Historisch belegbar ist die Geschichte selbstverständlich nicht. Für die Heilige Katholische Kirche gilt sie dagegen seit fast 1.800 Jahren als wasserfeste Märtyrer-Legende.
Sie handelt von einem Mann namens Lorenz ("Laurentius" in Latein), der angeblich zu Beginn des ersten Jahrhunderts nach Christus das Amt des katholischen Schatzmeisters in Rom ausgeübt haben soll. Bei weitem kein einfacher Job, angesichts der Tatsache, dass der damalige römische Kaiser Valerian für die christliche Weltanschauung in etwa so viel Herzlichkeit empfand wie ein ausgehungerter Eisbär beim Ausblasen der Kerzen auf der Geburtstagsparty eines frisch geschlüpften Robben-Babys.
Um es kurz zu machen: An irgendeinem schwülen Augusttag soll Kaiser Valerian dem katholischen Schatzmeister Laurentius befohlen haben, die Kohle rauszurücken. Der jedoch stellte sich stur, und verteilte das ganze Vermögen stattdessen an sozial benachteiligte Bürger der Stadt. Doch das hatte nicht unempfindliche Konsequenzen. So soll der Jahrhunderte später vom Papst in Rom heilig gesprochene Lorenz als Strafe für den Ungehorsam bei lebendigem Leibe auf einem öffentlichen Grillrost hingerichtet worden sein. Seitdem – so kam die Marketingabteilung im Vatikan irgendwann auf die Idee – fließen seine vor Schmerz verflossenen Tränen – auf Spanisch "Lágrimas de San Lorenzo" – jeden August als Sternschnuppenregen über die Erde. Hollywoodreif.
Salvador Sánchez, Direktor und Gründer von Mallorcas Sternwarte in Costitx, kann über diese katholische Science-Fiction-Mär nur lächeln. Für ihn handelt es sich bei den Heiligentränen um nichts anderes als kosmischen Dreck aus dem Schweif eines Kometen, der vor zig Millionen Jahren kurz mal durch unser Sonnensystem raste. Eingefangen von den Gravitationskräften der Planeten fliegt der Kometenstaub seit dieser Zeit in einer eigenen Umlaufbahn um die Sonne. „Die Erde kreuzt diesen Meteoriten-Gürtel einmal im Jahr. Dabei verglühen erbsen – bis tennisballgroße Staubpartikel in der Atmosphäre – ein visueller Effekt, der von der Erde aus betrachtet so aussieht als würden Sterne vom Himmel fallen“, erklärt Sánchez.
Sei wie es sei. Der alljährliche "Perseiden-Schauer", benannt nach dem Sternenbild des griechischen Sagenhelden "Perseus", aus dessen Konstellation am nächtlichen Firmament, die Sternschnuppen zu regnen scheinen, ist ein echtes Astro-Spektakel. Mit bloßem Auge zu verfolgen ist es zwischen dem 10. und 15. August. In dieser Zeit kreuzt die Erde den Meteoritengürtel am längsten, und ist die Dichte der zu beobachtenden Sternschnuppen am Nachthimmel am höchsten.
In den vergangenen Jahren, vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie und seinen Ausgangsbeschränkungen galt die Sternwarte in Costitx als Epizentrum zur Beobachtung der "Perseiden". Dort gibt es auch in diesem Jahr Infos zu Möglichkeiten und Orten für die Beobachtung der "Tränen von Laurentius".