Literatur Mallorca – Eine Insel wie im Roman

Literatur Mallorca – Eine Insel wie im Roman

Mallorca und die Literatur: Das ist umfassender als Polyglott und Wanderführer, ergreifender als George Sand und Erzherzog Ludwig Salvator. Die Insel hat viele Schriftsteller inspiriert und lesbare Spuren hinterlassen.

Als Anfang der 1970er Jahre immer mehr ausländische Touristen Mallorca und die Nachbarinseln entdeckten, war eine Art Goldgräberstimmung spürbar. Investoren sicherten sich Land für Hotels, Privatleute interessierten sich für Baugrund in bester Lage. Geregelt war wenig auf der rund 3.600 Quadratkilometer großen Insel Mallorca. Wer zahlungskräftig war oder über gutes Verhandlungsgeschick gegenüber Einheimischen verfügte, konnte erstaunliche Schnäppchen machen.

Mit Zitaten berühmter Zeitgenossen ist das so eine Sache. Vor allem wenn sie gut klingen, jedoch nicht belegbar sind. Ein Beispiel lieferte die US-Schriftstellerin Gertrude Stein. Sie soll ihrem britischen Kollegen Robert Graves die Baleareninsel mit den zuckersüßen Worten empfohlen haben: „Wenn Du das Paradies ertragen kannst, dann komm‘ nach Mallorca!“ – Werbung vom Feinsten. Mehr geht nicht. Da ist es nachvollziehbar, dass viele Inselaffine diesen Ausspruch der berühmten Autorin nur allzu gern als Loblied für sich und Mallorca vereinnahmen. Literatur ist Freiheit, und Freiheit irrt nun einmal nicht.

Ein Brite prägt die Insel

Ungeachtet freiheitlichen und philosophischen Denkens bezweifeln inzwischen sowohl Historiker als auch Nachfahren beider Schriftsteller, ob der Satz wirklich so gefallen ist und ob er tatsächlich als verklärt schwelgende Empfehlung gemeint war. Nur eines ist klar: Gertrude Stein legte Robert Graves nahe, auf die Insel zu ziehen. Ein kluger, ein weitsichtiger Rat. Welche Meilensteine der Literatur wären ohne den Einfluss mallorquinischer Landschaft und Lebensfreude, eingebettet in die natürliche Schönheit der Finca Ca n'Alluny in Deià, auf der Robert Graves viele Jahre lebte und arbeitete, möglicherweise anders oder gar nicht entstanden?

Mallorcas kreative Ecke

Die Nordwestküste zwischen Valldemossa und Deià ist so etwas, wie die literarische Hochburg der Insel. Ein Anziehungspunkt großer Namen, die, entweder beeindruckt von der Schönheit der Landschaft oder einfach nur aus Zufall, hier strandeten und krea­tive Zeit verbrachten. Robert Graves ist nur einer von ihnen. Ein paar Kilometer weiter in Richtung Valldemossa findet sich das altehrwürdige Kloster Miramar.

Bekanntheit erlangte die Possessió vor allem durch den österreichischen Erzherzog Ludwig Salvator, der die Immobilie 1872 kaufte und restaurierte. Ein Ökologe, Freigeist und, nicht zuletzt, Schriftsteller.
Luigi, wie ihn seine Anhänger liebevoll nennen, verlieh Mallorca einen wissenschaftlich-literarischen Status. Der Erzherzog widmete sich nicht der Belletristik, er wandte sich Fakten zu, beschrieb‘ in seinem legendären Werk „Die Balearen“ Flora und Fauna der Inseln. Son Marroig war sein Hauptwohnsitz. Eine wunderbare Kulisse für die Arbeit an einem Monumentalwerk, das zu den bedeutendsten Büchern seiner Zeit wurde und bis heute bei Sammlern höchst beliebt ist.

