Nachdem wir uns im postfaktischen Zeitalter befinden, in dem wir nur noch wissen, was wir glauben wollen, muss ich vorsichtig sein. Sonst stehe ich da wie ein Alternative-Fakten-Dodl. Nun denn: Es könnte sein, dass Palma de Mallorca falsch benannt ist.
Inselkenner wissen, dass die Hauptstadt von den Arabern Madina Mayurqa genannt wurde und von den katalanischen Eroberern Ciutat de Mallorcas (der Plural ist kein Tippfehler), also Mallorca-Stadt. Der Name Palma geht auf die Römer zurück, die an dieser Bucht, zwischen zwei Ureinwohner-Siedlungen, ihre Hauptstadt errichtet haben. Und diese Palmaria Palmensis nannten.
Aber haben sie das wirklich? Zwar ist der Untergrund voll römischer Spuren, ein Häuserblock nahe der Bar Bosch (ich verwende hier das geografische Bezugssystem des deutschsprachigen Durchschnittsresidenten …) weist sogar die präzisen Maße eines Amphitheaters auf. Tatsächlich sind etliche Grundstücksgrenzen und der Verlauf vieler Gassen und Straßen in Palma, und eigentlich auf der ganzen Insel, römischen Ursprungs.
Warum also die Frage, ob Palma wirklich Palma war?
Deshalb: Historiker kennen aus antiken Schriften die Namen zweier römisch-mallorquinischer Geisterstädte, die nie gefunden wurden, nämlich Guium und Tucis. Einige Wissenschaftler meinen, dass zumindest Guium möglicherweise längst entdeckt ist und die Hälfte der Inselbevölkerung sogar dort wohnt. Demzufolge wäre Palma nicht das alte Palmaria Palmensis sondern in Wahrheit das alte Guium.
Wo war dann Palma? Die Stadt wird ja ebenfalls erwähnt. Nur eben in keiner Inschrift, die den Standort bestätigen würde. Halt, stimmt nicht! Der römische Historiker Plinius der Ältere gibt den Standort von „Palmae urbis“ recht genau an, nämlich mit „12 Meilen von Cabrera“. Also grob Ses Salines. Was insofern Sinn macht, als das dort vorhandene Salz im Altertum ein begehrter Rohstoff und der Feldherr Metellus hier an Land gegangen war.
Im 16. Jahrhundert, so die Theorie, hätten wohlmeinende Eierköpfe den Namen Palma auf das Stadtschild des heutigen Palma gepappt, weil sie meinten, dass erstens der olle Plinius sich mangels GPS mit der Lokalisierung vertan hatte und zweitens ein derart cooler Brand nur zur Hauptstadt der Insel passen könne. Wen kümmern Fakten? (Aha – die Sache hat Tradition!)
Einige Fakten verbergen sich im Untergrund. In Ses Salines entdeckte ein Archäologe bei Gesprächen in der Dorfbar, dass sich die Bewohner über die weiche Erde an manchen Stellen wunderten. Mehrere Carajillos und Probegrabungen später zeichneten sich mit den Weiche-Erde-Stücken ein durchlaufender dreieckiger Graben von drei Metern Tiefe, drei Metern Breite und hundert Metern Länge ab – das exakte Normmaß der Längsseite eines befestigten römischen Militärlagers. War das alte Palma etwa nur ein Castellum?
Es hilft nicht, dass mit einigen Spuren der Vergangenheit recht unterirdisch umgegangen wurde. Eine Parkgarage hat die mutmaßliche römische Hafenanlage von „Palma“ aufgegessen. Den Standort einer der oben erwähnten talayotischen Nachbarsiedlungen besuchen viele von uns nichtsahnend bei Ankunft auf der Insel, wenn auch nur flüchtig: Anfang der 70er Jahre wurde die zweite Landebahn von Son Sant Joan drüberasphaltiert.
Thomas Fitzner ist Journalist
und Buchautor (u.a. „Das Geheimnis
von Chateau Limeray“)
Infos unter www.thomasfitzner.com