Ballermann 2023 Die Jahrescharts aus dem Haifischbecken der Playa
Nicht jedermanns Sache, aber in aller Munde: Der "Ballermann". Stars und Sternchen kämpfen und dem "Partyhit des Jahres". Am Ende zählen nicht die Hoffnung, sondern nackte... Verkaufszahlen.
Wenn es ein Rezept für einen echten Hit geben würde, ich wäre dankbar. Dieser Satz stammt von Sänger Olaf Malolepski, der als verbliebener „Flipper“ auch nach dem Aus der Band weiterhin die Bühnen rockt. Mit dem einstigen Abschiedssong „Dankeschön“ des Trios feiert Olaf unglaubliche Erfolge, stand sogar vor den harten Rockern in Wacken auf der Bühne.
Immer wieder spannend
Viele Musikexperten und Produzenten haben versucht, dieses musikalische Wunder zu erklären. Vergebens. Musik ist ein fortlaufender Prozess. Erfolge sind von sehr vielen Einflüssen abhängig, die niemand voraussagen und steuern kann. Das macht den „Hit“ als solchen nicht planbar, die Musikszene aber immer wieder unglaublich spannend. Der musikalische „Ballermann“ ist das beste Beispiel für Erfolg und Misserfolg. Jürgen Drews sprach sehr früh von einem „Haifischbecken“. Zu einer Zeit, in der die ersten Newcomer die Feiertempel eroberten und gestandene Künstlerinnen und Künstler der traditionsreichen „Hitparade“ vor dem Partyvolk scheiterten.
Auf den Spuren von „Layla“
Vor diesem Hintergrund schaut die Musiklandschaft am Ende eines Jahres nur allzu interessiert auf den Sommer an Mallorcas Unterhaltungsstrand. 2023 ist das Jahr eins nach dem umstrittenen Ballermann-Überraschungserfolg „Layla“. Die mit Augenzwinkern und in einfachem Refrain besungene Puffmutter, die „schöner, jünger, geiler“ sein soll, bestimmte im vergangenen Jahr das Sommerloch und die deutschen Charts. „Layla“ schaffte es sogar in die Nachrichten und sorgte für eine aufgeheizte #metoo“-Debatte. Ungeachtet jeglicher Kritik – oder gerade deswegen – wurde „Layla“ der Hit des Jahres 2022.
Mehr Songs in den Charts
Der Erfolg lenkte die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf eine Musik, die vor allem in Fest- und Bierzelten oder eben an der Playa de Palma stattfindet. Der Erfolg zeigte aber gleichzeitig, welchen Einfluss das Geschehen in jener örtlich begrenzten Partyhochburg auf die gesamte, deutsche Musikwelt haben kann. Wer es hier schafft, dem stehen viele Möglichkeiten offen.
Das haben Label, Produzenten und Künstler längst erkannt. Aus diesem Grund blickt man gebannt auf die Charts. Diese geben ein Abbild der Beliebtheit einzelner Songs auf Basis der Verkaufszahlen. Ausgewertet werden diese in Deutschland von GfK-Entertainment. Neben den nationalen und internationalen Singleveröffentlichungen gibt es Charts für Alben – und eben auch die Party- und Ballermann-Hits.
„Im Großen und Ganzen hat der Ballermann-Boom im Musikjahr 2023 weiter angehalten“, resümiert Hans Schmucker von GfK-Entertainment. Insgesamt hätten sich sogar mehr Songs platzieren können, wenn auch kürzer als im vergangenen Jahr, sagte er.
Inflationäre Songauswahl
Dieser Trend zeichnete sich übrigens schon vor der eigentlichen Saison ab. Julian Sommer sprach bereits im April von „auffällig vielen Partyliedern“, die von diversen Musikern veröffentlicht würden. Offenbar warf „Layla“ lange Schatten. Der 25-Jährige, der, unter anderem, mit „Dicht im Flieger“ 2023 einen solchen Erfolg landen konnte, nannte die Entwicklung mit extrem vielen Song sogar „inflationär“. Wie es scheint, wurde auf Teufel komm‘ raus produziert, um in der Masse irgendwo einen echten Hit zu landen. Ein Beleg dafür, dass Hits eben nicht geschrieben werden, sondern zufällig entstehen.
Julian Sommer war ohne Zweifel der musikalische Shooting-Star dieses Jahres. Zusammen mit Mia Julia schaffte er mit „Peter Pan“ den ersten Hit der Saison. Eine Party-Ode an den ewig jungen Kinderhelden, der vom Spielplatz schneller als gedacht in die Partytempel schlitterte: „Fuck, ich bin schon wieder blau wie der Ozean. Und ich glaub, dass ich fliegen kann wie Peter Pan.“ Dem Duo gelang auf Anhieb der Einstieg von 0 auf die 24 der Charts und konnte sich in der Jahresauswertung auf Rang 53 platzieren.
Verjüngungskur
Duette liegen Sommer. Wobei er stets auf bekannte Partner setzt. Im Duett mit Lorenz Büffel besang der gebürtige Rheinland-Pfälzer „Arielle, Du geile Sau“. Natürlich war auch Peter Wackel charttechnisch mit am Start: „Inselfieber“ ging in die Ohren und den Hals der grölenden Masse. Newcomerin Frenzy legte mit „Lanzelot“ nach.
Ballermann-Ikone Ikke Hüftgold beglückte seine Fans 2023 mit diversen Songs, der erfolgreichste steht derzeit auf Platz 47 der Jahrescharts: „Bumsbar“. Dabei handelt es sich nicht um den Namen einer anrüchigen Kneipe, sondern das Wort ist grammatikalisch der Gruppe der Adjektive zuzuordnen: „Heute sind wir wieder bumsbar. Geile Mädels, geile Jungs da“.
Wie sich zeigte, hielt auch die Generation TikTok Einzug an der Playa de Palma. Aufgepimpte Elektrosongs wie „Friesenjung“ – im Original von Otto Waalkes – erhöhten in diesem Jahr die Beatzahl enorm. Im Megapark legten mehr und mehr junge DJs auf, die zeitweise mit Größen wie Mickie Krause („Nie mehr Alkohol – freie Getränke“) zusammen auf der Bühne standen. Die etablierten Künstlerinnen und Künstler gehen neue musikalische Partnerschaften ein, um am Ende nicht abgehängt zu werden.
Bestes Beispiel für die Verjüngungskur: Der offizielle Sommerhit des Jahres „Mädchen auf dem Pferd“ von Luca-Dante Spadafora, Niklas Dee und Octavian wird auch am Ballermann rauf und runter gespielt. Der Dance-Titel aus dem Kinderfilm „Bibi & Tina“ ist laut GfK der aktuell erfolgreichste Partyhit des Jahres (Platz 19).
Tierisch gut drauf
Auch andere Tiere schafften es in die Partyherzen: In ihrem Gaga-Song „Delfin“ singen Isi Glück und Honk diesen philosophischen Refrain: „Ich hab‘ einen Delfin in meiner Bauchtasche. Und mein Pferd, wenn ich nicht aufpasse. Frisst dem Delfin aus meiner Bauchtasche seine Suppe weg. Er ist ein Schluckspecht.“