Umweltpolitik auf Mallorca: Keine Zeit zum Durchatmen

Umweltpolitik auf Mallorca: Keine Zeit zum Durchatmen

Als Anfang der 1970er Jahre immer mehr ausländische Touristen Mallorca und die Nachbarinseln entdeckten, war eine Art Goldgräberstimmung spürbar. Investoren sicherten sich Land für Hotels, Privatleute interessierten sich für Baugrund in bester Lage. Geregelt war wenig auf der rund 3.600 Quadratkilometer großen Insel Mallorca. Wer zahlungskräftig war oder über gutes Verhandlungsgeschick gegenüber Einheimischen verfügte, konnte erstaunliche Schnäppchen machen.

Leider blieb bei diesen wenig nach­haltigen Plänen und Projekten fast immer die Natur auf der Strecke. Beste Meereslage mit Weitblick oder abgelegene Finca vor traumhafter Kulisse waren die einzigen, ausschlaggebenden Bedingungen für Bauten gleich welcher Art.

Kampf mit harten Bandagen

Was die Politik zunächst als nicht wirklich wichtig empfand wurde von einigen Naturliebhabern und Ornithologen zur persönlichen Chefsache erklärt: Umwelt und Naturschutz. Die engagierten Ökoaktivisten gründeten 1973 die Grup Balear d'Ornitologia i Defensa de la Naturalesa, kurz GOB. Sie ist damit die älteste und traditionsreichste Umweltorganisation der Balearen, die sich für den Erhalt des natürlichen, ursprünglichen Mallorca einsetzt.
Dass die Mitglieder der GOB oftmals mit harten Bandagen kämpfen, ist längst kein Geheimnis mehr. Immerhin kommt in ihrer Bezeichnung das Wort „Defensa“ vor. Entsprechend verteidigt die Gruppe die Rechte der Umwelt, macht sich zum Sprecher der Natur, wenn diese selbst sprachlos bleibt. Weder Politiker noch Unternehmen, und schon gar keine Privatpersonen, sind vor den Umweltschützern sicher, wenn in irgendeiner Weise gegen die Ansprüche der Natur und Umwelt gehandelt wird. Mit Strafanzeigen, die bis zum Abriss illegal errichteter Bauten führen können, setzt die GOB ihre erklärten Ziele durch. Stets auf Basis geltender Gesetze, welche nicht nur auf Mallorca viel zu oft viel zu lasch gehandhabt werden.

Umweltschutz und Bewusstsein

Das alles klingt nach viel „contra“ und Opposition. Nur wenige wissen, dass wir alle und die Insel der GOB sehr viel zu verdanken haben. Denn die Umweltgruppe fordert nicht nur, sie fördert. Nämlich den Erhalt natürlicher Regionen und Lebensräume, vor allem in Form von Naturschutzgebieten. Die Liste der Naturparks, die dem Einsatz der GOB angerechnet werden können, liest sich wie das „Who is who“ des Landschaftsschutzes: Ohne die Umweltgruppe wären die Insel Sa Dragonera im Westen Mallorcas, der Strand von Es Trenc oder der Naturpark Mondragó im Osten längst zugebaut und touristische Hotspots. Der GOB ist es auch zu verdanken, dass es einen Meeresnationalpark Cabrera gibt. Das wohl bedeutendste Projekt ist die Finca Sa Trapa, die 1980 von der GOB allein durch Spendengelder aufgekauft wurde.
Die Umweltgruppe setzt sich zudem für Fortbildungen im Umweltschutz, die Sicherheit vor Waldbränden sowie, nicht zuletzt, den Erhalt bedrohter Tierarten ein. Hierzu gehören Projekte zum Schutz des Rotmilans, des Mönchsgeiers sowie der Griechischen Landschildkröte. Die Mitglieder sind in zahlreichen politischen und administrativen Gremien vertreten.

Natürliches Mallorca

Aktuell gibt es auf Mallorca einen Nationalpark, sechs Naturparks und ein Schutzgebiet. Die im Süden Mallorcas liegende Insel Cabrera mit ihren umliegenden, kleinen, unbewohnten Inselchen wurde 1991 zum Nationalpark erklärt. Mit 90.000 Hektar ist der Archipel eines der größten Meeresschutz­gebiete der Welt.
Zu den Naturparks zählen die Serra de Tramuntana (seit 2011), die Insel Sa Dragonera mit ihrem umgebenden Meeresbiotop (seit 1995), der Strand Es Trenc mit Salobrar bei Campos (seit 2017), der Küstenabschnitt Mondragó bei Santanyí (seit 1992), das Gebiet der Halbinsel Llevant (seit 2001) sowie das Feuchtgebiet s'Albufera (seit 1988) mit dem dazugehörigen Gebiet s'Albufereta (seit 2011).
Die sprudelnden Quellen Ses Fonts Ufanes wurden 2001, der Sturzbach Torrent de Pareis im Jahre 2003 zum Naturdenkmal erklärt.

Politik ist aufgewacht

Wie wichtig Naturschutzgebiete und der Erhalt unberührter Natur für Mallorca sind, hat, abseits der Einheimischen und der meisten Urlauber, inzwischen auch die Politik verstanden. Das jüngste Projekt ist die Erweiterung des Naturparks s'Albufera im Norden der Insel. Das Feuchtgebiet wird um fast ein Viertel seiner bisherigen Ausdehnung auf künftig 2036 Quadratmeter vergrößert. Das gab der balearische Umweltminister Miquel Mir im Februar bekannt. Damit steht auch der Strand Es Comú unter Schutz.
Der Naturpark s'Albufera ist ein Schilf- und Brackwassergebiet, durchzogen von Kanälen, Wanderwegen und Aussichtspunkten. Eine Besonderheit sind kleine, blaue Krebse, die sich dort entwickelt haben und leben. In der dicht bewachsenen Flora brüten regelmäßig unzählige Vogelarten.

Umweltschützer nicht müde

Abseits der Politik hat das Bewusstsein für Umwelt und Natur auch den Einzelnen erreicht. Auf Mallorca gibt es zahlreiche Gruppen und Vereinigungen, die sich gegen Fehlplanungen und für mehr Nachhaltigkeit einsetzen. Jüngstes Beispiel ist die Forderung von Umweltschützern an die Regionalregierung, im Gegenzug für den Ausbau der Schnellstraße von Llucmajor nach Campos zur Autobahn einen Wiederaufforstungsplan bereitzustellen. Dieser soll entlang der Trasse führen und rund 52 Hektar umfassen.

Um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen, trafen sich Umweltschützer der Plattform "Antiautopista" zu einer symbolischen Pflanzung. Laut ihrer Sprecherin Margalida Rosselló seien dem Ausbau der einstigen Schnellstraße etwa 2.000 Bäume zum Opfer gefallen. Diese müssten nun ersetzt werden.