Es gibt Themen, bei denen kann man sich als Redakteur nur in die Nesseln setzen. Über Profilbilder mit Ukraine-Flagge bei Facebook herziehen? Ein ‚No go‘. Die Corona-Empfehlungen der Ständigen Impfkommission anzweifeln? Geht gar nicht. Einen hintergründigen Beitrag über den Menstruationsurlaub verfassen?… Zumindest reizvoll. Mal sehen, ob man(n) damit durchkommt.
Der spanische Gesetzentwurf ist für das Land jedenfalls ein erstaunlicher Schritt: Frauen, die unter besonders starken Menstruationsschmerzen leiden, sollen in Spanien künftig nicht arbeiten müssen und erhalten zusätzliche Krankentage. Eine Sonderregelung innerhalb Europas. Da stellt sich die Frage, ob spanische Frauen besonders empfindlich sind, schmerzperiodisch die Nase vorn haben, oder das Land in Sachen Gesundheitsfürsorge einfach mal wieder zukunftsorientiert handelt?
Beginnen wir traditionell. Längst ist kein Geheimnis mehr, dass der Südländer sensibler auf Schmerzen reagiert als, beispielsweise, der gestandene Wikinger. Belege dafür gibt es viele. Wenn ein leichter Wind durch’s Stadion pfeift, bringt das einen Neymar nachhaltig aus dem Tritt. Ein Burbone ergreift schnell mal die Chance auf Exil, wenn der Fiskus bei ihm anklopft. Und Picasso rettete sich in die berühmte ‚Blaue Periode‘, um den Verlust seines Freundes Casagenas zu verarbeiten.
Womit wir ganz zwanglos wieder bei der Frau gelandet sind. Aber offenbar nur begrifflich. Denn im Reigen der besonders wehleidigen, südländischen Menschen tauchen kaum bis gar keine Frauen auf. Sie mussten sich allmonatlich bislang tapfer durchkämpfen.
Der Mann ist das eigentliche Objekt des Schmerzes. Er hat in der Regel nur keine Probleme. Weil er keine hat. Die Regel, meine ich.
Aber mal im Ernst: Wie schmerzhaft „Tante Rosa“ sein kann, weiss nur die Frau, die sie hat und unter ihr leidet. Aus diesem Grund ist die Idee des Menstruationsurlaubs keine allzu schlechte Sache. Irgendwie bedauerlich, dass Spanien erst jetzt darauf kommt. Beim Wahlrecht für Frauen war man flotter. Obwohl das keine Schmerzen verursacht, sieht man von den Ergebnissen, je nach Stimmungslage, einmal ab.
Und Deutschland? Dem Bundesfamilienministerium liegen, nach eigenen Angaben, keine konkreten Forderungen nach einer derartigen Regelung vor. Allerdings sei die rechtliche Ausgangslage eine andere als in Spanien, heißt es. In Deutschland können sich Frauen bei Regelschmerzen krankmelden und haben grundsätzlich Anspruch auf Gehaltsfortzahlung. Und zwar ab dem ersten Tag. Das gilt, „soweit die Menstruationsbeschwerden über das übliche Maß hinausgehen, mithin einen Krankheitswert haben und aufgrund der Krankheit die Arbeitsleistung nicht mehr oder nur unter der Gefahr der Verschlimmerung der Erkrankung ausgeführt werden kann“, heißt es.
Das lässt viel Freiraum. Denn ein „übliches Maß“ und der „Krankheitswert“ sind wage Begriffe, über die am Ende nur eine Person entscheiden kann: Die Frau, die unter den Schmerzen leidet. Hoffen wir also auf viele verständnisvolle Arbeitgeber, die bei entsprechenden Krankmeldungen nicht gleich Rot sehen.