Deutsches Handwerk im Kommen: Arbeiten auf Mallorca
Mallorca-Messe am 14./15. Oktober bei Santa Ponsa
Wie Handwerker aus NRW auf Mallorca Fuß fassen konnten und welche Rolle die Messe „Living & Building“ am 14./15. Oktober (10-18 Uhr) auf dem Weihnachtsmarktgelände (Recinto Molino de Calvià) an der Autobahn bei Santa Ponsa dabei spielt. Interview mit Gabriele Röder-Wolff (HWK Dortmund) und Markus Kemper (AHK Spanien).
Handwerksbetriebe aus NRW bieten ihre Leistungen in einem Netzwerk an. Ist die Arbeit auf der Insel inzwischen Alltag für deutsche Firmen?
Gabriele Röder-Wolff: Vor zehn Jahren liefen die ersten Marktsondierungen auf Mallorca von Seiten der Handwerkskammern aus NRW. Die Betriebe, die sich dann zusammengefunden haben, sind seit etwa fünf Jahren aktiv. Das Netzwerk ist offen für neue Interessenten, zum Beispiel aus weiteren Gewerken. Es entwickelt und wandelt sich stetig. Wir haben einen Stamm von acht Betrieben, und dieses Jahr sind wieder zwei neue hinzugekommen.
Wie ist die Präsenz vor Ort organisiert?
Markus Kemper: Seit zwei Jahren gibt es einen Showroom in Llucmajor (Bäder, Raumdesign, Treppen im Polígono Son Noguera, Anm. d. Red.), und es wird mindestens noch einen zweiten Showroom geben, wobei wir den Südwesten anpeilen, konkret Santa Ponsa. Ein Teil der Unternehmen hat sich rund um den einen Showroom zusammengeschlossen, der andere Teil rund um den anderen – wobei man sich gegenseitig unterstützt. In dem Modell sind auch Personen ständig vor Ort. So kann man flexibler reagieren. Das ist ein wichtiger Erfolgsfaktor, um wahrgenommen zu werden.
Warum gerade die Balearen?
Röder-Wolff: Die Idee kam von Betrieben über die Handwerkskammern Aachen und Dortmund, da etliche Kunden auf Mallorca einen Zweitwohnsitz haben und hier konkret angefragt wurden. Die Balearen waren die Pilotregion, aktuell arbeiten wir auch an der Côte d´Azur. Gute Handwerker sind an solchen Immobilienstandorten immer gefragt.
Welchen Mehrwert gibt es?
Röder-Wolff: Man muss Lust dazu haben. Das gilt auch für die Mitarbeiter. Einer von unseren Mitgliedern sagt, dass er die Leute anfangs noch zu den Mallorca-Einsätzen motivieren musste. Inzwischen stehen sie aber Schlange, und das funktioniert sogar als Incentive, um in Deutschland neue Mitarbeiter zu gewinnen. Außerdem ist ein zweites Standbein im Süden gerade für die Winterzeit in der Baubranche auch witterungsbedingt interessant. Mallorca kann ein Einstieg für Auslandsmärkte sein, da die Projekte zunächst auf Deutsch abgearbeitet werden. Außerdem haben sich hier Betriebe zusammengefunden, die durch die gemeinsamen Erfahrungen auf Mallorca jetzt auch zuhause in NRW kooperieren. Das ist eine Win-Win-Situation, in der man sich an beiden Orten hilft.
Kemper: Für den Auftraggeber liegt der Mehrwert in Qualität und Zuverlässigkeit. Es geht ja darum, dass unsere Handwerker für Dinge angefragt werden, die sonst nicht ohne Weiteres zu erledigen sind, weil es sie auf Mallorca in dieser Form nicht gibt. Es drängt sich also niemand vor, sondern es geht um einen zusätzlichen Service. Die Kunden sind so zufrieden, dass Kontakte auf Mallorca manchmal übrigens auch zu Aufträgen in NRW führen.
Werden auch Mitarbeiter vor Ort eingestellt oder ausgebildet? Kommen auf dieser Schiene Spanier zum Arbeiten nach Deutschland?
Röder-Wolff: Interesse gibt es insbesondere für die mallorquinischen Projekte, aber wir brauchen natürlich eine gute fachliche Grundlage, zum Beispiel über eine Weiterbildung in Deutschland oder auf der Insel. Das wäre kein Problem, und natürlich könnten neue Mitarbeiter dann auch mal in Deutschland aushelfen. Qualifizierte Initiativbewerbungen sind bei den Mitgliedern übrigens immer gerne gesehen.
Wie interessant sind Jobs und Aufenthalte in Spanien für deutsche Arbeitnehmer? Welche Beschäftigungs- und Entsendemodelle gibt es?
Röder-Wolff: Maximal sind 183 Tage im Jahr möglich, aber bei Handwerksbetrieben handelt es sich in der Regel um Aufträge von einer Woche bis sechs Wochen. Unter acht Tagen geht es ohne Meldung in Spanien, ab acht Tagen ist ein Formular erforderlich. Die Umsatzsteuer fällt im Handwerk immer dort an, wo gearbeitet wird, zumindest wenn die Auftraggeber Privatleute sind. Bei den Entsendeformalitäten helfen die Handwerkskammern, und die AHK Spanien hat ebenfalls einen Service für Verwaltungsangelegenheiten (Gestoría).
