Vorgezogene Neuwahlen auf den Balearen?
Skandale erschüttern Vox, PP und die oppositionellen Sozialisten auf den Inseln – mit Folgen für die politische Landschaft
Politisches Tohuwabohu auf Mallorca und den Nachbarinseln: Die Rechtspopulisten von Vox auf den Balearen haben sich heillos zerstritten, während die oppositionellen Sozialisten mit einem Masken-Skandal aus der Amtszeit von Francina Armengol (PSOE) zu kämpfen haben. Zudem musste die PP-Politikerin Pilar Bonet als Finanzdezernentin des Inselrats zurücktreten. Sie soll bei ihrem Ex-Arbeitgeber Globalia Millionen von Euro unterschlagen haben. Ein Vox-Abgeordneter im Inselrat verherrlichte dagegen den Spanischen Bürgerkrieg (1936-39) als „Befreiungskreuzzug“ und muss nun mit einem hohen Bußgeld rechnen.
Was bedeutet das alles für die konservative Minderheitsregierung der Volkspartei PP, die im Balearen- Parlament auf ihren unbequemen Tolerierungspartner von Vox angewiesen ist? Hinter vorgehaltener Hand wird von einigen bereits über mögliche Neuwahlen in der Region spekuliert, die bei Bedarf am 9. Juni gleichzeitig mit der Europawahl oder alternativ nach der Sommerpause stattfinden könnten. Es wäre in diesem Fall eine Legislaturperiode, die nur ein Jahr gedauert hätte – und gleichzeitig eine gewisse Entzauberung für das Bündnis aus Konservativen und Rechtspopulisten. Von Spaniens Oppositionschef Feijóo (PP) und seiner Parteifreundin, Balearen-Präsidentin Marga Prohens, kommen derzeit jedoch Signale, die auf eine vorläufige Weiterführung des fragilen Pakts hindeuten.
Hintergrund ist ein Streit in der Vox-Fraktion auf den Balearen, die versucht hatte den Parlamentspräsidenten Gabriel Le Senne und seine Mitstreiterin Patricia de las Heras aus den eigenen Reihen auszuschließen. Beide halten zur Parteispitze um Santiago Abascal in Madrid, während fünf mutmaßliche Gefolgsleute von Rechtsausleger Jorge Campos offenbar eigene Pläne hatten. Wer nun eigentlich für Vox auf den Balearen sprechen kann, und was mit dem Tolerierungspakt von Juni 2023 geschehen soll, ist unklar.
Die fünf Dissidenten wurden zunächst von ihrer Partei suspendiert, während der Fraktionsausschluss von Le Senne und de las Heras vom Parlament wegen eines Formfehlers für nichtig erklärt wurde. Am 8. Februar schloss sich die Fraktion dann vorläufig wieder zusammen. Eine vernünftige Arbeitsbasis dürfte es jedoch kaum noch geben. In einem durchgesickerten internen Revisionsbericht von Vox ist die Rede von einer „Mafia“ und Korruptionsvorwürfen gegen das Umfeld von Jorge Campos, der jedoch seelenruhig in Madrid als nationaler Parlamentsabgeordneter amtiert, nachdem er im Juni von den Balearen „weggelobt“ worden war.
Die Vox-Dissidenten reklamierten den Posten des Parlamentspräsidenten für sich. In Wirklichkeit ist aber offen, wer gegebenenfalls die Nachfolge antreten könnte, und ob das Team der konservativen Volkspartei für 2025 wirklich noch einmal mit der zerstrittenen Truppe von Vox in Haushaltsverhandlungen treten will. Balearen-Präsidentin Marga Prohens (PP) könnte womöglich auch kurzerhand von ihrem verfassungsmäßigen Recht zur Auflösung des Parlaments Gebrauch machen.
Mehrheit für PP?
Nach den Regionalwahlen vom 18. Februar im nordostspanischen Galicien, die die konservative Volkspartei PP erwartungsgemäß mit absoluter Mehrheit für sich entscheiden konnte, fordern sich Vertreter von PP und Vox auf den Balearen bereits verbal heraus. „Wir wollen unseren Weg fortsetzen und dabei nicht mehr von Vox abhängig sein müssen“, sagte PP-Fraktionschef Sebastiá Sagreras. „Bei Neuwahlen würden wir exakt das gleiche Ergebnis holen wie in Galicien.“ General a.D. Fulgencio Coll, der Vorsitzende der Vox-Fraktion im Stadtrat von Palma de Mallorca ist ebenfalls für einen Urnengang: „Die PP würde sich verbessern und Vox ebenfalls ein gutes Ergebnis holen. Das würde Stabilität bringen, die aktuell fehlt“, meinte Coll per Twitter. Parteiintern gilt er seit Jahren als Rivale von Jorge Campos.
PSOE-Skandal
Die PP könnte der Versuchung für Neuwahlen auch deswegen erliegen, weil es bei den Sozialisten um Francina Armengol nicht rund läuft. Premier Pedro Sánchez steht für seine Amnestie-Pläne in Katalonien unter Beschuss (siehe rechts), und spanienweit erschüttert ein Masken-Skandal die PSOE.
Für rund 50 Millionen Euro soll ein ehemaliger Leibwächter und Berater von Ex-Verkehrsminister José Luis Abalos über ein Unternehmen dem Staat minderwertige Corona- Masken verkauft haben. Die Balearen erhielten eine Lieferung für 3,7 Millionen Euro. Da es sich nicht um die Qualitätsstufe FFP2, sondern nur um KN95 handelte, wurden 2,6 Millionen Euro zurückgefordert – allerdings mit über 3 Jahren Verspätung und mit einem zweiten Schreiben am letzten Regierungstag von Armengol.
Die Politikerin ist inzwischen zur spanischen Parlamentspräsidentin an der Seite von Sánchez avanciert – und hat nun so viel zu erklären wie die Masken-Geschäftemacher der deutschen CDU/CSU. Der Stolz auf die Corona-Politik, den Armengol kurz vor der Balearen-Wahl noch mit einer Pressekonferenz in einem Impfzentrum zur Schau gestellt hatte, erscheint zumindest in einem seltsamen Licht. Die Bürger der Inseln haben sie im Mai 2023 jedenfalls abgestraft. Und die Rufe nach erneuten Wahlen weit vor dem Ende der Legislaturperiode 2027 könnten in den nächsten Wochen und Monaten noch lauter werden als bisher.