Mallorcas Häfen – Wo man auf der Insel an Land geht
Wo man auf der Insel an Land geht – Eine Geschichte über Mallorcas Häfen
Mallorcas Häfen entwickelten sich im Laufe ihrer Geschichte von rudimentären Fischersiedlungen zu bedeutenden Umschlagplätzen des mediterranen Seehandels. Heutzutage dienen die meisten Puertos als teure Parkplätze für Freizeitboote und Luxusyachten.
Stellen Sie sich einmal vor, Sie dümpeln auf einem Tretboot an einem strahlend-blauen Augusttag am Strand von Es Trenc entlang. Irgendwann wird es Ihnen langweilig. Sie wollen zurück an Land. Was machen Sie? Logisch. Sie treten in die Pedale, steuern solange aufs Ufer zu, bis der flache Plastikrumpf mit einem Knarzen auf Sand läuft, stecken bleibt – und Sie nach dem Aussteigen wieder festen Boden unter den Füßen haben. Anlanden nennt man dieses Manöver in der Seemannssprache. Eigentlich nicht der Rede wert, oder?
Doch jetzt stellen Sie sich die gleiche Situation an Bord einer mehr als 50 Meter langen antiken Ruder-Galeere oder einer doppelt so großen mittelalterlichen Dreimast-Kogge vor. Oder auf einem mit Hunderten von Containern beladenem Frachtschiff. Oder in einem mit Dutzenden von hochsensiblen Atomsprengköpfen bestücktem U-Boot. Oder auf der Brücke eines bis zu 40 Meter in den Himmel ragenden Kreuzfahrtschiffes. Das Ganze bei Sturm und fünf Meter hohem Seegang. Sie sehen schon. Je nach Bootsgröße, Witterungslage und geographischen Gegebenheiten ist so ein Anlanden nur sehr schwer – oder gar nicht möglich.
Vor rund 3.000 Jahren sollen römische und phönizische Kriegs- und Handelsgaleeren erstmals Mallorca vom heutigen spanischen Festland, der Nordküste Afrikas und der französischen Riviera angelaufen haben. Die fast ausschließlich von Ruderkraft ihrer unter Deck ausgepeitschten Sklaven angetriebenen Boote suchten sich für ihre Inselausflüge entweder die beiden großen, von Wind und Wellen weitgehend geschützten Buchten im Norden (Bahia Pollensa, Bahia Alcúdia) aus, oder steuerten den lagunenförmigen Naturhafen Sóller an der sonst vom Meer her uneinnehmbaren Westküste an. Auch Mallorcas Ostküste bot dank schmaler und von hohen Felsen beflankten Meereszungen, genügend Schutz vor Sturm und Wellen.
Dennoch: Das Anlegen direkt an Land war aufgrund der geringen Wassertiefe und den scharfkantigen Felsen kaum möglich – oder wurde aus Angst vor unberechenbaren Angriffen der für ihren Umgang mit Steinschleudern gefürchteten Einheimischen gar nicht erst in Erwägung gezogen. Stattdessen ließ man in sicherem Abstand zur Küste den Anker werfen – damals noch in Form rudimentär behauener Eisenblöcke. Anschließend wurde in kleineren Ruderbooten auf die Insel übergesetzt.
Noch bis zu Beginn es Mittelalters waren Mallorca und Nachbarinseln für Piraten, Händler oder Eroberer ein Risikogebiet, um das man besser einen Bogen machte.
Selbst König Jaume I., der 1229 von Tarragona aus, im heutigen Katalonien, mit einer Flotte von mehr als 150 Kriegsschiffen und über 1.000 Soldaten an Bord übersetzte, um das damals von Mauren regierte Mallorca wieder dem Christentum einzuverleiben, ankerte bei seiner Ankunft erst einmal – und im gebührlichen Sicherheitsabstand zum Land – in der Bucht von Santa Ponsa, um anschließend von dort aus die "Reconquista" der Insel zu initiieren.
