Geständnis: Im Grunde bin ich ein langweiliger Sack. Meine Abenteuer-Biografie täuscht. Ich habe mich nur gelegentlich in Zwangssituationen begeben, um die Grabinschrift zu vermeiden: „Er wurde geboren, er ist gestorben, dazwischen mied er jede Aufregung“.
Diese Philosophie hat mich vor interessanten Erlebnissen bewahrt, aber auch vor unsinniger Zeitverschwendung. Daran musste ich denken, als zwei gut mit mir bekannte Spanierinnen heimkehrten, während ich vor dem Fernseher saß. Die beiden hatten das Mallorca Life Festival besucht. Oder besuchen wollen. Um 18 Uhr waren sie losgefahren, um Mitternacht kamen sie zurück. Frustriert, wütend, verzweifelt und dehydriert.
Die Chronologie des Grauens: In Palma parken die beiden weit weg vom Veranstaltungsort, dem ehemaligen Aquapark in Calvià. Als sie nach einem langen Marsch dort ankommen, sehen sie eine gewaltige Menschenschlange. Ha, denken die beiden. Wir haben ja schon unsere Eintrittskarten.
Doch stellt sich heraus, dass hier keine Tickets, sondern Armbänder abzuholen sind, mit denen auf dem Festivalgelände Getränke und Speisen bezahlt werden. Am Einlass wird streng kontrolliert, dass niemand etwas mitbringt. Nicht einmal Trinkwasser. Business is business.
Während das Spektakel losbrüllt, stehen die beiden also Schlange, und stehen, und stehen. Der Unmut der Menge wächst. Es wird 20 Uhr, 21 Uhr, 22 Uhr. Nach drei Stunden (!!!) erhalten meine Heldinnen endlich ihre verdammten Armbänder. Sie können sich kaum noch auf den Beinen halten, man durfte ja keine Getränke mitbringen. Ausgemergelt schleppen sie sich auf das Festivalgelände und entdecken 1) dass die Armbänder nun erst „elektronisch aufgeladen“ werden müssen, und 2) eine endlose Menschenschlange vor dem Auflade-Schalter. Hier herrscht bereits Aufruhr, weil es technische Probleme mit dem Aufladen gibt. Na, so eine Überraschung…
Meine Heldinnen kapitulieren. Mittlerweise ist es 23 Uhr, das Hauptkonzert ist schon gelaufen, sie wollen nur noch weg. Sechs Stunden Lebenszeit und 65 Euro Ticketkosten (pro Nase) ins Klo gespült.
Ich hatte in der Zeit meine Laufrunde absolviert, die Hühner versorgt, die Tomatenstauden gegossen, mit meinem Sohn zu Abend gegessen und einen guten Film gesehen. Moderne Festivals mit Digitalkacke könnt Ihr Euch ganz tief hinten reinstecken. Tschuldigung, das musste jetzt sein.
Thomas Fitzner ist Journalist
und Buchautor (u.a. „Das Geheimnis
von Chateau Limeray“)
Infos unter www.thomasfitzner.com