Was bedeutet die Thomas Cook-Pleite für Mallorca und die Balearen?
Es war eine vorausschauende Studie, welche Studenten der Harvard-Business-School anfertigen mussten: „Die Thomas Cook Group am Rande des Abgrunds“, so der Titel, untersucht die Wende innerhalb des Konzerns, als im Jahre 2012 Vorstandschefin Harriet Green den damals schon hoch verschuldeten Reisegiganten retten wollte. Heute weiß man: Es ist Green niemals wirklich gelungen. Lag es an fehlendem Krisenmanagement, an fehlender Strategie und Führung, oder an mangelhafter Wertschöpfung? Es ist müßig, darüber zu fachsimpeln. Thomas Cook ist nach 178 traditionsreichen Jahren pleite. Von der Insolvenz sind weltweit rund 21.000 Mitarbeiter und Millionen von Urlaubern betroffen.
Am Ende fehlten 200 Mio. Euro Sicherheit
Natürlich waren es am Ende die Schulden, die das Schicksal von Thomas Cook besiegelten. Im Mai betrug die finanzielle Last etwa 1,4 Milliarden Euro. Zuvor hatte der Konzern die Milliarden-Beteiligung bei MyTravel abgeschrieben. Noch im Juli gab es eine Finanzspritze von 900 Mio. Pfund, unter anderem vom chinesischen Konzern Fonsun. Dafür erhielten die Asiaten 75 Prozent der Anteile vom Reisegeschäft und 25 Prozent der Airline. Der Rest – immerhin 450 Mio. Pfund – sollte über Anleihen und Kreditinstitute abgewickelt werden. Doch die potenziellen Geldgeber wurden skeptisch, forderten weitere 200 Mio. Pfund als Sicherheit. Um genau die ging es an besagtem Wochenende, das die Zukunft von Thomas Cook besiegelte.
Die Ursachen für die Pleite liegen, laut Wirtschaftsexperten, aber tiefer. Thomas Cook sei niemals im 21. Jahrhundert angekommen, erklärte Reiseexperte Simon Calder in der BBC. Das Management habe es verschlafen, das Unternehmen an veränderte Verbrauchergewohnheiten anzupassen, sagt Adam Gordon, Professor für Unternehmensstrategie an der Universität Aarhus. Man setzte weiter auf ein- und zweiwöchige Pauschalreise in die Sonne, die Kunden vor allem in den zahlreichen Agenturen buchen sollten. Dass immer mehr Menschen Kurztrips in Städte bevorzugten und den schnellen Klick zu günstigen Angeboten im Internet bevorzugten, blieb dem Konzern offenbar verborgen.
Balearenregierung wollte helfen
Die balearische Landesregierung hatte vor der offiziellen Bestätigung der Insolvenz der britischen „Thomas Cook“ ein Rettungspaket geschnürt. Das bestätigte Tourismusminister Iago Negueruela auf einer eilig einberufenen Pressekonferenz. Gemeinsam mit den Hotelverbänden der Insel und mit Unterstützung der spanischen Zentralregierung in Madrid habe man finanzielle Hilfen garantiert. Es gehe um den Schutz von Urlaubern, ganz gleich, was passiere. Die Maßnahmen seien aber von der britischen Regierung abgelehnt worden, so Negueruela weiter.
Heute weiß man, dass das Paket kaum gereicht hätte, um auch die deutsche Thomas Cook mit ihren Töchtern Neckermann, Bucher Reisen und Öger Tours tatsächlich zu retten. Denn auch die wurden am Ende mit in den Sog des stürzenden, britischen Mutterkonzerns gezogen.
Der balearische Minister äußerte sich enttäuscht und fand deutliche Worte für die ablehnende Haltung der Briten: Es müsse alles getan werden, um die Urlaubsdestination Balearen und die Touristen zu schützen. Das liege stets in der Hand der jeweiligen Landesregierung. Was andere Länder tun, liege hingegen in deren Verantwortung. Man wolle keine Szenen, wie in Großbritannien, erleben, fügte Negueruela an.
Zukunft ungewiss
In den ersten Tagen nach Bekanntwerden der Insolvenz saßen vor allem britische Urlauber auf Mallorca fest. Nur ein Teil der avisierten Flüge fand statt. Zum Einsatz kam auch ein gecharterter Airbus A380 von „Malaysia Airlines“, der Touristen zurück in die Heimat brachte. Doch schon bald zeigte sich, dass auch deutsche Touristen betroffen sind. Nach den Sofortmaßnahmen der Briten zur Rettung gestrandeter Urlauber, stehen die Balearen inzwischen vor einer teilweise ungewissen, touristischen Zukunft.
