Mallorcas Dörfer sind wie ihre Häuser. Man ahnt von außen gar nicht, was so Wundervolles in ihnen steckt. Nehmen wir als Beispiel Felanitx, ein für die meisten Durchreisenden eher unscheinbarer Ort, dessen Charme sich noch nicht einmal auf den dritten Blick erschließen lässt.
Felanitx ist wie das Dorf von Asterix und Obelix. Ganz fest in den Händen der Einheimischen. Motto: Fremde sind willkommen, bestimmen aber keinesfalls das Straßenbild. Das merkt man spätestens dann, wenn man einem stinknormalen Wochentag über die Placa d´Espanya schlendert. Die wird von den Einwohnern übrigens Placa de Ses Palmeres genannt, also Palmen-Platz, was sich beim Anblick der Dutzenden von Dattelpalmen rings herum auch durchaus nachvollziehen lässt.
„Bei Uschi“ gibt´s günstige Hausmannskost
Belebt wird der Platz durch ein halbes Dutzend Bars und Cafés. Zu den ältesten Lokalen zählt das „Ca´n Usola“, das in früheren Zeiten einen illegalen Spielsalon beherbergte, vor dem angeblich ein aufmerksamer Papagei die Besucher vor der anrückenden Polizei gewarnt haben soll. Auch der Name der Bar entspringt einer Anekdote. So taufte der erste Besitzer das Lokal, in dem heute noch klassische mallorquinische Hausmannskost wie „Arroz Brut“ serviert wird, nach dem Namen einer, na sagen wir mal einer Bekanntschaft. Ursula soll die wohl irgendwo aus Mitteleuropa stammende Dame geheißen haben. Und daraus wurde dann beim Schreiben „Usola“. Ist doch süß, oder?
Sonntags wird um die Kundschaft gefeilscht
Ebenso wie „Bei Uschi“ bieten auch die anderen, recht einfach ausgestatteten Lokale – irgendwo neben Spielautomat und endlos laufendem Fernseher sitzt stets ein alter Mann mit Stoppelbart und Zigarrenstumpen – großzügig bemessene Mittagsmenüs inklusive Tischwein zu Preisen an, für die man am Paseo Maritimo in Palma noch nicht mal mehr einen Gin Tonic bekommt. Allerdings wer auf Gourmet-Essen steht, wird an der Plaza auch nicht fündig.
Jeden Sonntag verwandelt sich der Platz in einen typischen, mallorquinischen Wochenmarkt, auf dem vor allem einheimische Obstverkäufer und afrikanische Billigschmuckhändler um die Kundschaft buhlen. Kann man, muss man aber nicht unbedingt erlebt haben.
Auch sonst gibt es auf der Plaza keine echten Sehenswürdigkeiten zu entdecken, einmal abgesehen von der Statue der Heiligen Jungfrau Inmaculada Concepción, die von ihrer zehn Meter hohen und mehr als 60 Jahre verwitterten Steinsäule auf das Treiben unter ihr blickt.
Katastrophe am Ostersonntag
Ein architektonisches Kunststück findet man rund 150 Meter Luftlinie von der Plaza Espanya entfernt. Dafür muss man durch die kleine Einkaufsstraße Carrer del 31 de Marc und dann kurz rechts hinunter zur Placa de Sa Font de Santa Margalida laufen. Dort steht die Pfarrkirche San Miquel, die im 16. und 17. Jahrhundert in unterschiedlichen Baustilen hochgezogen wurde. Allerdings wurde dabei wohl ganz schön gepfuscht. So soll bei der großen Prozession am Ostersonntag des Jahres 1844 ein Großteil der Außenfassade zusammengebrochen sein – und mehr als 400 Menschen unter sich begraben haben. Eine Gedenktafel an der Außenseite der Kirche erinnert an dieses Unglück.
Weltberühmte Söhne der Stadt
Felanitx hat im Laufe der Zeit übrigens auch für internationale Schlagzeilen gesorgt. Und zwar dank gleich mehrerer berühmter Persönlichkeiten. Fangen wir mal mit der Umstrittensten von ihnen an. Der Seefahrer Christoph Columbus soll nach Überzeugung – oder Aberglaube – vieler Dorfbewohner aus dem zur Gemeinde gehörigen Hafenort Porto Colom stammen. Das geht bereits aus dessen Namen hervor. Colom heißt der Amerika- Entdecker auf Spanisch. Oder besser: Cristobál Colom.
Einwandfrei bestätigt sind dafür die Verdienste eines weiteren Sohns der Stadt. Guillem Timoner zählte in den 80er Jahren zu den besten Radfahrern der Welt. Gleich sechs Mal wurde der heute 92-Jährige Weltmeister im Bahnradfahren. Aber hallo!
Ebenfalls aus Felanitx stammt Miquel Barceló, einer der international renommiertesten spanischen Künstler.
Weinkennern aus der halben Welt sagt der Name „Anima negra“ vielleicht etwas. Es ist einer der besten Tropfen, die aus Mallorca stammen. Zu verdanken ist er drei Winzern aus Felanitx, die in den 90er Jahren den Mut hatten, die bereits vergessene, einheimische Traubenart „Callet“ zur Herstellung ihres preisgekrönten Rotweins zu verwenden.
Wie gesagt: Felanitx ist eine echte Schatzkiste. Man muss sie nur zu öffnen wissen.
Andreas John