IZ Kolumne Thomas Fitzner November 2023
Was Wifi mit einer Nacktszene in einem 90 Jahre alten Film zu tun hat
Vor langer Zeit gehörte es zu meinen Hobbies, DVDs zu kaufen und danach NICHT anzusehen. Die Sammlung arbeite ich nun auf. Dabei stieß ich auf „Ekstase“, einen österreichisch-tschechoslowakischen Spielfilm aus dem Jahr 1933. Der sinnlich bis erotisch angelegte Streifen hatte seinerzeit für einen Skandal gesorgt, gilt heute jedoch als historisches Meisterwerk.
Was hat das mit Wifi zu tun? Geduld!
„Ekstase“ handelt von einer bildhübschen jungen Frau, die sich auf ihre Hochzeitsnacht freut und herb enttäuscht wird. Der Ehemann entpuppt sich als langweiliger Pantoffler, dem keiner je erklärt hat, wie das funktioniert zwischen Männlein und Weiblein. Bei einem Reitausflug begegnet die unglücklich Verheiratete einem feschen Ingenieur, der das entlaufene Pferd einfängt. Weggelaufen ist das Pferd, als die Reiterin sich in einem Teich erfrischte. Und dies splitterfasernackt. Mit demselben Atrezzo, nämlich gar keinem, sieht man sie dann dem Pferd nachlaufen.
Diese Nacktszenen gelten als die ersten in einem nichtpornografischen Spielfilm. Aber es kommt noch schärfer: Zwischen der Frau und dem Ingenieur funkt es und der Regisseur zeigt das Gesicht der Frau beim außerehelichen Orgasmus. Starker Tobak für 1933. Sogar Papst Pius XI sah sich davon (moralisch) erregt und stufte „Ekstase“ als jugendverderbend ein. Die Folge war ein Zensurfestival.
Ich lese die Namen der Schauspieler. Die Schöne wird von einer Wienerin namens Hedy Kiesler verkörpert.
Wi-fi, Wi-fi!! Ja, doch …
Hedy Kiesler wurde nach „Ekstase“ mit einem Magnaten der Rüstungsindustrie zwangsverehelicht und saß am Tisch, wenn der Gatte mit Nazi-Größen technische Feinheiten der Branche besprach. Die schöne Beisitzerin wurde als Dekor eingestuft. Ein Fehler. Denn das Hübschchen interessierte sich intensiv für Telekommunikation und studierte Ingenieurwissenschaften. Nach ihrer Flucht aus Ehe und Europa bot sie in den USA das erlauschte Insiderwissen dem Geheimdienst an. Und änderte auf Drängen eines Filmproduzenten ihren Namen.
Und zwar wegen der Nacktszenen in „Ekstase“. Aha! Das Ekstase- Nackedei war dieselbe Frau, die später als Hedy Lamarr weltberühmt wurde! Nicht nur wegen Schönheit und Schauspiel. Gemeinsam mit einem Musiker entwickelte sie im Zweiten Weltkrieg ein Patent für „Geheime Telekommunikation“, bestehend aus der Übermittlung von Radiosignalen mit Frequenzsprüngen zum Schutz vor Störsendern. Vom Prinzip her ein Vorläufer der heute als Wifi und Bluetooth bekannten Kommunikationstechnik zwischen digitalen Geräten.
Nun das eigentlich Kuriose: Im Film ist der Mann ein Ingenieur, wie es das Rollenverständnis der Epoche verlangte, und die Frau ist die Schmachtende, die vor allem an eines denkt: genau das. In der Realität war der Mann ein Schauspieler und die Frau war Ingenieurin. Wenn wir tiefer graben, wird es noch interessanter: Der Gutaussehende, Aribert Mog, war im realen Leben bekennender Nazi und Aktivist des „Kampfbundes für deutsche Kultur“. Und Hedy stammte aus einer jüdischen Familie.
Aribert Mog fiel im Krieg. Hedy Lamarr machte in Hollywood Karriere. Ihr Geburtstag, der 9. November, wird in Deutschland, Österreich und der Schweiz als „Tag der Erfinder“ gefeiert. Wie sagen die Mallorquiner: Happy Birthday!
Thomas Fitzner ist Journalist
und Buchautor (u.a. „Das Geheimnis
von Chateau Limeray“)
Infos unter www.thomasfitzner.com