Das Mittelmeer ist für die meisten Menschen eigentlich nur eines: Ein in unterschiedlichen Blautönen schimmerndes Naherholungsgebiet, das insbesondere im Sommer zum Baden, Segeln oder anderen Freizeitaktivitäten einlädt. Etwa zehn Kilometer außerhalb von Palmas Stadtzentrum entfernt, im Technologie-Park Parc Bit, ist das Mittelmeer dagegen ein Patient. Über ein Dutzend Wissenschaftler wachen hier, in Mallorcas Meeresforschungsinstitut „Socib“ über den Gesundheitszustand des Mare Nostrums. Keine einfache Aufgabe, schließlich müssen dafür eine nicht enden wollende Flut von biochemischen, klimatologischen und physikalischen Daten permanent erfasst und ausgewertet werden. Auf einer zimmerhohen Monitorwand verfolgen Mitarbeiter die dort in kunterbunten Bildgrafiken und Animationen aufbereiteten Messergebnisse.
„Neben Temperatur und Wellengang werden von uns auch die Strömungsgeschwindigkeiten aufgezeichnet“, erklärt Joaquín Tintore, Leiter des vor rund zehn Jahren gegründeten Forschungsinstituts, finanziert vom spanischen Umweltministerium sowie Zuschüssen aus dem europäischen Kohäsionsfond.
Wozu alle diese Daten wie beispielsweise auch der sich im Laufe eines Jahres unzählige Male verändernde Salz-, Sauerstoff oder Chlorophyllgehaltes des Meeres überhaupt nützlich sind, findet man auf der vom Socib betriebenen Webseite: www.medclic.socib.es. Die auf Spanisch, Katalanisch und Englisch verfasste Internetseite soll sowohl einen für jedermann verständlichen Einblick in die Forschungsarbeiten des Instituts geben, als auch die Öffentlichkeit für die bedeutende Rolle des Mittelmeeres hinsichtlich der Wetterentwicklung, der Schifffahrt und Hochsee-Fischerei sowie dem Tourismus sensibilisieren. Unter dem Motto „Das Mittelmeer auf einen Klick“ werden hier neben aktuellen maritimen Informationen auch die verschiedenen Beobachtungsmittel der Meeresforscher in anschaulichen Texten und Video-Animationen erklärt.
Zum Beispiel der sogenannte Glider, eine torpedoförmige, batteriebetriebene Unterwasser-Drohne, die über einen Zeitraum von mehreren Tagen und in unterschiedlichen Tiefen Temperatur und Salzgehalt im Meer misst, um diese Daten während der zwischenzeitlichen Auftauchphasen via Satellitenverbindung an das Datenzentrum in Palma zu funken.
Insgesamt acht solcher Glider sind derzeit für das Meeres- und Küstenforschungsinstitut auf Mallorca im westlichen Mittelmeer im Einsatz. Ausgesetzt und eingesammelt werden die Drohnen von dem Forschungsschiff „Socib“, das ganzjährig zwischen den Balearen und dem spanischen Festland unterwegs ist, um Meerwasserproben zu entnehmen sowie mit Hilfe bordeigener Sonden und Messbojen unterschiedliche physikalische sowie biochemische Daten zu sammeln. Auf der Website medclic.com lassen sich die aktuellen Positionen von Drohnen, Bojen sowie dem Forschungsschiff verfolgen.
Vorhersage für Mini-Tsunamis
Eine der Hauptaufgaben von Socib ist die Vorhersage von maritimen Phänomen, die an der Küste im Ernstfall zu Schäden führen können. „Plötzlich auftretende Änderungen der Meeresströmungen können beispielsweise zu sogenannten Rissagas führen, also Mini-Tsunamis, wie sie im Herbst vor allem auf Menorca zu beobachten sind“, erklärt Professor Tintoré.
Gleiches gelte für den küstennahen Wellengang, der sowohl für Freizeit-Skipper als auch die Berufsschifffahrt im Mittelmeer von nicht unerheblicher Bedeutung ist.
Socib steht aus diesem Grund in ständigem Kontakt mit der regionalen und nationalen Seenotrettung. Auch Fährgesellschaften und Häfen können jederzeit auf alle Daten des Instituts in Echtzeit zurückgreifen. Mit ihnen lassen sich zudem die Bewegungen und Richtungen von gesichteten Quallenschwärmen oder im Meer treibenden Öl- und Müllteppichen voraussagen. „Einige unsere Messbojen registrieren auch den Planktongehalt in den verschiedenen Küstenzonen und Meeresabschnitten. In ihrem Schlepptau finden sich zahlreiche Fischschwärme, deren Position wiederum für die Hochseefischer interessant ist“.
Virtuelles Schulzimmer
Die Website medclic.com soll in Zukunft aber nicht nur als öffentliches Informationszentrum für die verschiedenen Forschungsbereiche von Socib fungieren, sondern auch als eine Art virtuelles Klassenzimmer für Kinder und Jugendliche auf den Balearen. Unter dem Menüpunkt
divulgación können beispielsweise Bio-Lehrer Schul- und Übungsmaterial zum Thema Lebensraum Mittelmeer herunterladen. Ein kostenloses App für Smartphones und Tablet wird ebenfalls zur Verfügung gestellt.
Socib ist seit seiner Gründung 2009 auch Teil des europäischen Konsortiums für Meeresforschung. „Unser Projekt zählt allerdings europaweit zu den größten“, sagt Institutsleiter Tintoré nicht ohne Stolz.
Auf der Spur von Verschmutzungen
Neben der reinen Sammlung von Meeresdaten hat sich Socib im Laufe der vergangenen Jahre auch auf die Entwicklung von neuen Messsystemen wie Sonden und Bojen zur Ermittlung von biochemischen Partikeln im Meerwasser spezialisiert. Sie sollen in Zukunft dazu beitragen, die möglichen Verschmutzungen durch Schiffe und Industrieabwässer aufzudecken. „Das Mittelmeer steckt trotz seiner vermeintlich überschaubaren Größe immer noch voller wissenschaftlicher Geheimnisse“, so Tintoré. „Sie zu lösen, ist wichtiger Teil unserer Aufgabe.“
Infos: www.medclic.socib.es
Andreas John