Kaum ein Beobachter zweifelt daran, dass die konservative Volkspartei spanienweit und auf Mallorca mit den Rechtspopulisten von Vox koalieren würde, um einen Regierungswechsel zu schaffen – falls es denn die Mehrheiten hergeben. Das ist für die Regionalwahlen am 28. Mai noch nicht sicher, und auch nicht für die spanischen Parlamentswahlen (voraussichtlich im November/Dezember), denn die Umfragen stehen für beide Termine auf der Kippe, bzw. weisen derzeit ein Patt aus.
„Vox“ (lateinisch) steht dabei für „Stimme“ und will denjenigen eine Option geben, die sich von den anderen Parteien nicht repräsentiert fühlen. Die Partei wurde 2013 von ehemaligen PP-Mitgliedern gegründet und holte 2019 rund 15 Prozent bei der spanischen Parlamentswahl. Auf den Balearen erreichte sie 8,1 Prozent und ist mit drei Abgeordneten vertreten. Die Partei konzentrierte sich anfangs auf die Ablehnung von Autonomie-Rechten in Regionen wie Katalonien oder den Balearen und forderte mehr Zentralismus. Hier gibt es Berührungspunkte mit der konservativen PP, ebenso wie beim wirtschaftsliberalen Programm. Allerdings ist Vox radikaler und wendet sich gegen die Migration, gegen den politischen Islam, gegen Gender-Ideologie und Multikulturalismus. Es gibt auch einen postfaschistischen und einen katholisch-traditionalistischen Flügel, der anders als die AfD in Deutschland Abtreibungen verbieten will.
Vox ist streng hierarchisch organisiert. Zum Beispiel wird über Kandidaturen in den Landesverbänden nicht vor Ort, sondern in Madrid entschieden. Spitzenkandidaten auf den Balearen sind Jorge Campos für das Regionalparlament sowie der General a.D. Fulgencio Coll im Rathaus von Palma. In der Inselhauptstadt hat Vox laut Umfragen auch eine Hochburg, da sich viele Wähler der unteren Mittelschicht von den Linken abgewendet haben. Der bereits amtierende Stadtrat Fulgencio Coll gibt sich eher pragmatisch, Jorge Campos ziemlich radikal. Letzterer hatte sich vor der Gründung von Vox in den Organisationen „Circulo Balear“ und „Actúa“ engagiert und ist für die Linken eine Art rotes Tuch. Zudem gilt das Duo Campos-Coll als zerstritten. Die Parteispitze musste einschreiten und jedem seinen eigenen Bereich zuweisen, wobei Jorge Campos den regionalen Vorsitz behält.
Gleichzeitig grün und nationalistisch – das ist politisch nicht unbedingt ein Widerspruch. Das zeigt die nur auf den Balearen existierende Partei „Més“ („Mehr“). Man engagiert sich als Vorkämpfer für die Autonomie der Balearen und die katalanische Sprache und verwässerte kürzlich die vom sozialdemokratischen Koalitionspartner PSOE propagierte Aufhebung der obligatorischen Katalanisch-Kenntnisse für Ärzte und Pflegepersonal. Das kommt bei den Insulanern, die teilweise um ihre Identität bangen gut an, und wird seit 2015 mit etwa 10 Prozent der Wählerstimmen und stabilen Umfragen honoriert. Die lokale Arbeit ist zwischen „Més per Mallorca“ und „Més per Menorca“ aufgeteilt. Die Liste bei der Wahl zum Balearen-Parlament wird von Lluis Apesteguia angeführt, im Inselrat ist Jaume Alzamora der Spitzenkandidat.
Hervorgegangen ist Més aus der linken Koalition „PSM-Entesa Nacionalista“ um die 1977 gegründete „Partit Socialista de Mallorca“ (PSM). Zu den zunächst eher klassischen Linken stießen später die Grünen von Iniciativa Verds (IV), die anderswo in Spanien kaum vertreten sind. Auf den dichtbesiedelten Inseln haben sie geholfen, die Bebauung von Buchten an der Ostküste, am Strand von Es Trenc oder auf der Insel Dragonera zu verhindern.
Heute geht das Programm noch darüber hinaus. Ein von Més & Co. eingerichteter „Klima- und Bürgerrat“ forderte unter anderem schärfere Beschränkungen für Kreuzfahrtschiffe, eine zahlenmäßige Obergrenze für den Tourismus, einen besseren ÖPNV, Fahrverbote in Ortskernen sowie ein Limit für gebietsfremde Autos auf Fähren. Diese Vorschläge wurden jeweils mit über 90 Prozent angenommen. 69 Prozent könnten sich sogar elektronische Zugangsbeschränkungen an Stränden vorstellen, wie es sie bereits auf Sardinien gibt. Residenten hätten dann womöglich Vorrang vor Touristen. Weiter verfolgen will die Balearen-Regierung jedoch nur Vorschläge mit über 90 Prozent Zustimmung im demokratisch nicht legitimierten „Klima- und Bürgerrat“.
Die Partei „Podemos“ („Wir können“), auf Katalanisch „Podem“ genannt, ist nach 2011 aus den Protesten gegen die Sparpolitik der konservativen spanischen PP-Regierung von Mariano Rajoy hervorgegangen. „Bewegung 15. Mai“ (15M) ist hier das Stichwort. Die friedliche außerparlamentarische Opposition von jungen Leuten wird manchmal mit der 68er-Bewegung verglichen und ist inzwischen in den Parlamenten angekommen.
Ohne sie hätten weder der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez (PSOE) in Madrid noch seine Parteifreundin Francina Armengol auf Mallorca und den Nachbarinseln eine Mehrheit. Seit 2015 gehört Podemos auf den Balearen mit etwa 10 Prozent Stimmenanteil der linken Regierungskoalition an und vertritt teilweise eher klassische und gewerkschaftsnahe Positionen unter Beteiligung der Postkommunisten von Izquierda Unida (IU/EU), macht in Sachen Ökologie und Verboten aber gemeinsame Sache mit Més gegen den gemäßigten sozialdemokratischen Koalitionspartner.
Podemos ist auf den Balearen erstaunlich stabil in den Umfragen, obwohl es in den letzten Jahren mehrfach Skandale gab. So musste sich der Erzlinke Pablo Iglesias wegen seiner Radikalität im März 2021 aus der spanischen Regierung zurückziehen, und seine ehemalige Lebensgefährtin Irene Montero zeichnete kürzlich für eine handwerklich verpfuschte Änderung des Sexualstrafrechts verantwortlich. Diese sorgte ungewollt für einen Strafnachlass bei inhaftierten Vergewaltigern und musste von Pedro Sánchez wieder rückgängig gemacht werden.
Außerdem konnte sich Podemos in Palma mit Més und den Sozialdemokraten nicht über die Modalitäten eines LGBT-Festivals der deutschen Veranstalterin Kristin Hansen einigen, was zu Rücktritten führte und dem Linkspakt fast die Mehrheit gekostet hätte. Der erfolgreiche Antikorruptionsrichter Pedro Yllanes kandidiert nicht mehr für das Balearen-Parlament und wird durch Antonia Jover ersetzt. Im Rathaus von Palma strebt Lucía Muñoz an die Spitze und im Inselrat der bisherige Verkehrsdezernent Iván Sevillano, der „Erfinder“ der umstrittenen neuen VAO-Busspur auf Mallorcas Flughafenautobahn.