Totgesagte leben länger: Pedro Sánchez bleibt (vorerst) Premierminister
Unter rasenden Protesten von Rechten und Konservativen
ist die Regierung im Parlament bestätigt worden – dank einer umstrittenen
Amnestie für katalanische Separatisten.
“Manual de Resistencia” – Handbuch der Widerstandsfähigkeit, so der Titel der Autobiographie von Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez, der am 16. November im Parlament für eine neue Amtszeit bestätigt wurde. In der Tat kann man von Sánchez Resilienz lernen. Der 51-jährige Politiker von den Sozialisten (PSOE) stand schon mehrmals in seiner Karriere vor dem Aus, konnte sich aber immer wieder berappeln. 2016 hatten die eigenen Parteifreunde Sánchez vorübergehend von der Parteispitze abgesetzt, weil er sich einer passiven Tolerierung zur Wiederwahl des konservativen PP-Regierungschefs Mariano Rajoy (2011-2018) beharrlich verweigerte. Rajoy schaffte es zwar ins Amt – aber nur, um zwei Jahre später über ein konstruktives Misstrauensvotum zu stürzen. Sánchez hatte sich zuvor in einer parteiinternen Urwahl zurück an die Spitze gekämpft, als Beobachter keinen Cent mehr auf ihn setzten. So auch dieses Mal: Sánchez verlor ziemlich krachend die spanienweiten Regional- und Kommunalwahlen im Mai 2023. Wie auf den Balearen und in der Inselhauptstadt Palma de Mallorca wurde seine Partei mit Unterstützung der Rechtspopulisten von Vox vielerorts von der konservativen Volkspartei PP abgelöst. Der Premier galt als abgeschrieben, entschied sich aber handstreichartig, die spanienweiten Parlamentswahlen von Dezember auf Juli vorzuziehen. Die Wählerinnen und Wähler schreckten vor einer Regierung mit PP und Vox auf nationaler Ebene am Ende zurück. Zwar hatte die PP am 23. Juli knapp die Nase vor der PSOE, eine Regierungsbildung gelang dem politisch isolierten Oppositionschef Feijóo im Oktober jedoch nicht.
Der mit allen Wassern gewaschene Sánchez paktierte dagegen mit den katalanischen Separatisten von „Junts“ um Carles Puigdemont, die nun in den Genuss einer Generalamnestie für das illegale Unabhängigkeitsreferendum vom 1. Oktober 2017 kommen. Sánchez bildete eine Minderheitskoalition mit den Linkspopulisten von Sumar, der Nachfolge-Organisation von Podemos. Dazu holte er indirekt noch sämtliche Regionalparteien vom Baskenland bis auf die Kanaren ins Boot. 179 zu 171 hieß es am 16. November im ersten Wahlgang unter den Augen von Mallorca-Politikerin und Parlamentspräsidentin Francina Armengol (PSOE).
Sánchez will Maßnahmen wie die Aussetzung der Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel oder eine erfolgreiche Energiepreisbremse weiterführen. Die Wirtschaft wächst mit zwei bis drei Prozent und hat dank Tourismus und Baukonjunktur wieder den Stand des Jahres 2019 erreicht. Die Autonomen Gemeinschaften bekommen einen Teil ihrer Schulden beim Zentralstaat erlassen. Auf den Balearen wird eine Milliarde Euro gestrichen.
Die Rechte beschuldigt Sánchez seit Wochen bei Massenprotesten als „Verräter“. 50 pensionierte Militärs riefen in einem Manifest gar zu zu seinem gewaltsamen Sturz und Neuwahlen auf. In der Tat ist der Premier so stark von Katalanen und Basken abhängig wie keiner seiner Vorgänger. Sogar Gespräche über ein erneutes Referendum scheinen möglich, obwohl die Loslösung von Spanien in Katalonien aktuell keine Mehrheit hätte. Das umstrittene Amnestie-Gesetz dürfte trotz aller Hürden aber im Januar oder Februar 2024 in Kraft treten. Womöglich kann der vor der spanischen Justiz geflüchtete EU-Abgeordnete Puigdemont noch vor Weihnachten in seine Heimat zurückkehren. Was die neue Regierung betrifft, darf man jedenfalls gespannt sein, ob sie die ganze Legislaturperiode übersteht. Sein selbst geschriebenes „Handbuch der Widerstandsfähigkeit“ könnte Sánchez noch gute Dienste leisten.