Geologe Xisco Roig über die Gefahren der Mikroerosion in Mallorcas Gebirge durch die Massfizierung von Wanderern, Bikern und Läufern.
Es klingt unglaublich, aber bei jedem Schritt, den wir tun, tragen wir auch ein klein wenig den Boden unter unseren Sohlen ab. Mikroerosion nennen Wissenschaftler diesen Effekt, der langfristig zu einer Degradierung von Böden und Landschaften führt. Auf Mallorca ist dieser Vorgang vor allem im Tramuntana-Gebirge zu beobachten. Der mallorquinische Geologe Xisco Xavier Roig i Munar warnt vor den Folgen, die eine weitere, unkontrollierte Nutzung von Pfaden und Wegen für die Bergwelt der Insel nach sich ziehen kann.
Wer ist für das geologische Gleichgewicht in der Tramuntana gefährlicher: Wilde Bergziegen oder wüste Wanderer? Bergziegen richten mit ihren Hufen kaum Erosionsschäden an. Die Gefahr bei ihnen besteht vielmehr, dass sie ganze Berghänge kahlfressen. Und das führt wiederum langfristig zu einer Entwaldung der Tramuntana. Aus diesem Grund muss eine Ausbreitung der Bergziege verhindert werden.
Gleiches gilt für Wanderurlauber? Es gibt keinen Unterschied zwischen ausländischen und einheimischen Wanderern. Das wäre auch vollkommener Blödsinn. Mallorquiner gehen genauso gerne in die Berge wie Urlauber. Das Problem ist die Massifizierung. Sie führte in den vergangenen Jahren zu einer spürbaren Erosionszunahme.
Können Sie das etwas plastischer erklären? Das ist eigentlich ganz simpel. Umso mehr Menschen auf einem Weg gehen, laufen, reiten oder Radfahren, umso mehr Bodenmaterial wie Sand und Steine wird dabei abgetragen. Noch schlimmer wirkt sich das abseits von befestigten Wegen aus. Mountain-Biker oder Extremläufer rasen gerne Abhänge herunter. Hier sind die Erosionsschäden langfristig noch größer.
Sind die möglichen geologischen Folgen von Fußabtritten nicht etwas übertrieben? Keineswegs. Ich habe in den vergangenen Jahren zahlreiche Wege auf Mallorca und Menorca nach Mikroerosionsschäden untersucht.
Mit welchem Ergebnis? Ein Weg, über den am Tag 2.000 Menschen laufen, wie zum Beispiel bei den vergangenen „Ultratrail“-Rennen auf Mallorca, verliert an einem Tag bis zu 2 Zentimeter Oberfläche.
Wie könnten die langfristigen Folgen einer zunehmenden Mikroerosion in der Tramuntana aussehen? Eine Erosion führt zwangsläufig immer zu einer Verkarstung der Landschaft. Ganze Wälder können mit der Zeit verschwinden. Die Folgen für die einheimische Flora und Fauna wären katastrophal.
Die Tramuntana steht doch längst unter Naturschutz und ist Weltkulturerber der UNESCO. Ja, allerdings nur auf dem Papier. Die Wahrheit ist, dass es an allen Ecken und Enden an Mitteln fehlt. Wege und Pfade müssen permanent gepflegt und ausgebessert gehalten werden, damit sie den Massen an Wanderern und Outdoor-Sportlern im wahrsten Sinne des Wortes Stand halten können. Zudem fehlt es an Aufklärung über die Ursachen der Mikroerosion.
Inwiefern? Nordic-Walker beispielsweise müssen mit Info-Tafeln an den Wegen darauf hingewiesen werden, dass ihre Stöcker Gummi-Pads zu tragen haben, die weniger den Boden aufreißen. Fahrradfahrern muss auf gleiche Weise deutlich gemacht werden, dass sie nur auf ausgewiesenen Wegen fahren dürfen und nicht wild, quer Beet.
Gibt es das Problem nur auf Mallorca? Nein. In Nepal beispielsweise ist die Gefahr von Mikroerosion aufgrund der Massen an Wanderern und Bergsteigern viel größer. Doch im Gegensatz zu den Balearen werden die Wege dort sehr viel besser geschützt und gepflegt als hier.