Zu den Kuriositäten des menschlichen Miteinanders gehört die unfreiwillige Synchronisierung. Zum Beispiel die Zuschauer beim Tennis, die in perfektem Einklang dieselbe Kopfbewegung vollführen. Eine andere Variante beobachtete ich vor vielen Jahren bei einer Generalprobe zu den Bregenzer Festspielen. Damals formierte sich auf einem fahrbaren Podest sehr würdig und ernst ein Chor in Mönchsverkleidung. Ihre Hände hatten die Sänger in die weiten Ärmel gesteckt und aus den dunklen Kutten leuchteten nur die Gesichter. Langsam rollte das Podest auf der Bühne nach vorne. Irgendwann bremste das Ding unvermutet und mit der genauest vorstellbaren Gleichzeitigkeit tauchten die Hände wie weiße Punkte in diesem Kuttenmeer auf, weil sie unisono dieselbe Kreisbewegung vollzogen, offensichtlich ein Balanceakt der Mönche, um nicht kopfüber auf die Bühne zu pardauzen. Das wiederholte sich (die Technik …!) und der würdige Ernst wich einer unmönchischen Gereiztheit.
Auf Mallorca ist eine andere spontane Synchronisierung zu beobachten. Sobald der Bau eines Solarparks angekündigt wird, setzen sich mit roboterhafter Präzision im Abstand von Sekundenbruchteilen zwei Personengruppen in Gang, um das zu verhindern: die Manager großer Stromkonzerne und Umweltschützer.
Spanische Elektrizitäter schrecken immer dann auf, wenn etwas geplant ist, was ihr Monopolrecht zum finanziellen Abschlachten, Häuten und Sieden der Stromkonsumenten in Frage stellt. Die spanischen Familieneinkommen gehören zu den niedrigsten Europas und die Stromtarife zu den höchsten. Die Kosten der Stromerzeugung spielen für die Tarifermittlung keine Rolle. Das Strompreissystem wirkt, als habe Vito Corleone dafür Pate gestanden. Wenn etwas in Gang kommt, was nach lokal, autonom und nachhaltig riecht, unterbrechen die Netzwerker umgehend das Geldzählen und sinnen nach Verhinderung.
Das kann ich verstehen. Niemand will weniger, egal wie viel er hat. Fragen Sie den Milliardär in Ihrer Nachbarschaft.
Ganz anders die Motive der Umweltschützer. Sie wollen die Landschaft bewahren. Und so kommt dieser magisch anmutende Moment zustande, da die mehrheitlich linken Umweltschützer und eher konservativ eingestellte Obervoltaiker dieselben Interessen vertreten. Es grenzt daher an ein Wunder, wenn ein Solarpark-Projekt auf Mallorca den politischen und behördlichen Hindernisparcours schafft. Dieses Wunder muss dann auch mit Sichtbarrieren verborgen werden. Fehlt nur die Forderung nach Überdachung, damit das Inselidyll auch aus der Vogelperspektive erhalten bleibt.
Von Windkraftanlagen darf nicht einmal geträumt werden. Damit tun sich auch ausländische Inselromantiker schwer. Aber grün muss er halt sein, der Strom. Sonst bleiben wir von Typen wie Putin abhängig. Und das Klima lässt sich schwerer reparieren als die Landschaft. Solar- oder Windparks baut man einfach ab, sobald das mal klappt mit der Kernfusion. Wenn man sie dann überhaupt abbauen darf. Denn vielleicht sind die Dinger bereits „Weltkulturerbe“, weil wir uns an sie gewöhnt haben.
Thomas Fitzner ist Journalist und Buchautor
(u.a. „Das Geheimnis von Chateau Limeray“)
Infos unter www.thomasfitzner.com