Ewigkeit ist etwas Subjektives. Als Kind kamen mir Gottesdienste ewig vor. Die Kindheit sowieso. Meine Eltern waren immer gleich alt. Mit der Zeit ändert sich das und am Ende der Entwicklung wandte ich die Erwartung der Ewigkeit nur noch auf Dinge an, die vorhersehbarerweise zumindest während meines eigenen Lebens immer da sein würden. Nicht viel verlangt, wenn man bedenkt, wie kurz ein Menschenleben im Verhältnis zu historischen Zeitspannen ist. Meinte ich.
Nun scheint aber, dass selbst diese Billigvariante der Ewigkeit immer kürzer wird. Drei Beispiele.
Am 13. November 1990 lud ich ein amerikanisches Ehepaar in New York zum Abendessen ein, um mich für dessen Gastfreundschaft zu bedanken. Die beiden hatten mich in ihrer Wohnung aufgenommen, mich behandelt wie einen alten Freund, obwohl ich nur der Freund einer Freundin war. Ich hatte mir vorgenommen, dass es ein besonderer Ort sein sollte. Also nahmen wir die U-Bahn und danach einen Expresslift, der uns zum Restaurant „Windows on the World“ brachte. Dasselbe erstreckte sich über die Etagen 106 und 107 im Nordturm des World Trade Center. Wir wurden von einem älteren Kellner bedient, der aus Sachsen stammte. Elf Jahre später, als die Türme zusammenbrachen, musste ich an ihn denken. Und wann immer in einem vor Nine Eleven gedrehten Film die beiden Wolkenkratzer im Hintergrund zu sehen sind, spüre ich einen Stich.
Zweites Beispiel. Während meiner Jahre in Nahost wurde ich einmal für eine Busladung österreichischer UNO-Soldaten verantwortlich gemacht, die eine Rundtour durch Syrien unternahmen. Ich erinnere mich noch, dass die Jungs (damals wirklich nur Jungs) unterwegs unbedingt Tiroler Volksmusik hören wollten. So brummte der Bus dahin, draußen die Wüste, drinnen Hollaräduljö. Die erste Station dieser Standard-Rundreisen, von denen ich mehrere unternommen habe, war immer Palmyra. Diese gewaltige großteils römische Ruinenstadt mitten im arabischen Nirgendwo faszinierte mich bei jedem Besuch. Ein Traumgebilde, unwirlich schön. Nachdem diese Überreste einer zivilisatorischen Oase zwei Jahrtausende überstanden hatten, war die Annahme zulässig, Palmyra würde wenigstens in meinem Leben ewig da sein.
Naja. Auch damit wurde es nichts, weil ein paar hirnbefreite Islamisten „westliche Werte“ in die Luft sprengen mussten, um Allah eine Freude zu bereiten. Hollaräduljö.
Dritte Beispiel. Das Hotel Formentor auf Mallorca war kein architektonisches Juwel, aber ein historisches, Zeuge einer außergewöhnlichen Geschichte und mit diesem Duft nach Retro-Glamour. Einige Jahre hatte ich das Glück, beim „Foro Formentor“ Podiumsgesprächen mit brillanten Köpfen beizuwohnen, darunter Hans Magnus Enzensberger. Die Familie setzte ich am nahen Strand ab, und wenn das intellektuelle Vergnügen vorbei war, bot der Tag als Kirsche auf der Torte einen Schwumm in einem so schönen Gewässer, dass der Strandmuffel in mir weich wurde. Als ich vor kurzem las, dass das Gebäude abgerissen wurde, hatte ich wieder das Gefühl, etwas Ewiges verloren zu haben.
Bleibt die Erkenntnis, dass heutzutage auch die Ewigkeit nicht mehr ist, was sie früher mal war.
Thomas Fitzner ist Journalist
und Buchautor (u.a. „Das Geheimnis
von Chateau Limeray“)
Infos unter www.thomasfitzner.com