Er hätte es einfacher haben können. Bereits im 10. Jahrhundert nach Christus werden rudimentäre Steganlagen zum Anlegen von Handelsschiffen auf Mallorca in den Geschichtsbüchern erwähnt. Dabei handelt es sich um den heutigen Fähr- und Militärhafen Porto Pí in Palma, dessen Leuchtturm zu den ältesten, noch in Betrieb befindlichen Anlagen seiner Art auf der ganzen Welt gehört.
Doch auch trotz einer für die Schifffahrt strategischen Lage im westlichen Mittelmeer bleibt die Insel Mallorca hinsichtlich dem Bau oder Ausbau von Hafenanlagen während der kommenden Jahrhunderte in den Kinderschuhen stecken. Alcudia, Pollensa, Andratx oder andere Küstenorte entwickeln sich in dieser Zeit zwar zu bedeutenden Umschlagplätzen für die einheimischen Fischer. Deren kleine und Kiellose Boote ("Llaüts") werden noch bis ins 19. Jahrhundert zum Teil direkt an den Stränden gebaut, gewartet und gelöscht.
Das ändert sich schlagartig im Zuge der industriellen Revolution in Europa und der damit einhergehenden Entwicklung motorisierter Dampfschiffe zum Warentransport auf See. Palmas Porto Pí mausert sich dank dem Bau von größeren und breiteren Kaianlagen sowie der Ansiedlung von internationalen Reedereien und Schiffsbrokern nach dem Zweiten Weltkrieg zu einem der größten Warenumschlagplätze für den Seehandel im westlichen Mittelmeer. Port de Sóller avanciert in dieser Zeit gar zu einem bedeutenden Export-Hafen für Orangen und Zitrusfrüchte nach Südfrankreich. Und Portocolom zum maritimen Handelstor für mallorquinische Weine.
Auch der in den 1950er Jahren beginnende Massentourismus beschleunigt die Entwicklung der Häfen auf Mallorca. In Palma entstehen Anfang der 70er Jahren neue Liegeplatzanlagen wie der "Club de Mar", um die mittlerweile müde gewordene maritime Highsociety statt nach Cannes, Saint Tropez oder Mónaco jetzt auch nach Mallorca segeln zu lassen. Mit Erfolg. Die Balearen zählen spätestens seit Beginn der 80er Jahren zu den beliebtesten Revieren für einheimische und ausländische Privatyachtbesitzer oder Charterurlauber in Europa.Privat verwaltete Yachthäfen wie Puerto Portals oder Port Adriano gehören nicht zuletzt aufgrund ihres glamourösen und internationalen Angebotes an Gourmetrestaurants, Luxusboutiquen, prominenten Besuchern sowie spektakulären Events wie Regatten oder sommerlichen Musik-Festivals mit internationalen Stars zu den absoluten populärsten Marinas in ganz Europa.
Doch das hat auch seinen Preis. Im wahrsten Sinne des Wortes. An kaum einem anderen Ort im Mittelmeer liegen die Preise für Tages- oder Dauerliegeplätze so hoch wie in den Yachthäfen der Balearen. Bis zu 3.000 Euro oder mehr mussten Skipper von Motor- oder Segelyachten bereits in der Vergangenheit für einen Liegeplatz im Stadthafen von Ibiza bezahlen. Und Jahresliegeplätze sind sowohl dort als auch auf Mallorca kaum noch bezahlbar – oder aber gar nicht mehr vorhanden.
Die derzeitige Landesregierung der Balearen, ein Bündnis aus Sozialisten, Nationalisten und Grünen, sieht die regionale Nautikbranche, deren Angebot aus Refit, Brokerage, Charter und Zubehör bis zu 400 Millionen Euro Umsatz pro Jahr generiert, aufgrund dessen möglichen Kolateralschäden für Umwelt und Ressourcen eher als Feind statt als Freund. Tretboote zählen nicht dazu.