Balearen-Präsidentin Francina Armengol bezeichnete die Lage auf Mallorca und den Nachbarinseln als „besorgniserregend“. Die Pleite des Reisekonzerns werde deutliche Spuren hinterlassen. Wie groß dieser für die Wirtschaft, den Arbeitsmarkt und den Tourismus ist, sei noch unklar, so Armengol. Immerhin geht es um mehr als eine Million Passagiere pro Jahr, die mit dem insolventen Veranstalter und dessen Tochter-Unternehmen ihren Urlaub auf den Inseln buchten. Das klingt viel, erscheint aber gering gegen die Gesamtzahl von rund 14 Mio. Reisenden, die jedes Jahr auf die Insel kommen.
Konkreter wurde die Präsidentin des Inselverbandes der Hoteliers, María Frontera. Sie bezeichnete die Insolvenz als „beispiellosen Schlag für den mallorquinischen Tourismussektor“. Die Konsequenzen seien beispiellos. Die Pleite werde spürbare Auswirkungen auf die Wintersaison haben, denn man könne die jetzt frei gewordenen Buchungen nicht so schnell durch neue ersetzen. Möglicherweise wird der Winter für einige Hoteliers der Insel hart. Die Reisebranche braucht Zeit, um entsprechend zu reagieren, sich neu aufzustellen und zu organisieren. Mittlerweile sagen aber immer mehr Experten, dass die Lücke, die Thomas Cook hinterlässt, schon bald geschlossen wird. Nicht nur andere Veranstalter, sondern auch private Anbieter und die große Zahl der Individual-Bucher werden auch weiter ihre Koffer packen und auf Reisen gehen.
Versicherung garantiert Hilfe für Pauschalurlauber
Der Deutsche Reisebüroverband sagte, dass sich der Versicherungskonzern Zurich um die Pauschalreisenden kümmert. Dieser bestätigte inzwischen, dass man die von Thomas Cook vereinbarten Leistungen für Hotels und Fluggesellschaften übernehmen werde. Das bedeute, dass kein Hotel einen Grund hätte, ausstehende Kosten aus Angst oder Zweifeln von Urlaubern einzufordern.
Condor muss sanieren
Positiv auch, dass die Fluggesellschaft Condor zunächst einmal gerettet ist. Die Flugzeuge gehen weiter in die Luft. Condor erhält einen vom Bund und dem Land Hessen zugesicherten Staatskredit in Höhe von rund 380 Mio. Euro, befristet auf sechs Monate. Voraussetzung ist, dass die EU-Kommission zustimmt. Die Außenwahrnehmung dieser „Rettung“ unterscheidet sich allerdings deutlich von der tatsächlichen Lage.
Denn die Airline nutzt damit gleichzeitig ein sogenanntes „Schutzschirmverfahren“, welches das deutsche Insolvenzrecht seit 2012 ermöglicht. Es dient dazu, Unternehmen frühzeitig dazu zu animieren, mit einer dringend notwendigen Sanierung zu beginnen. Das heißt: Das Management der Airline ist nun gefordert, innerhalb einer bestimmten Frist einen Insolvenzplan auszuarbeiten. Überwacht wird das Ganze von einem Sachverwalter, der von einem Gericht bestellt wurde.
Bloß kein „weiter so“!
Und die deutschen Reiseunternehmen der Thomas Cook-Group? Die versuchen derzeit einen verzweifelten Abnabelungsprozess.
Zudem wird Thomas Cook- Deutschland nicht müde, die Schuld an der Misere der britischen Mutter und dem Brexit in die Schuhe zu schieben. Genau das ist viel zu kurz gedacht. Ein „weiter so“ kann und darf es nicht geben, sollte Thomas Cook in Deutschland künstlich am Leben gehalten werden. Wie lange die Maschinen laufen, soll ein erfahrener „Restrukturierer“ entscheiden, der die Neuausrichtung des Geschäfts im Rahmen eines Insolvenzverfahrens begleiten wird. Wünschen wir ihm und den Mitarbeitern den Weitblick, der dem Konzern in allen Bereichen bislang fehlte.
Marc Fischer