IZ Kolumne Thomas Fitzner November 2024
DIE KUNST DES SCHARFSINNIGEN BLICKS IN DIE KAMERA Endlich verstehe ich, wie die Porträtfotos von Schriftstellern funktionieren. Ich hatte mehrere Versuche mit Fotos aller möglichen
Das ganze Leben ist Marketing. Unablässig werden wir mit Begriffen bombardiert, die uns etwas schmackhaft machen sollen. Umso kurioser, dass ausgerechnet im Kulinarischen, wo es auf schmackhaft besonders ankommt, manche Speisen benannt sind, als sollte man einen letalen Diätplan durchhalten und möglichst wenig oder am besten gar nichts essen. Auf Mallorca zum Beispiel schockiert die Speisekarte mit „Arròs brut“, zu Deutsch: schmutziger Reis. Igitt? Im Gegenteil: köstlich!
Aber die Insel ist ein Entwicklungsland, wenn es um abschreckende Speisenamen geht. Auf dem spanischen Festland kredenzt man Monstrositäten wie „Olla podrida“ (verfaulte Pfanne), „Matamaridos“ (Gattenkiller), „Engañamaridos“ (Gattenbetrüger, auch bekannt als „Huevos tontos“, dumme Eier) und „Sopa boba“ (blöde Suppe). Weitere Beispiele (Minderjährige überspringen diesen Part bitte): „Follados“ (im Spanischen gemeinhin als „Gefickte“ verstanden, eigentlich eine galizische Bezeichnung für ein Blätterteiggericht) und „Aceitunas violadas“ (vergewaltigte Oliven, also Oliven, denen man Gewürzgürkchen reinsteckt – also echt jetzt …).
Damit rangiert Spanien in derselben Liga wie Frankreich, ausgerechnet. Dort erfreut sich der Gaumen an „Confiture gratte-cul“ (Hinternkratzmarmelade), „Caca-bœuf“ (Kuhfladen), „Coup de pied au cul“ (Arschtritt, ein Käse aus der Normandie mit offenbar sehr, sehr starkem Aroma) und „Os de morts“ (Leichenknochen).
Etwas weniger brutal sind die Bewohner der Kanarischen Inseln, die mächtigen Appetit auf Gerichte wie „Ropa vieja“ (alte Wäsche) und „Papas arrugadas“ (verrunzelte Kartoffeln) entwickeln. Zum Ausgleich haben sie auch eine Süßspeise namens „Bienmesabe“ (Schmecktmirgut). Kombiniert wahrscheinlich perfekt mit alter Wäsche.
Als Mensch aus dem deutschen Sprachraum sollte man jedoch eigentlich abgebrüht sein. Vor einiger Zeit fragte mich eine Arbeitskollegin, ob ich Lust auf eine Portion „Kalter Hund“ hätte. Ich argloser Alpensepp dachte zunächst, dass sie damit einen abgekühlten Hot Dog meinte. In Wahrheit bot sie mir ein Schokoladegericht an. Später fand ich heraus, dass mit Hund ursprünglich Hunt gemeint war. So bezeichnet man in der Bergmannsprache einen „offenen, kastenförmigen Förderwagen“. Das ist sehr interessant, aber entscheidend appetitlicher macht es den Namen auch nicht.
Mein absoluter Deutschland-Favorit ist jedoch „Tote Oma“, eine Grützwurst, die offenbar etwas Massakermäßiges an sich hat, weil auch „Unfall“ genannt. Na dann, lasst es euch schmecken!
Über Spezialitäten wie „Nonnenfürzle“ und „Herrgottsbescheißere“ kann man zumindest schmunzeln. In meiner Heimat laden Deftigkeiten wie „Scheiterhaufen“, „Lumpensalat“ und „Prügelkrapfen“ zum Nachdenken über attraktives Küchenvokabular ein.
Während alle diese Namen in eine Vergangenheit mit geringem Marketingbewusstsein weisen, ist die USA schon weiter. Dort hat sich der Begriff „Spam“ durchgesetzt. Damit sind keine unerwünschten Werbe-E-Mails gemeint. Das ist die Abkürzung (die Amerikaner lieben Abkürzungen) für „Spiced ham“ (gewürzter Schinken).
Wenn der Appetit unter diesem Text gelitten hat, dies bitte als meinen Beitrag zur „Operación bikini“ verstehen. So nennen die Spanier ihre Strandfigurdiät.
Thomas Fitzner ist Journalist
und Buchautor (u.a. „Das Geheimnis
von Chateau Limeray“)
Infos unter www.thomasfitzner.com
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