Nicht alles auf Mallorca drehte sich in der Vergangenheit um Urlauber. Ganz im Gegenteil. Noch vor 3.000 Jahren begrüßte man hier ausländische Besucher meist mit einem Hagel aus Wurfsteingeschossen statt Strohalmen in Sangria-Eimern. Aber auch in der früheren Menschheitsgeschichte war Mallorca Schauplatz historischer Ereignisse oder Anekdoten. Wir haben auf den folgenden Seiten eine vollkommen subjektive Auswahl von Orten und Stätten gelistet, die weit über die Grenzen der Insel hinaus für mehr oder wenige bedeutende Schlagzeilen in Geschichtsbüchern und Medien sorgte.
Hoch über Mallorcas Hauptstadt thront die mittelalterliche Burg Castell (auf Spanisch „castillo“) Bellver. Ihr Name ist Programm. „Bellver“, also eine „schöne Aussicht“ über die rund 100 Meter unterhalb gelegene Bucht von Palma genossen ihre Bewohner bereits seit 1309, als die im Auftrag von Insel-König Jaume II. gebaute Burganlage erstmals ihre Türen öffnete. Der zweistöckige Innenhof ist von drei Türmen beflankt. Ein Vierter, der sogenannte „Torre de L´Homenatge“, steht inmitten des Burggrabens und ist mit der eigentlichen Festung über eine kleine Brücke im zweiten Stock verbunden. In der Geschichte Mallorcas spielte das Castell Bellver eigentlich eine unbedeutende Rolle. Als mittelalterliche Königsresidenz konzipiert wurde die Festungsanlage im Laufe der weiteren Jahrhundert als Gefängnis benutzt. Heutzutage ist sie Wahrzeichen und Ausflugsziel im einen. Neben den phantastischen 360-Grad-Ausblicken über den Hafen und dem unterhalb angrenzenden Bellver-Park, der grünen Lunge Palmas, hat die Burganlage aber eine Besonderheit zu bieten, für die sie internationalen Burg-VIP-Status genießt. Sie ist im Gegensatz zu den meisten anderen mittelalterlichen Wehrbauten in Europa kreisrund.
Verschiedene Räumlichkeiten beherbergen das Stadtmuseum von Palma mit zahlreichen Ausstellungsstücken und Schautafeln zur Geschichte der Stadt und der Insel Mallorca. Untergebracht ist hier auch eine Sammlung von Originalen und Kopien antiker Statuen – einige davon stehen auch verteilt im Innenhof vor den Türen – aus dem Besitz des Kardinal Despuig.
Ein Besuch ist das Castell de Bellver von Palma eigentlich immer wert. Der Eintrittspreis von vier Euro ist für eine der vielleicht spektakulärsten Burganlagen Europas akzeptabel.
Mehr als 180.000 Menschen fanden seit seiner Einweihung vor rund 200 Jahren auf dem Zentralfriedhof von Palma ihre letzte Ruhe. Oder auch nicht. Mallorcas größte Gräberstadt wird aufgrund der vielen dort errichteten Stein -und Marmorskulpturen mittlerweile in Reiseführern als Ausflugsziel gelistet. Der mallorquinische Journalist und Buchautor Carles Garrido veranstaltete dort in den vergangenen Jahren sogar nächtliche Grusel-Rundgänge mit Literaturlesungen.
Ähnlich wie in London, Paris oder Berlin liegen auf Palmas Friedhof illustre Persönlichkeiten begraben. Zu ihnen zählen neben Mallorcas Bänkerlegende Juan March – das Mausoleum der Familie misst rund 500 Quadratmeter – auch die neuseeländische Langstreckenfliegerin Jane Batten oder der britische Doppelagent Tómas Harris, der die Nazis mit Falschinformationen hinsichtlich der geplanten Landung der Alliierten in Frankreich „fütterte“ – und damit letztendlich zum frühzeitigen Ende des 2. Weltkrieges beitrug.
Ob Grace Kelly, Charly Chaplin, Winston Churchill, Helmut Schmidt oder der Dalai Lama: Wenn es einen Ort auf Mallorca gibt, in dem sich einige der bekanntesten Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts die Klinke in die Hand gaben, dann ist das zweifellos das Luxushotel Formentor auf der gleichnamigen Nord-Halbinsel. Die 1929 eröffnete Luxusunterkunft mit 80 Suiten und einem mehr als 300 Meter langen „hauseigenen“ Strand war zudem 2001 und 2002 Veranstaltungsort zweier Nahost-Gipfel mit hochkarätigen Teilnehmern wie dem verstorbenen Ex-Bundeskanzler Helmut Kohl, dem ehemaligen Palästinenserführer Jassir Arafat (1929-2004) sowie dem früheren israelischen Ministerpräsidenten Simon Peres. Das Foto von Arafat und Peres (1923-2016), die sich auf dem „Foro Formentor“ als Zeichen einer vielleicht ja doch möglichen Versöhnung zwischen ihren historisch befeindeten Ländern umarmten, ging um die Welt.
