizist von der Guardia Civil – Spitzname „Lenin“ – und auch die 2023 abgewählte Balearen-Ministerpräsidentin und heutige spanische Parlamentspräsidentin Francina Armengol (PSOE).
Im Fall der 53-jährigen Linkspolitikerin geht es um FFP2- oder KNO95-Masken, die über ein Unternehmen von Koldo García nach Mallorca geliefert wurden, jedoch so schadhaft waren, dass sie nicht verwendet werden konnten. Hier beträgt der Schaden zwar„nur“ 3,7 Millionen Euro, peinlich für Armengol ist aber, dass sie nachweisbar in engem Kontakt zu „Koldo“ stand. „Ich halte dich auf dem Laufenden, Schatz!“, textete dieser bei Masken-Verhandlungen an Armengol, wie inzwischen aus den polizeilichen Ermittlungen durchgesickert ist. Armengol hatte zuvor vor parlamentarischen Untersuchungsausschüssen die Kontakte weitgehend bestritten und versucht, die Verantwortung auf die Fachebene im Gesundheitsministerium zu schieben. Nun ist klar, dass sie nach Strich und Faden die Öffentlichkeit belogen hat und als Kandidatin für eine Wiederwahl gegen die amtierende Konservative Marga Prohens (PP) wohl ausfallen wird. Unbelastet in der PSOE ist dagegen der ehemalige balearische Arbeitsminister und heutige Oppositionschef Iago Neguerela. Bei der PP in Palma dürfte man sich die Hände reiben, weil Neuwahlen vor dem Hintergrund einer geschwächten Opposition immer unwahrscheinlicher werden.
Zu denken gibt auch, dass Francina Armengol sich im Wahlkampf 2023 ausgerechnet durch ihre Pandemie -Politik mitsamt Impfkampagnen gegen Corona zu profilieren versuchte – sich aber selbst nicht immer an die eigenen Pandemie-Regeln hielt. Dies könnte ebenfalls noch Teil einer Aufarbeitung werden.
„Muss Pedro Sánchez jetzt zurücktreten?“, fragen sich in Spanien in diesen Tagen jedenfalls viele. Die Antwort lautet „wahrscheinlich nicht so bald“ – obwohl auch seine Ehefrau Begoña Gómez der Freunderlwirtschaft beschuldigt wird. Sie soll ihrem Geschäftspartner ein Millionengeschäft mit Bergausrüstung für die Guardia Civil vermittelt haben und ohne ausreichende Qualifikation einen Lehrstuhl für Nachhaltige Wirtschaft und Fundraisung erhalten haben. Gerichte ermitteln zwar, aber bis zur endgültigen juristischen Würdigung kann es noch lange dauern. Dass der Bruder von Pedro Sánchez – Künstlername „David Azagra“ – von der PSOE-dominierten Provinzverwaltung in Badajoz (Extremadura) nach Aufenthalten in Russland und Thailand eine wohldotierte Stelle als Musikdirektor erhalten hat, seine Steuern trotz der Zugehörigkeit zum öffentlichen Dienst in unkorrekter Weise aber seit Jahren an einem Wohnsitz im benachbarten Elvas (Portugal) bezahlt, ist da zunächst nicht mehr als eine Anekdote. Gibt es einen Zusammenhang mit Briefkastenfirmen des festgenommenen Unternehmers Victor de Aldama, die sich ebenfalls in Elvas befinden?
Pedro Sánchez scheint sich trotz aller Widrigkeiten jedenfalls im Begriff zu befinden, mit den katalanischen Koalitionspartnern seiner linken Minderheitsregierung einen Haushalt für das Jahr 2025 zu verabschieden. Dieser könnte gegebenenfalls bis 2026 fortgeschrieben werden. Erst dann wäre voraussichtlich an Neuwahlen zu denken.
Sollte Sánchez doch noch stürzen, hält sich in der eigenen Partei die Finanzministerin María Jesús Montero für einen weiblichen Neuanfang bereit. Allerdings steht die konservative PP-Opposition von Alberto Núñez Feijóo schäumend in den Startlöchern und mobilisierte in Madrid kürzlich zwischen 50.000 und 100.000 Demonstranten gegen Sánchez (nach Regierungsangaben 25.000). Die PP kooperiert in vielen Regionen mehr oder weniger mit den Rechtspopulisten von Vox – auch auf den Balearen. Auf den Inseln ging das bislang eher sanft vonstatten. Im Fall eines Regierungswechsels auf nationaler Ebene muss man sich aber sicher auf erhebliche Umbrüche und Einschnitte gefasst machen. Sánchez hält sich auch deswegen (noch) im Amt, weil die Wirtschaft gut läuft und er die Verteilung von Finanzmitteln steuern kann. Foto: La Moncloa, Flickr (CC BY-NC-ND 2.0)