Die Sonne bringt nicht alles an den Tag. Viele Dinge der sprichwörtlichen Urlaubsinsel Mallorca bleiben verborgen. Der Begriff Armut will einfach nicht in eine Welt passen, in der die „schönste Zeit des Jahres“ eine maßgebliche Rolle spielt und auf der – von außen betrachtet – das Leben eher unbekümmert abläuft. Genau das ist das große Problem von Mallorca und seiner Nachbarinseln: Vor der Kulisse von Strand, Meer und Dolce Vita haben die Schattenseiten einfach keinen Platz. Und doch prägen sie das Inselleben nachhaltig. Wenn auch nicht die Betroffenen selbst, so sprechen die Zahlen eine klare Sprache.
Erschreckende Zahlen
Rund 250.000 Menschen auf den Balearen leben in Armut, etwa 73.500 sind sogar von schwerer Armut betroffen. Das geht aus Zahlen des „European Anti-Poverty Network für die Inseln (EAPN Balears) hervor. Der Bericht bezieht sich nur auf die Erhebung der Lebensbedingungen in den Haushalten und lässt Gruppen wie Obdachlose und Migranten außen vor. Würden sie in diese Erhebung einbezogen, wären die Daten weitaus höher.
Fast die Hälfte der Kinder in schwerer Armut erhält immer noch keine Sozialleistungen. Das lebensnotwendige Mindesteinkommen erreicht auf den Balearen nur 12.099 der 25.000 von schwerer Armut betroffenen Kinder. Die Berechnung der Kinder-Armutsquote erfolgt in der Regel ohne Berücksichtigung der Wohnkosten, wodurch das tatsächliche Ausmaß der Armut unterschätzt wird. Die neuesten verfügbaren Daten zeigen, dass die Kinderarmutsquote bei fast 27% liegt, während sie unter Berücksichtigung der Wohnkosten sogar auf fast 39% steigt.
Als arm gilt, wer mit 40 Prozent des nationalen Mindesteinkommens leben muss. Geht man von einem monatlichen Nettogehalt von 1.400 Euro aus, sind das 560 Euro pro Monat. Betroffene Familien sind gezwungen, einen großen Teil ihres Einkommens – wenn nicht sogar alles – für das Wohnen auszugeben. Verständlich, dass diese Situation eher früher als später zu sozialer Not führt. Eine nachhaltige Änderung seitens der Politik ist kaum zu erwarten.
Hilfe auf direktem Weg
Umso mehr sind private Initiativen gefragt. Eine davon ist das Projekt „Comida para todos“ – „Essen für alle“ – des Lions Club Palma de Mallorca. Ein Herzensprojekt, wie die Mitglieder und Helfer einstimmig erklären. Die Idee ist einfach: An sechs Tagen in der Woche sammelt ein Fahrer mit einem von den Löwen finanzierten Lastwagen Spenden ein: Obst, Gemüse und andere Lebensmittel gehören ebenso dazu wie Hygieneartikel oder Spielzeug. Zu den größten Unterstützern zählt die Supermarktkette Lidl.
Allein im ersten Quartal dieses Jahres legte der Fahrer knapp 17.800 Kilometer zurück. Die Mitglieder leisteten 895 ehrenamtliche Stunden. Geladen und verteilt wurden weit über 68 Tonnen Frischware, die Gesamtkapazität lag bei 70,6 Tonnen. Mit diesen Unterstützungen wurden rund 8.000 betroffenen Familien auf direktem Weg geholfen.
Beliefert werden auf diesem Weg die verschiedene Hilfsorganisationen auf Mallorca, wie Sense Fam, SOS Mamas, Can Gaza, Hope Mallorca, El Tardor, Zaqueo oder Es Refugi. Zu den Produkten zählten, neben Obst und Gemüse, Schokolade, Süßigkeiten, Plüschtiere und Artikel wie Gewürze, Suppen und Soßen. Produkte, die für viele eine Selbstverständlichkeit sind, für von Armut betroffenen Familien jedoch etwas Besonderes darstellen.
Die NGO Canamut erhielt einige Kisten mit Windeln sowie Schokolade, Kuchen und Plüschtiere für die ganz Kleinen unter den Hilfsbedürftigen. Auch SI Mallorca konnte Windeln, Süßigkeiten und rund 30 Plüschtiere entgegennehmen.
Can Caza freute sich über einen großen Einkauf von Hygieneartikeln. Dem Lions Club Calvià konnten mehrere große Kleiderspenden übergeben werden, die dann im Second Hand Shop vom Palmanova verkauft wurden.