Son Sant Joan heißt das Nadelöhr, durch das sich seit dessen Eröffnung als Zivilflughafen 1960 jährlich Millionen von Menschen aus allen Herren Ländern quetschen, um auf der Insel ihren Urlaub zu verbringen – oder aus sonst einem Grund abzuheben beziehungsweise zu landen. Am 23. April 1971 kam der dort bis dahin schläfrige Alltagstrott aus Check-In Prozedere, Gepäckbeförderung, Boarding-Karten und Passkontrollen für kurze Zeit außer Kontrolle. Der damalige Flughafenleiter hatte am Vormittag einen untypischen Anruf aus dem Hauptquartier der Guardia Civil entgegen genommen mit dem Befehl, einen auf der Insel international gesuchten Ausländer bei seinem Fluchtversuch im Airport unverzüglich festzunehmen. Sein Name: John Lennon.
Der legendäre Beatles-Sänger war nur wenige Tage zuvor mit seiner Frau Yoko Ono auf die Insel gereist, um die damals siebenjährige Tochter Kyoko der Japanerin zu besuchen. Deren leiblicher Vater residierte zu dieser Zeit mit seiner Tochter in Palma. Doch nur wenige Stunden nachdem Lennon und Yoko Ono das Mädchen in einem Kindergarten abgeholt hatten, um mit ihm einen Ausflug in den Osten der Insel zu unternehmen, erstattete der Vater, der das Sorgerecht für Kyoko hatte, bei der Guardia Civil in Palma Anzeige wegen mutmaßlicher Kindesentführung. John Lennon und Yoko Ono wurden zur Fahndung ausgeschrieben und wenige Stunden später von Polizeibeamten in ihrem Hotel abgeholt und zum Verhör gebeten. Letztendlich stellte sich die ganze Geschichte als Missverständnis heraus. Der Vater zog die Anzeige zurück – und das Ehepaar Lennon-Ono reiste wenige Tage später wieder unbehelligt ab. Allerdings nicht ohne dabei jede Menge Schlagzeilen rund um den Globus zu hinterlassen. So titelte beispielsweise die Tageszeitung „Diario de Mallorca“ am 24. April über die kurzzeitige Polizeifahndung nach John Lennon mit der reißerischen Überschrift „Weltsensation auf Mallorca! „. Eigentlich hätte sie heißen müssen: All you need is love.
Kaum zu glauben, aber einmal im Jahr herrscht in der sonst eher beschaulichen Ortschaft Pollensa Kriegszustand. Dutzende von Einwohner treffen sich an jedem 2. August auf dem Dorfplatz, um mit Säbeln, Knüppeln und Lanzen aufeinander loszugehen. Nur so zum Spaß. Nachgestellt wird mit dem Show-Gemetzel in mittelalterlichen Kostümen eine am gleichen Tag des Jahres 1550 sich so oder ähnlich zugetragene Schlacht zwischen maurischen Piraten und den Einwohnern Pollensas. Erstere waren zuvor mit mehreren Schiffen in der Bucht von Pollensa gelandet, um auf Beutezug zu gehen. Allerdings hatten die Seeräuber nicht mit einer organisierten Gegenwehr der Bevölkerung gerecht, die zwar in Unterzahl aber unter der Führung des ortsansässigen Helden Juan Mas die Piraten auf der Plaza in die Flucht schlugen. Ähnliche historische Kämpfe zwischen „Moros y Cristianos“ werden in Form von Volksfesten auch in Santa Ponsa und Port de Sóller jedes Jahr zelebriert.
Der rund 20 Seemeilen südöstlich von Mallorca liegende Archipel Cabrera steht als maritimer Nationalpark seit Anfang der 90er Jahren und strengen Naturschutz. Die gleichnamige Hauptinsel mit ihrem lagunenförmigen Naturhafen gilt im Sommer als beliebtes Ausflugsziel für einheimische und ausländische Skipper. Außer einer kleinen Militärgarnison und dem Personal im Hafen ist die Insel vollkommen unbewohnt. Das war mal anders. Während des Spanischen Unabhängigkeitskrieges von 1807 bis 1814 wurde Cabrera zum provisorischen Internierungslager für rund 12.000 französische Kriegsgefangene. Ohne ausreichend Wasser, Nahrungsmittel und medizinische Versorgung, starben dort zwischen 3.500 und 5.000 von ihnen. Ein Denkmal auf der Insel erinnert heute an diese tragische und fast vergessene Episode der spanischen Geschichte. Im 14. Jahrhundert wurde über der Hauptbucht eine Burg zum Schutz vor Piratenangriffen errichtet, deren Ruine als größte Besucherattraktion gilt.
