Mallorca La Seu – Wo der liebe Gott am liebsten Urlaub macht
Mallorca La Seu – Wo der liebe Gott am liebsten Urlaub macht
Bitte halten Sie mich nicht für verrückt, aber ich möchte doch tatsächlich behaupten, dass es heutzutage – und insbesondere jetzt zur Weihnachtszeit – auf Mallorca Menschen gibt, die aus reinem Gottesglauben und nicht allein aus touristisch-voyeuristischem Interesse eine Kirche besuchen. Vielleicht um dort ein bisschen zu beten. Für die eigene Gesundheit beispielsweise, oder die Genesung der kranken Oma daheim. Für das Ende der Coronavirus-Pandemie oder der Rettung des Regenwalds im Amazonas. Für den nächsten Sieg von Real Madrid oder dem lang erträumten Lottogewinn.
In Mallorcas größtem und bedeutendstem Kirchenbau, der Kathedrale von Palma, dem Sitz des Bistums der Balearen, sind solche Leute eher selten anzutreffen. Bisher zumindest. „La Seu“, wie sie im mallorquinischen Volksmund genannt wird, ist seit Jahrzehnten das Wahrzeichen der Insel – und eines der wahrscheinlich meistverkauftesten Postkarten- und Souvenirartikelmotive überhaupt.
Das war, weiß Gott, nicht immer so. Dort wo heute die Kathedrale steht, soll, so vermuten Archäologen, bereits zu Zeiten der Steinzeit-Mallorquiner bzw. im so genannten Talayotikum, also vor etwa 2.500 Jahren, den damaligen Göttern gehuldigt worden sein. Auf den Ruinen des prähistorischen Heiligtums errichteten die maurischen Herrscher auf der Insel im 12. Jahrhundert eine Moschee, die rund ein Jahrhundert später, nach der Rückeroberung der Inseln durch die Christen unter König Jaime I. im Jahre 1230 dem Erdboden gleich gemacht wurde. An ihrer Stelle wurde Anfang des 14. Jahrhunderts mit dem Bau der heutigen Kathedrale begonnen und Anfang des 20. Jahrhunderts mit Fertigstellung der Hauptfassade beendet.
Aufgrund ihrer langen Bauzeit gilt die über 100 Meter lange und mehr als 50 Meter hohe „La Seu“ als architektonisches Patchwork der sich im Laufe der Jahrhunderte veränderten Baustile, angefangen von der Gotik über Renaissance, Barock und Klassizismus bis hin zum Jugendstil.
Palmas Kathedrale zählt aber noch wegen ihren vielfältigen Architekturformen zu den bedeutendsten und imposantesten Kirchenbauten im gesamten Mittelmeeraum. Nehmen wir zum Beispiel das Rosettenfenster über dem Hauptaltar. Mit einer Fensterfläche von knapp 100 Quadratmetern wird es immer wieder gerne als „größte gotische Rosette der Welt“ bezeichnet. Und nicht nur das. Gleich zweimal im Jahr – am 2. Februar und 11. November – fällt das Licht durch ihre mehr als 1.200 Buntglasteile und projiziert dabei auf der gegenüberliegenden Seite, direkt unter der Rosette des Eingangsportal, ein identisches Abbild. Ein geradezu magisches Lichtspiel, das Einheimische und Urlauber jedes Jahr erneut in den Bann zieht.
So nahm der katalanische Architekt Antoni Gaudi (1852-1926) einschneidende bauliche Veränderungen wie die komplette Umgestaltung des Chorraums oder die Verzierung von Ornamenten in dem für ihn typischen Gaudi-Stil.
Seit 2007 beherbergt die Kathedrale zudem eine überdimensionale Keramikarbeit des zeitgenössischen, mallorquinischen Künstlers Miquel Barceló. Seine von ihm als „biblische Geschichte der wundersamen Vermehrung des Brotes und der Fische“ betitelte Arbeit in einer der Seitenkapellen, stieß nicht überall auf Applaus, zumal Barceló als selbsternannter Agnostiker bei der Einweihungsmesse nicht erschien.
Sei es wie es ist. Palmas Kathedrale ist stets einen Besuch wert. Sei es aus architektonischer oder historischer Neugier oder weil man hier dem lieben Herrgott ein großes Stück näher zu sein scheint, als anderswo.
Die Kathedrale ist von Montag bis Samstag
von 10 bis 14.15 Uhr für Besichtigungen geöffnet.
Der Eintritt kostet 8 Euro.
Weitere Infos zu Führungen, Gottesdiensten und Events unter www.catedralmallorca.org