„Aber Hallo“ Heute komme ich mit meinem Impfpass

aber hallo kolumne marc fischer die inselzeitung mallorca

Vom Mitteilungsbedürfnis in Sachen Gesundheit

Das vorübergehende Aus kam nach zwei Sätzen. Eine Situation, mit welcher Tennisstar Rafael Nadal lang nicht mehr konfrontiert worden war. Das letzte Mal schaffte es der Österreicher Dominic Thiem 2018 in Madrid. Jetzt hieß der Gegner Corona. Ein Chinese. Sagt man. Und so geschah es: Nadal, Satz eins: „Hallo, Ihr!“ Nadal, Satz zwei: „Ich wurde positiv auf Covid-19 getestet.“ Spiel, Satz – und ab in die Quaran­täne. Heimeliger kann eine Rückkehr vor Weihnachten nicht sein. Testing home for Christmas.
Seit Corona Einzug in unser Leben gehalten hat, ist die überwiegende Zahl der Menschen in Sachen eigener Gesundheit auskunftsbereit wie nie. Das überrascht, denn bis ins gern zitierte „Vorkrisenjahr“ (dieses Wort sollte spätestens 2022 als „Wort des Jahres“ gekürt werden) war schon die digitale Gesundheitskarte ein rotes Tuch für den geneigten Patienten. Heute informiert man via eingerahmten Profilbild in sozialen Medien Hinz und Kunz stolz über seinen Gesundheitsstatus. Oder postet gleich „des Bäbberle“ im Impfpass.
Anschließend legt man den gesundheitlichen Zustand völlig unkritisch dem Friseur, dem Kellner oder dem aus der Arbeitslosigkeit vorübergehend wiederbelebten Sicherheitspersonal bei H&M vor. Da stellt sich als klar denkender Mensch in diesen Wochen und Monaten nicht nur die Frage nach der Immunität seines Gegenübers, sondern auch nach dessen Vollständigkeit der Tassen im Schrank. Natürlich geht es nicht anders, werden die meisten von Ihnen sagen. Und genau das sollte uns zurückhaltender machen.
Gesundheitsinformationen sind das Persönlichste, das es gibt. Nicht umsonst wurde das Konstrukt einer ärztlichen Schweigepflicht gesetzlich festgelegt. Corona scheint diesen letzten Rest menschlicher Würde mit dem Virus der Gleichgültigkeit infiziert zu haben. Man geht hausieren mit persönlichen Daten, ganz freiwillig und unkritisch.
Vor allem, wer im Rampenlicht steht, sieht es als seine Pflicht an, die Öffentlichkeit zu informieren. So wie Rafa Nadal. Er ist nur ein Beispiel für die unkritische Haltung vieler. Endlich haben wir sie: Eine Gesellschaft, die sich über Facebook-Analysen zu Kauf- und Klickverhalten mokiert. Eine Gesellschaft, die über den Datenschutz bei Namen auf Klingelschildern nachdenkt. Eine Gesellschaft, die dafür aber – heißa und juchhe – die vorhandene oder nicht vorhandene Immunität zur Schau trägt.
Niemand hat bislang über diese „Pflichten“ auch nur einen Ton verloren. Kein Zweifel, kein ansatzweises „aber“, nichts. Im Angesicht der Angst wird der Denker zu Depp. Das sollte uns allen zu denken geben.
Der nicht zu diskutierende Schutz vor einem Virus ist das eine. Der Schutz der Persönlichkeit das andere. Da gibt es kein Abwägen, kein gegeneinander Aufwiegen. Die Gesundheit ist Eigentum. Sie ist weder öffentlich noch ist sie Allgemeingut. Nadal hat nach zwei Sätzen verloren. Aufgegeben. Hätte nicht sein müssen. mf