BALEAREN WAHLEN – Liberale zwischen Glanz und Elend

Balearen-Wahlen 2023 die Parteien

Auf welche Kleinpartei es bei der Balearen-Wahl ankommen könnte

Mehrheit auf der Kippe
Nach letzten Umfragen zur Wahl des Balearen-Parlaments am 28. Mai rangiert die konservative Volkspartei PP knapp über 31 Prozent (21-22 Mandate) klar vor der sozialistischen PSOE mit 23,6 Prozent (17-18 Mandate). Die absolute Mehrheit im Balearen-Parlament mit seinen 59 Sitzen liegt bei 30, sodass die beiden großen Parteien jeweils auf Partner angewiesen sind.

Bei der PP kommen für eine Koalition oder Tolerierung die Rechtspopulisten von Vox in Frage. Sie werden mit 13,2 Prozent und 7 Mandaten gehandelt. Die linkspopulistischen und öko-nationalistischen Regierungspartner der PSOE kommen hingegen mutmaßlich auf 10 Mandate. Zwischen den Lagern ergibt sich also ein Mini-Vorsprung von 29:28 zugunsten der Rechten. Die Situation könnte mit zwei Sitzen für die Regionalpartei „El Pi“ kippen, falls diese von 4,8 Prozent noch den Sprung über die 5-Prozent-Hürde schafft. Sollte „El Pí” draußen bleiben, tendiert die Arithmetik nach rechts: PP-Vox haben mit 44,5 Prozent einen Vorsprung vor dem seit 2015 regierenden Linkspakt, der mit seinen diversen Bestandteilen auf 42,2 Prozent kommt (Stand: Ende Januar).

„El Pí” wendet sich zwischen rechts und links
Regionalwahlen auf den Balearen haben oft knappe Ergebnisse, und so könnte es auch im Mai 2023 wieder kommen, wenn man denn den Umfragen Glauben schenkt. Zwar lag die konservative Volkspartei PP mit über 30 Prozent zuletzt deutlich vorne, doch für eine Mehrheit im Parlament ist das allein womöglich nicht genug. Auch zusammen mit den Rechtspopulisten von Vox könnte PP-Spitzenkandidatin Marga Prohens unter Umständen die absolute Mehrheit von 30 Mandaten im Balearen-Parlament um einen Sitz verfehlen. Ob es so kommt, hängt vor allem von einem Faktor ab, und zwar von der kleinen wirtschaftsliberalen Regionalpartei „El Pi“, die sich im politischen Zentrum verortet und grundsätzlich nichts mit Rechtsaußen (alias Vox) zu tun haben will.

Der Name ist die Abkürzung für „Proposta per les Illes“, zu Deutsch „Vorschlag für die Inseln“. Das Bündnis ist derzeit mit 3 Abgeordneten im Balearen-Parlament, holte 2019 einen soliden Stimmenanteil von 7,33 Prozent und ist zudem stark in den Gemeinden verankert. Die Partei stellt insgesamt 10 Bürgermeister und paktiert vor Ort wahlweise mit den Sozialisten von der PSOE oder aber mit den Konservativen wie etwa in Andratx, wo man im vergangenen Jahr der PP-Bürgermeisterin Estefania Gonzalvo zur Macht verhalf.

„Proposta per les Illes“ setzt einerseits auf lokale Netzwerke, andererseits ist das erklärte Ziel eine möglichst große Autonomie der Balearen und der Schutz der katalanischen Sprache gegen zu viel Zentralismus aus Madrid. Obwohl sich El Pi in der Opposition befindet, gibt es hier Schnittmengen mit dem regierenden Linksbündnis der Sozialdemokratin Francina Armengol (PSOE).

Zwar rangieren die liberalen Autonomisten in Umfragen derzeit nur bei 4,8 Prozent, könnten somit an der 5-Prozent-Hürde scheitern und damit dann definitiv den Weg für PP und Vox freimachen. Doch wollen viele Beobachter nicht so recht an diese Schätzungen glauben, da das politische Spektrum von El Pi seit 1981 unter verschiedenen Namen fast ununterbrochen im Balearen-Parlament vertreten ist. Einzige Ausnahme die Wahl 2011, bei der man in zwei Gruppierungen gespalten angetreten war. Nach dem Debakel fusionierten „Lliga Regionalista“ und „Convergencia per les Illes“ 2012 dann zum heutigen „El Pi“. Die Vorgängerpartei von „Convergencia“ kannte man zuvor lange Zeit unter dem Namen „Unió Mallorquina“ (UM). Diese war mehrfach an Rechts- und Linksregierungen auf den Balearen beteiligt, verwickelte sich dabei jedoch in Korruptionsskandale und musste sich am Ende auflösen. Schon seit den 90er Jahren hatte UM unter Führung der 2013 zu einer Haftstrafe verurteilten ehemaligen Inselratspräsidentin Maria Antonia Munar immer wieder für Negativschlagzeilen gesorgt. „Urbanizadora Mallorquina“ lautete damals ein bösartiger Spitzname aufgrund von mutmaßlichen Manipulationen in der Bau- und Raumordnungspolitik.
Das ist lange her, und die Nachfolger unter neuem Namen geben sich inzwischen geläutert. Die eigentlich sehr wirtschaftsfreundliche Gruppierung El Pi brachte 2022 sogar ein Immobilienkaufverbot für Nichtresidenten ins Gespräch, das Madrid aber inzwischen aus europarechtlichen Gründen vom Tisch gewischt hat. 2015 und 2019 wurde die wendige Kleinpartei aufgrund klarer Mehrheitsverhältnisse wider Erwarten nicht für die Regierungsbildung gebraucht. Das könnte sich nun ändern: El Pi wird für den 28. Mai als Zünglein an der Waage gehandelt und hofft auf eine neue Chance. Sobald die Wahlkampagne im Frühling anläuft, könnte es frischen Schwung geben.

Liberale „Ciudadanos“ vor dem Scheitern?
Große Hoffnungen setzte man in Spanien spätestens seit 2015 auf die liberale Neugründung „Ciudadanos“ in der knalligen Farbe Orange. Unter Albert Rivera war man der Macht kurzzeitig ganz nah, konnte sich jedoch nicht mit dem heutigen Premierminister Pedro Sánchez (seit 2018) auf ein sozialliberales Bündnis einigen und auch als Mehrheitsbeschaffer der konservativen PP nicht nachhaltig profitieren. Es blieb bei starker Präsenz im Europaparlament sowie regionalen und kommunalen Regierungsbeteiligungen, etwa in Madrid und Kastilien-León.

Die Partei ist 2006 in Katalonien entstanden und kämpfte dort gegen ein neues Autonomie-Statut, das manche Nicht-Katalanen als zu großzügig empfanden. Sie wurde mitunter als nationalliberal wahrgenommen, scheint sich aber nunmehr zwischen alle Stühle gesetzt zu haben, als sie dann plötzlich doch in die Mitte schwenkte und in einigen Regionen gemeinsame Sache mit den Sozialisten machen wollte.
Mittlerweile liegt „Ciudadanos“ („Bürger“) spanienweit fast überall auf verlorenem Posten und landet auch auf Mallorca und den Nachbarinseln nur noch bei 3,5 Prozent in den Umfragen. Die 5-Prozent-Hürde im Balearen-Parlament, im Inselrat und den Rathäusern ist der Partei im Weg. Allerdings kommt die kürzlich gewählte neue spanienweite Parteichefin Patricia Guasp (45) aus Palma de Mallorca und will auf allen Ebenen nochmals einen letzten neuen Anlauf starten.