Puig Major: Raumschiff-Basis am Stausee
Mallorcas abgelegene Stauseen unterhalb des höchsten Gipfels der Tramuntana, dem Puig Major, waren Ende der 70er Jahre ein beliebtes Ausflugsziel. Hunderte von Einheimische versammelten sich viele Nächte lang am Rande der riesigen Trinkwasserdepots, um Außerirdische bei ihren Starts und Landungen zu beobachten. Vergeblich. Ausgelöst hatte diesen Ufo-Hype ein Barbesitzer aus Sóller, der auf seinen nächtlichen Spaziergängen Raumschiffe aus anderen Welten entdeckt haben wollte. Unscharfe Fotografien seiner vermeintlichen Begegnungen der zweiten Art schafften es später sogar auf die Titelseiten nationaler und internationaler Zeitungen.
Der Barbesitzer und Hobby-Ufologe aus Sóller veranstaltete daraufhin nächtliche Beobachtungsausflüge an die Stauseen. Selbst das spanische Verteidigungsministerium begann sich für die Sichtungen von Außerirdischen auf Mallorca zu interessieren. Doch so schnell wie das öffentliche Interesse für die vermeintlich galaktischen Urlauber gewachsen war, so schnell erlosch es auch wieder.Und an den beiden Stauseen Gorg Blau und Cúber im Tramuntana-Gebirge ist längst wieder Ruhe eingekehrt. Statt Außerirdische jagt man dort jetzt Karpfen. Allerdings darf man die Angel dort nur mit Genehmigung aus dem Umweltministerium in Palma auswerfen. Dort hatte man vor ein paar Jahren vergeblich versucht, die künstlichen Seen als Attraktion für ausländische Angeltouristen zu promoten. Doch auch das ging schief.
Capocorb Vell: Wo Familie Feuerstein einst hauste
Vor rund 3.000 Jahren entstanden auf Mallorca die ersten größeren Menschensiedlungen. Spuren aus dieser Zeit, der so genannten talaiotischen Epoche, finden sich noch in zahlreichen Gemeinden. Die größte davon befindet sich an der Straße zwischen Llucmajor nach Cabo Blanco. Dort stehen die Überreste eines Urzeit-Dorfes, das nach Ausgrabungsarbeiten in den 1970er unter dem Namen Capocorb Vell in ein Freilichtmuseum verwandelt wurde. Anfang des 20. Jahrhundert stießen Archäologen zum ersten Mal auf das einstige Megalithen-Dorf, unter ihnen auch der deutsche Gelehrte Albert Mayr. Der Begriff Talayot ist vom katalanischen Wort „talaia“ abgeleitet und bedeutet soviel wie „Wach- oder Wehrturm“. In Capocorb Vell befinden sich die Ruinen von drei runden sowie zwei quadratischen Talayots.
IZ TIPP – Reiseführer für Kuriositäten-Jäger
Wer auf der Suche nach historischen Orten, kuriosen Stätten oder Begebenheiten auf Mallorca ist, für den sind unsere folgenden Buchtipps sicherlich die passende Lektüre.
Der ehemalige Journalist, Weltreisende und seit vielen auf der Insel beheimatete Axel Thorer führt eines der größten Privatarchive zum Thema Mallorca. Sein „Lexikon der Inselgeheimnisse“ gehört somit zu den Standardwerken für jeden echten Insel-Fan.
Infos unter www.mallorca-aaaxel.com
Warum schnappen in der Kathedrale von Palma Fische nach Luft, hängt ein Haus über der Klippe oder gibt es tief unter der Erde ein Theater? Buchautor und Mallorca-Kenner Rüdiger Liedtke führt die Leser in der Neuauflage seines Reiseführers an eben „111 Orte, die man auf Mallorca gesehen haben muss“. Infos unter www.ruediger-liedtke.de
IZ-Kolumnist Thomas Fitzner hat in jahrelanger akribischer Recherchearbeit die kuriosesten Anekdoten seiner Wahlheimat Mallorca zusammengetragen. Ein einzigartiges Porträt aus 101 kurzen, wahren Geschichten, die charakteristisch sind für die Lieblingsinsel der Deutschen. Skurril, humorvoll, rätselhaft – und einfach spannend. Infos unter www.thomasfitzner.com