Mit tragfähigen Prognosen in Sachen Sommer 2021 hält man sich in Veranstalterkreisen überwiegend zurück. Es gilt das Prinzip Hoffnung: Man hofft auf eine starke Nachfrage und möchte Urlauber durch möglichst viel Flexibilität Anreize zum Buchen geben. Dazu zählen beispielsweise kostenlose Stornierungs- und Umbuchungsmöglichkeiten bis wenige Tage vor Reisebeginn.
Grenzen von Abstand und Hygiene
Jetzt buchen beschert Veranstaltern dringend benötigtes Kapital. Wir haben verstanden. Doch das ist nicht mehr als ein Kredit, der schneller als gedacht zur vollständigen Rückzahlung anstehen könnte. Insofern erinnert die Situation der Touristikunternehmen aktuell an den unsicheren und sich wiederholenden Wechsel aus Lockdown und Lockerungen. Sinkt die Inzidenz, steigt die Erwartung. Doch schon der nächste Mutant reißt die zarte, positive Stimmung mit ins Grab. "Nix ist fix" in dieser bunten Welt erholungsträchtiger Träume und bitterer Realität.
Mit sicherer Hardware allein, so könnte man sagen, ist es nicht mehr getan. Hoteliers und Veranstalter können ihre Gästezahlen noch so sehr begrenzen, das Toastbrot in Klarsichtfolie hüllen und auf alle ein Meter fünfzig Desinfektionsspender aufhängen. Ein Virus lässt sich in Sachen Ausbreitung davon nicht wirklich beeindrucken.
Impfpflicht bei alltours ?
Das Unternehmen alltours prescht nun mit einem neuen Konzept voran, das – im übertragenen Sinne – auf sichere Software setzt. Der Gast soll liefern, um künftig akzeptiert zu sein. Wer Urlaub in den konzerneigenen allsun-Hotels bucht, muss derzeit beim Einchecken einen negativen PCR- oder Antigen-Test vorlegen, der nicht älter als 48 Stunden ist. Voraussichtlich ab dem 31. Oktober soll dann eine Impfpflicht in den Hotels gelten, erklärte Geschäftsführer Willi Verhuven. Wer keine Corona-Impfung vorweisen kann, wird damit auf einen Urlaub in alltours-eigenen Hotels verzichten müssen.
Zudem kündigte der Düsseldorfer Konzern an, seine Hotel-Mitarbeiter "schnellstmöglich" zu impfen. Beschäftigte mit direktem Kundenkontakt würden bis dahin täglich auf Covid-19 getestet, heißt es weiter.
Kritik an Konzept
Die Ankündigung stieß nicht nur auf positives Feedback. Unter dem Hashtag #boykottalltours in sozialen Medien verschafften sich einige Kunden Luft und kritisierten die Maßnahmen mit teils deutlichen Worten. "Nie wieder alltours", "Schämt Euch" oder "Nach dieser Aussage seid ihr für mich gestorben" sind dabei noch die harmlosesten Kommentare. Dabei ging auch völlig unter, dass alltours-Chef Verhuven die Hoffnung formulierte, ein Urlaub "sei in absehbarer Zeit – vielleicht schon zu Ostern" in vielen Ländern wieder möglich. Klingt, wie ein zuckersüßes Bonbon als Belohnung für die vor die Wahl gestellten Urlauber.
Dass die so formulierte und geplante Auswahl an Kunden auf geteiltes Echo stößt und Kritiker auf den Plan ruft, damit dürfte der PR-erfahrene Reiseveranstalter gerechnet haben. Doch die Entscheidung zeigt beispielhaft, dass alltours wirtschaftlich mit dem Rücken zur Wand steht. Will man überleben, muss eine neue Strategie her. Dabei werden individuelle Entscheidungen getroffen, die zwar wenig populär, aber kaum zu ändern sind.
Alleingänge nicht zu vermitteln
Der alltours-Weg ist ein noch unbekannter Pfad. Wohin er führt, ist nicht abzusehen. Klar ist aber, dass viele Veranstalter dem Konzept folgen werden, vielleicht sogar folgen müssen. Problem ist: Wenn jeder sein eigenes Süppchen in Sachen Vorgaben kocht, wird sich die Branche über Kurz oder Lang selbst aufzehren. Wer nicht geimpft ist oder – was jedem freisteht – sich nicht impfen lassen möchte, wird andere Formen des Urlaubs finden und auf Veranstalter verzichten. Oder, bis auf Weiteres, nicht mehr verreisen.
Europäischer Weg wichtig
Ankündigungen, wie die von alltours, einen gesundheitlichen Eingriff zur Voraussetzung eines Vertragsverhältnisses werden zu lassen, sind nicht nur ein gewagter, juristischer Spagat. Sie sind vor allem ethisch fragwürdig.
Daher wäre es umso wichtiger, dass die europäischen Länder gemeinsame Vorgaben entwickeln, in einem ersten Schritt Reisen wieder möglich und in einem zweiten infektiologisch sicherer zu machen. Genau diese Reihenfolge mag verwundern, doch sie könnte jedem einzelnen mehr Gefühl von Selbstverantwortung geben. Das klappt bei Malaria, warum sollte Corona dem entgehen stehen? „Entdecke die Möglichkeiten“ ist die beste Voraussetzung für Entscheidungsfreude.