Am Anfang der besten Geschichten, steht immer eine Schnapsidee. Nein, verrückt war der erfahrene und bekannte Fotograf Will Kaufmann sicher nicht, als er 1984 auf der Suche nach einer Immobilie nach Mallorca kam. Eher auf der Suche nach etwas Neuem, etwas Außergewöhnlichem. Das fand er in dem alten Landgut in Lloret de Vistalegre.
Dass aus dem einstigen Fotostudio eine Kulturfinca wurde, war eine Art Selbstläufer: Prominente Künstlerin und Künstler kamen zu Fotosessions auf die Insel und verbanden die fotografischen Pflichten mit einer Auftrittskür. Der Rest ist Geschichte, an der wohl jeder Mallorca- und Kulturfan seinen Anteil hat. Und für die der gebürtige Schwabe Will Kaufmann überaus dankbar ist.
War es Intuition, dass Du in den 80er die Finca entdeckt hast?
Ich kann es Dir bis heute nicht genau sagen. Die Suche nach einem Haus auf Mallorca war intensiv. Innerhalb einer Woche habe ich, glaube ich, etwa 80 Immobilien angeschaut. Son Bauló war das letzte Objekt – und es hat gefunkt. Sprechen wir lieber von Zufall, oder Schicksal.
Welche Voraussetzungen standen für Dich als Profi-Fotograf
im Mittelpunkt?
Ich brauchte eine zentrale Lage und möglichst viel Fläche im Haus. Zudem sollte es nicht unbedingt eine Touristenzone sein, gerne Landleben, gute Infrastruktur und beste Flugverbindungen. Ich weiß, der Wunschzettel war lang…
War die Entscheidung, auf Mallorca anzukommen,
rückblickend die richtige?
Es war eine sehr gute Entscheidung, und damals, nach 35 Jahren in Frankfurt, längst überfällig.
Das Jahr 2022 war eine Zäsur für Dich. Beruflicher Stress?
Nein, Stress ist mir unbekannt. Viel Arbeit bedeutet für mich keinen Stress. Schon im schwäbischen Eltern-Geschäftshaushalt mit sieben Kindern war völlig normal: Wenn’s gilt, dann gilt’s. Jeder musste und durfte ran, und das mit Eifer. Man sagt noch heute, die besagte Altersmilde des Philanthropen Will sei besonders auffällig…
Was waren für Dich die Highlights der kulturellen Son-Bauló-Geschichte?
Mir lag schon immer fern, mit dem üblichen „name-dropping“ Glanz zu spiegeln. Hier nur – und wirklich „nur“! – ein paar Menschen, mit welchen sich gewisse Freundschaften verbanden und teilweise noch verbinden: Paul Kuhn, Jonny Cash, Dalai Lama, Manfred Kullmann, Christian Brückner und weitere erstklassige, liebenswerte Musiker und Künstler der Insel.
Du hast mal gesagt, es sei wichtig, sich zu fragen, was wirklich wichtig ist im Leben. Hast Du eine Antwort?
Seit dem Tod meiner kleinen Julie Maria mit zweieinhalb, am 26. September 2010, ticken bei ihrer Mutter Petra Maria und mir die Uhren anders. Die Gegenwart rüttelt durch neue Anforderungen wach, verlangt großzügigen Umgang mit täglichen Störungen. Nicht klagen, es gilt praktikable, zufriedenstellende Lösungen zu suchen und zu finden. Jeder Tag ist gut.
Wenn Du drei Wünsche frei hättest, welche wären das?
Erstens, Menschen um mich zu haben, die bedingungslos, ehrlich lieben. Zweitens, der Tag sollte bitte 34 statt 24 Stunden haben, Zeit gewinnen für meine Nächsten. Drittens, das Interesse an dem fatalen Weltgeschehen muss wachsen, wir müssen Grenzen aufzeigen, die Gier eliminieren.
Du schreibst seit über einem Jahrzehnt an einem Buch über „mathematische Philosophie“. Steckt in Will auch ein Stück bodenständiger Realist?
Die Mathematik ist bodenständig und real, keine Geschmacksache. Meine Bemühungen, eine winzige Einführung für Jedermann zur Mathematischen Philosophie zu schreiben, scheitert immer wieder an Formulierungen, um ungewohntes Abstraktions-Vermögen zu kompensieren. Blättere ich in der jüngsten Geschichte, demoralisiert mich das letzte Universal-Genie und wirft die Frage auf, ob diesen Mann irgendwelche ungelöste Fragen beschäftigten: Leibniz, Urvater des Digitalzeitalters, Philosoph, Physiker, Mathematiker, Diplomat, Jurist, Historiker, politischer Berater. Seine Entwicklungen beschleunigen unsere jüngste Gegenwart in atemberaubendem, nie gekanntem Tempo. Wohin bleibt offen.