Experten Tipp Dr. Wolfgang Czichon – Rücken schonen im Alltag
Rückenschmerzen sind nicht nur eine Krankheit, sondern auch ein Warnsignal. Der Rücken ist ein Indikator für Störungen der Verhaltensabläufe.
Das viele Sitzen, Bewegungsmangel und psychische Belastungen sind Auslöser für Rückenschäden und Rückenschmerzen. Die meisten Bewegungen, die Sie im Alltag ausführen, belasten Ihren Rücken. Sich von den falschen Bewegungsmustern zu trennen fällt deshalb so schwer, weil die meisten Menschen gar nicht wissen, was sie falsch machen. Also müssen Sie sich bewusst machen, wo sich eine falsche Körperhaltung eingeschlichen hat: Im Sitzen oder Liegen, beim Tragen bis hin zu kleinen Handgriffen im Alltag.
Im Folgenden finden Sie unaufwändige Tricks, wie Sie eine rückenschonende Körperhaltung in den Alltag integrieren, am Beispiel des richtigen Sitzens.
Haltung bewahren
Obwohl das Sitzen eigentlich die schlechteste Variante für Ihren Rücken ist, sitzen Sie vermutlich viel. Das Sitzen übt viel mehr Druck auf die Bandscheiben aus als das Stehen, obgleich das Stehen als anstrengender empfunden wird. Eine krumme Sitzhaltung ist die Ursache vieler Schmerzen: im Kopf, im Nacken, in den Schultern, den Armen, im Magen, im Rücken und in den Beinen. Wahren Sie deshalb Haltung: Die Wirbelsäule sollte bei allem, was Sie tun, stets gerade sein.
Sitzen Sie möglichst aufrecht und halten Sie den Kopf gerade. Die Sitzfläche sollte so hoch sein, dass Ihre Oberschenkel und Ihre Unterschenkel einen 90- bis 100-Grad-Winkel bilden. Ihre Fußsohlen sollten ganz auf dem Boden stehen. Ihr Becken sollte leicht nach vorne gekippt sein. Armlehnen entlasten Ihre Wirbelsäule, weil die Muskulatur nicht mehr das Gewicht der Arme tragen muss. Stühle, auf denen Sie häufig sitzen, sollten in Höhe der Lendenwirbelsäule eine nach vorn gewölbte Stütze haben, die sich individuell verstellen lässt.
Aktiv sitzen
Sitzen Sie dynamisch und aktiv. Verändern Sie Ihre Sitzposition so oft wie möglich. Seien Sie ein Zappelphilipp, denn Bewegung verlagert die Belastungen und sorgt für die Versorgung der Bandscheibe mit Nährstoffen. Legen Sie kleine Bewegungspausen ein: Stehen Sie auf, gehen Sie umher, strecken Sie sich. Telefonieren Sie im Stehen. Stehen Sie in Fernseh-Werbepausen auf und gehen Sie herum. Wechseln Sie häufiger mal die Sitzposition, um die Belastung zu verlagern.
Dynamisch sitzen auf dem Sitzball
Der Sitzball ist eine gesunde Abwechslung zum Stuhl. Die mobile Unterlage fordert von Ihnen dynamisches Sitzen. Ihr Becken ist ständig in leichter Bewegung, und Ihr Oberkörper wird aufrecht gehalten. Längeres Sitzen auf dem Ball stärkt zudem Ihre Muskelkraft.
Richtig am Steuer sitzen
Rückenschmerzen sind auch ein Warnsignal für Störungen der Verhaltensabläufe im Alltag. Im Folgenden einige Tipps für rückengerechtes Verhalten im Auto.
Dauerhafte Vibrationen im Fahrzeug lösen neben der eigentlichen Sitzbelastung Stauchungen Ihrer Wirbelsäule aus. Wenn Sie richtig sitzen, kommen Sie viel entspannter am Ziel an.
• Neigen Sie die Rückenlehne etwa 20° aus der Senkrechten
nach hinten.
• Schieben Sie den Po hinten an die Lehne.
• Legen Sie die Oberschenkel locker auf den Sitz.
• Achten Sie darauf, dass die Sitzfläche zwei bis drei Finger breit vor der Kniekehle endet, damit die Blutzirkulation
in Ihren Beinen nicht behindert wird.
• Der Sitzabstand ist dann richtig eingestellt, wenn Sie das
Lenkrad mit leicht angewinkelten Armen erreichen.
Ihre Schultern müssen dabei Kontakt zur Lehne behalten.
Ihr linkes Bein muss bei voll durchgetretener Kupplung
immer noch leicht angewinkelt sein.
• Stellen Sie die Kopfstütze so ein, dass sie auf einer Höhe
mit der Oberkante Ihres Kopfes ist. Der Abstand zwischen
Stütze und Hinterkopf darf nur wenige Zentimeter betragen.
• Stellen Sie den Gurt richtig ein: Er darf nicht über
Ihren Halsbereich laufen.
• Die oft fehlende Lendenwirbelunterstützung sollten Sie
mit einem Lendenwirbelkissen ausgleichen, das auch seitlich
den Rücken hält. Auch zu kurze Kopfstützen können Sie
mit Polsteraufsätzen ergänzen.
Fit bleiben mit Augenjogging
Nutzen Sie die Zeit vor der Ampel oder im Stau gegen müde Augen: Halten Sie den Kopf gerade, den Blick nach vorne gerichtet. Nun blicken Sie in schnellem Wechsel nach oben zur Decke und wieder nach vorne, ohne den Kopf mitzubewegen. Lassen Sie die Augen dabei weit geöffnet. Dasselbe mit einem Blick nach unten zu Ihren Beinen und Füßen. Blicken Sie nun seitwärts und fixieren Sie einen Punkt möglichst weit weg, dann fokussieren Sie Ihren Blick ganz schnell aufs Steuerrad. Bewegen Sie Ihre Augen spielerisch einige Male hin und her, fern und nah – das macht Sie wieder munter.
Getränkekiste – richtig aus dem Auto heben
Oft ein Auslöser für eine akute Lumbago, so die medizinische Bezeichnung für eine Rückenschmerzattacke: Das Entladen des Kofferraumes. Gehen Sie zum Anheben und Tragen von Getränkekisten oder anderen schweren Gegenständen zuerst immer mit gestreckter Wirbelsäule in die Hocke. Heben Sie die Kiste bei angespannten Rumpf- und Bauchmuskeln aus der Kraft der Beine. Atmen Sie ganz normal weiter. Halten Sie die Kiste nah am Körper. Ihr Rücken wird es Ihnen danken!
Gymnastickball
Mit dem großen Gymnastikball haben Sie nicht nur
ein Fitnessgerät, sondern auch ein Sitzmöbel zum
dynamischen Sitzen. Die Bälle gibt es in verschiedenen
Größen. Bei der Wahl der passenden Ballgröße gilt die
Faustregel: Ziehen Sie von Ihrer Körpergröße 100 cm ab.
Für die Übungen darf der Ball nicht zu stark aufgepumpt sein.
Der Ball stellt höhere Anforderungen an die
Beweglichkeit und das Reaktions-
vermögen. Gewöhnen Sie sich also
erstmal durch Sitzen und Liegen
an die mobile Unterlage.
Dr. Wolfgang Czichon / Arzt für Orthopädie
Chirotherapie, Osteopathie, Akupunktur,
spezielle Schmerztherapie, Sportmedizin, Präsident der DGMSM
Deutsches Facharzt-Zentrum,
Tel. 971 685 333 – www.dfz.es