Wie wichtig ist das Ausland zur Kompensation der derzeitigen Bau- und Immobilienflaute in Deutschland?
Röder-Wolff: Haben wir eine Flaute? Ich denke, dass das im Handwerk immer etwas später ankommt. Aktuell ist die Auftragslage laut Rückmeldungen gut. Meine persönliche Einschätzung ist, dass die Betriebe vielleicht im Sommer oder Herbst 2024 etwas spüren werden.
Kemper: Die Betriebe, die bei uns mitmachen, sind ja nicht aus Not dabei, sondern wollten in einen neuen Markt reinschnuppern und internationale Erfahrungen sammeln. Nun betreiben sie das etwas intensiver, auch im Sinn einer gewissen Diversifizierung. Viele haben aber auch schon von NRW aus im nahen Grenzgebiet gearbeitet.
Welche Jahresprognose geben Sie für die Konjunkturlage in Handwerk und Bau für Deutschland und Spanien?
Kemper: Die Prognose für Spanien ist positiver als im Rest Europas, nicht unbedingt bei Neubauprojekten, aber bei Gebäudesanierungen. Mallorca ist am dynamischsten. Bei den Immobilienpreisen sehen wir hier das stärkste Wachstum – etwa 10 Prozent von Januar 2022 bis Januar 2023 auf den Balearen, knapp über 6 Prozent in Madrid. Was in den Statistiken noch gar nicht nennenswert vorkommt, ist der zusätzliche Nachfrageeffekt durch Käufer aus den USA. Das wird gezielt forciert, da die Direktverbindung nach New York 95 Prozent Auslastung hatte und bald weitere Städte wie Miami oder Los Angeles folgen könnten. Amerikaner kaufen ja Immobilien in ganz Europa, da es hier günstiger ist als in den USA. Und Mallorca stößt auf großes Interesse. Da braucht man sich keine Sorgen machen, wenn die Zahl der Transaktionen einmal auf hohem Niveau vorübergehend etwas zurückgeht. Die Jahresprognose liegt immerhin bei 15.000 – dazu noch die Amerikaner, die derzeit im Segment bis zu einer Million verstärkt als Käufer auftreten..
Wie geschätzt sind die NRW-Handwerker hier vor Ort bei den Einheimischen und in lokalen Strukturen auf Mallorca? Und gibt es etwas, was die NRW-Betriebe in den Jahren in Spanien dazulernen konnten?
Kemper: Die Kundschaft sind bis dato nicht die Einheimischen, da die Projekte im Ausland allein durch die eigene Logistik mit Mehrkosten verbunden sind. Es geht wirklich um kaufkräftige deutsche und internationale Kunden. Da wird das Handwerk aus Deutschland und NRW sehr geschätzt. Die Spielwiese ist groß genug für unsere Mitglieder und für deutsche Betriebe, die schon länger auf der Insel ansässig sind.
Gelernt haben wir, dass man sich auch anzupassen hat. Die deutschen Ideen sind oft gut, lassen sich aber nicht in allen Fällen 1:1 umsetzen. Auf der Baustelle muss man flexibel sein, weil es anders abläuft. Damit die Gewerke gut abgestimmt werden, braucht man Übersetzungen. Und um von Architekten ernsthaft wahrgenommen zu werden, ist eine nachhaltige Präsenz nötig. Es reicht nicht, ein einzelnes Projekt zu machen und anschließend nicht mehr greifbar zu sein. Die Showrooms mit Ansprechpartner vor Ort sind wichtig, um schnell reagieren zu können. Das schafft Vertrauen.
Wo lagen anfangs die größten Schwierigkeiten bei der Markterschließung, und wie
hat man sie überwunden?
Röder-Wolff: Der Kunde muss die Sicherheit haben, dass Reparaturen zeitnah ausgeführt werden. Wichtig sind auch die richtigen Kontakte. Es reicht nicht, ein bis zweimal da zu sein, sondern wirklich immer wieder zu kommen. Letzten Endes ist das nichts anderes als auf dem deutschen Markt.
Kemper: Dazu kommt, dass Mallorca eine Insel ist. Der Kreis ist also noch etwas enger und geschlossener als auf dem spanischen Festland. Man kennt sich, und man muss gute Arbeit leisten, um einen Ruf zu erwerben. Dabei zählen Hartnäckigkeit, Kontinuität und Konstanz. Sich einmal bei einer Messe zu präsentieren und auf Aufträge zu hoffen, das ist ein Glücksritterprinzip, das nicht funktioniert. Die Kontakte werden mittlerweile laufend gepflegt, nicht nur zwei Mal im Jahr bei unseren Messen im Frühjahr und Herbst.
Röder-Wolff: Der einzelne Handwerksbetrieb kann eine Markterschließung gar nicht allein leisten, weil er sich ja auf seine Aufträge konzentrieren muss. Deswegen gibt es Gelder von NRW. Global Business zum Glück auch für Projekte im Handwerk.
Welche Ziele stehen bei der Messe „Living & Building“ im Fokus?
Röder-Wolff: Kontakte und Multiplikatoren wiedertreffen, vielleicht neue Kontakte knüpfen, Gespräche mit Immobilienbesitzern führen und Angebotsanfragen aufnehmen. Wir bieten auch die Möglichkeit, schon etwas konkreter mit Fachleuten aus NRW über anstehende Projekte zu sprechen.