Mallorca – Überleben auf hoher See
Steve Hosking ist brenzlige Situationen gewöhnt. Zehn Jahre lang arbeitete der kahlköpfige Brite bei der Seenotrettung der englischen Marine, barg schiffbrüchige Yachties aus stürmischer See oder löschte Brände auf explodierenden Ölplattformen in der Nordsee. Vor rund 16 Jahren heuerte Hosking bei Bluewater Yachting an, einem Unternehmen, das sich auf die Ausbildung von Schiffsbesatzungen weltweit spezialisiert hat – ganz gleich, ob es sich dabei um eine 60-Fuß-Segelyacht oder einen 300 Meter langen Supertanker handelt.
Seit zehn Jahren bietet Bluewater Yachting im Industriegebiet von Marratxí bei Palma Überlebenstraining für Crewmitglieder an. „In fünf Tagen bereiten wir Stewardessen, Mechaniker oder Kapitäne auf den Ernstfall an Bord vor“, sagt Hosking. Einer seiner 14 Schüler, die bereits an dem einwöchigen, rund 1.000 Euro teuren Seminar zur Erlangung des STCW-Zertifkats (Standard Training Certification of Watch Keeping Code) teilnahmen, war die Deutsche Birgit Barzen.
„Eigentlich ging es mir anfangs nur darum, schnell den Ausbildungsnachweis zu bekommen. Mit ihm vergrößern sich nämlich meine Chancen, im Sommer wieder einen Job an Bord zu bekommen“, sagt Barzen, die in den vergangenen Jahren bereits des Öfteren als First Maid auf Privatyachten anheuerte. Für das Arbeiten auf Charterschiffen ist das international anerkannte STCW-Zertifikat sogar Pflicht. „Bereits nach dem ersten Tag wurde mir aber klar, dass es hier wirklich einiges zu lernen gibt, dass in Extremsituationen jede Sekunde zählt und dass jeder Handgriff sitzen muss.“
Die ersten Trainingstage fanden in Palmas öffentlichem Schwimmbad Son Hugo statt. Dort wurde unter anderem der Einsatz von Rettungsinseln auch bei schwerer See geübt. „Wir haben beispielsweise gelernt, eine Rettungsinsel im Wasser wieder aufzurichten oder aus verschiedenen Höhen in eine schaukelnde Rettungsinsel zu springen“. Trainiert wurde auch der Überlebensinstinkt im Wasser, dann also, wenn überhaupt kein Rettungsgerät mehr zur Verfügung steht. „Wer allein oder in der Gruppe im offenen Meer treibt, dem bleiben oftmals nur Minuten. Um sie bis zum möglichen Eintreffen der Rettungskräfte maximal zu nutzen, müssen bestimmte Verhaltensweisen trainiert werden, um die Körperwärme so lange wie möglich zu halten. Spätestens dann, wenn sie unter 24 Grad sinkt, ist alles vorbei“, sagt Hosking.
Ein weiterer wichtiger Ausbildungsteil ist das richtige Vorgehen im Brandfall. Dazu trainierten Barzen und die anderen Teilnehmer stundenlang mit Sauerstoffmasken und Feuerlöschanzügen in einem stockfinsteren, qualmenden Container. „Wir mussten unter anderem eine 70 Kilo schwere Puppe bei Nullsicht aus dem Container bergen und lernten dabei, wie man auch blind in einem engen Raum seinen Weg findet. Das war schon eine wichtige Erfahrung, die im Ernstfall uns und allen anderen an Bord das Leben retten kann“, so Barzen.
Weitere Infos unter
www.bluewateryachting.com
Andreas John