Historischer Tag für Mallorca und ganz Spanien: Balearen-Politikerin Francina Armengol (PSOE) ist am Donnerstag, 17. August, in der Abgeordnetenkammer „Congreso de los Diputados“ in Madrid zur Parlamentspräsidentin gewählt worden. Im ersten Wahlgang holte sie 178 Stimmen.
„Die Mehrheit steht“, hieß es am Morgen nach einem tagelangen Tauziehen mit den katalanischen Separatisten um Carles Puigdemont, denen voraussichtlich bald eine Amnestie zugutekommen wird. Außerdem dürfen Katalanisch, Baskisch und Galicisch ab sofort neben dem Spanischen bei Beratungen im Kongress verwendet werden. Dies erfordert eine Änderung der Geschäftsordnung und Dolmetscher, wie es etwa im Eidgenössischen Bundeshaus in Bern üblich ist. Francina Armengol (52), deren Muttersprache die mallorquinische Variante des Katalanischen ist, wird ein guter Draht nach Barcelona nachgesagt, nachdem sie dort Pharmazie studiert hat und später als Balearen-Präsidentin von 2015 bis 2023 immer wieder intensiv mit der Nachbarregion Katalonien zusammengearbeitet hat.
Ihre Wahl zur Parlamentspräsidentin soll zudem den Weg für eine erneute Regierungsbildung von Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez ebnen. Dieser will ein Bündnis aus Sozialisten (PSOE), Linkspopulisten von Sumar und bis zu 16 Regionalparteien schmieden. Als „Frankenstein-Pakt“ wird dieses seit 2018 erprobte Modell von seinen Kritikern bezeichnet. Da Oppositionschef Feijóo von der konservativen Volkspartei PP im Parlament isoliert ist und sich lediglich teilweise auf die Rechtspopulisten von Vox stützen kann, stehen die Chancen für eine Neuauflage jedoch sehr gut.
Zwischen beiden Blöcken steht die Kanaren-Koalition CC. Die PP hatte als Gegenkandidatin zu Francina Armengol die eigene Fraktionsvorsitzende Cuca Gamarra nominiert. Nach der Spanienwahl vom 23. Juli herrschen im neuen Parlament sehr knappe Mehrheitsverhältnisse. Armengol kam auf 178 Stimmen, Gamarra auf 139 und Ignacio Gil Lázaro (Vox) auf 33.
Im Übrigen genießt Francina Armengol auf Mallorca und den Nachbarinseln nur begrenztes Vertrauen bei den Bürgerinnen und Bürgern. Sie war bei der Balearen-Wahl am 28. Mai einem Rechtspakt aus PP und Vox unterlegen und kandidierte daraufhin erfolgreich für das spanische Parlament. Auf den Balearen wurde Armengol von ihrer konservativen Rivalin Marga Prohens (41) abgelöst. Wie es heißt, will sie 2027 aber zurück an die Macht auf Mallorca und behält daher auch den Vorsitz des regionalen PSOE-Ablegers PSIB.
„Hauptstadt Waterloo“
„Spaniens Hauptstadt ist jetzt in Waterloo statt in Madrid“, schimpfte die Opposition schon vor der Wahl Armengols und bezog sich damit auf den Wohnsitz des katalanischen MdEP Carles Puigdemont in Brüssel. Dieser wird wegen des illegalen Unabhängigkeitsreferendums von 2017 von der spanischen Justiz gesucht, kann wegen seiner parlamentarischen Immunität jedoch nicht von Belgien oder Frankreich ausgeliefert werden.
Pedro Sánchez strebt eine „plurale Mehrheit“ an, in der Regionen wie Katalonien und das Baskenland ganz viel Autonomie bekommen sollen. Außerdem geht es um die Begnadigung von 4000 Angeklagten und Verurteilten rund um das Referendum von 2017. Heikler noch ist, dass die Katalanen nun möglicherweise einen legalen Volksentscheid anstreben. Pedro Sánchez wird beschuldigt, sich dabei zum Steigbügelhalter zu machen und die Einheit Spaniens zu gefährden.
Zunächst liegt der Ball bei König Felipe VI., der nach Konsultationen mit den Parteien einen Kandidaten für das Vertrauensvotum im Parlament vorzuschlagen hat. In Frage kommen dafür Pedro Sánchez oder aber Oppositionschef Alberto Núñez Feijóo, der mit 137 Mandaten noch vor den Sozialisten (121) die stärkste Fraktion besitzt und sich daher immer noch für den Wahlsieger vom 23. Juli hält. Beide konkurrieren um die Mehrheit der Abgeordneten und werden möglicherweise nacheinander antreten. Das Vorschlagsrecht liegt laut Verfassung beim König und bei der Parlamentspräsidentin. Unter Umständen könnten die schwierigen Gespräche zwischen Sánchez und den Katalanen Monate dauern. Auch Neuwahlen sind möglich.
Francina Armengol wird eine Schlüsselrolle bei den Verhandlungen und bei der Regierungsbildung zugeschrieben. Sie nimmt jetzt das dritthöchste Staatsamt ein und gilt formal als Mallorcas bedeutendste Politikerin seit PSOE-Parlamentspräsident Félix Pons (1986-1996 unter Felipe González) und seit dem mehrmaligen konservativen Regierungschef und Minister Antoni Maura (1853-1925).