Buchdruck im Kloster

Lange vor dem Erzherzog war Miramar bereits Zentrum schriftstellerischer Kreativität. Der mallorquinische Gelehrte Ramon Llull unterstützte im Jahre 1276 die Entstehung einer Missionarsschule und widmete sich Studien zu Theologie und Arabisch. Llull verfasste auf Miramar viele seiner Schriften. Die Klosterschule an Mallorcas rauer Küste bekam rund 150 Jahr später eine andere, ebenso enge Bedeutung für die Literaturszene der Insel: Die Mallorquiner B. Caldentey und F. Prats übernahmen das historische Gemäuer und gründeten, zusammen mit N. Calafat, im Jahre 1485 eine Druckerei. Hier entstand – schwarz auf weiß – das erste auf Mallorca veröffentlichte Buch.
Zwangsurlaub mit Folgen
Wenn wir uns in Sachen Literatur schon vor den Toren Valldemossas herumtreiben, dann ist es geradezu Pflicht, an George Sand und Frédéric Chopin zu denken. Die buchstäblich ins Wasser gefallene Reha hat bis heute literarische Spuren hinterlassen: "Ein Winter auf Mallorca" heißt der Reisebericht, in dem Sand die Zeit in der Kartause von Valldemossa festhielt. Die Stadt ist überraschenderweise bis heute überaus stolz auf diesen Roman, der eigentlich ein Verriss von Land und Leuten darstellt und alles andere als nach einer Einladung für eine unbeschwerte Zeit auf der Insel klingt.

Noch ein Winter auf Mallorca

George Sands Roman war in Schriftstellerkreisen offenbar wenig nachhaltig. Wie sonst ließe sich erklären, warum der aus Nicaragua stammende Dichter Rubén Darío ebenfalls ausgerechnet zur Wintersaison nach Mallorca kam? Das war 1907, mit seiner Geliebten Francisca Sánchez an der Seite und die Scheidung von Ehefrau Rosario Murillo im Rücken.

Auch für Darío brachte Mallorca kein Glück: Eine Tochter starb bereits bei der Geburt, die Scheidung konnte aufgrund der hohen Entschädigungsforderungen nicht erfolgen, und Darío wurde auch noch alkoholkrank. Doch er blieb Mallorca treu. Während einer späteren Rückkehr auf die Insel begann er 1913 die Erzählung "El oro de Mallorca". Auch einige seiner bekanntesten Gedichte sind, inspiriert vom Inselfeeling, hier entstanden.
Hygienetipps an den Vikar
Das verheißungsvolle Mallorca erfüllte Dichtern und Denkern, die hierherkamen, um zu leben und zu arbeiten, nicht immer das, was sie erhofften. Sonne, Meer und ein angenehmes Klima sind verführerisch, verleiten viel zu schnell zu Unbeschwertheit und falschen Träumen. Das verleiht dem Gefühl sonnendurchfluteter Schönheit in ausdrucksstarken Zeilen den einen oder anderen Schatten.
Anders der Dichter Bartomeu Rosselló-Pòrcel aus Palma. Viele Gedichte, Sonette und Erzählungen verdanken wir dem Mallorquiner, der im Alter von nur 24 Jahren, Ende der 1930er Jahre, an Tuberkulose starb. Rosselló-Pòrcel betrachtete die Insel häufig mit einem Augenzwinkern, brachte die Leser in herrlichen Metaphern ins Schwärmen, bevor er sie bravourös auf dem harten Boden aus klaren Bildern aufschlagen ließ. So erzählt er, zu Gast im Zentrum von Sóller, von "Strömen des Windes", die "Orangeaden verbreiten", einem Duft von "Karamell in der Brise" und einem Glas frischer, kühler Milch, die ihm der Vikar bringt: "Sein Achselschweiß dringt durch die Soutane". Nie war ein prosaisches Ende deutlicher spürbar.

Mallorca in der Literatur ist ein Auf und Ab der Eindrücke. Wer ausschließlich auf paradiesische Zeilen hofft, wird enttäuscht. Wer Melancholie erwartet, spürt schon bald die warmen Sonnenstrahlen. Es geht nicht darum, was der Leser will, sondern das, was er bereit ist, zu erleben. Mitreißend ist es allemal.