Mallorcas heimlicher Nationalheiliger
Teufel, Schwellköpfe und Weihwasser: Am 16. und 17. Januar lockt eine feurige iberische Fete mit Böllern, Dudelsack-Tönen, Spottliedern und Tieren ein vorwiegend einheimisches Publikum.
An welchem Tag feiert Mallorca eigentlich seinen Inselfeiertag? Lange Zeit war es der 31. Dezember, der an die Eroberung Palmas von den Arabern im Jahr 1229 erinnert. Inzwischen wurde der Gedenktag von der konservativen Balearen-Regierung auf den 12. September verlegt, da der Termin an Silvester jedes Jahr für Ärger zwischen Katalanisten und national gesinnten Spaniern sorgt. Man wollte dem teils provokativen Treiben nicht länger eine offizielle Plattform bieten. Beide Termine beziehen sich jedenfalls auf die Rückeroberung im Jahr 1229, nun mit Schwerpunkt auf der Landung von König Jaume I. bei Santa Ponsa im September. Zum Feiern in Frage käme auch der Balearen-Tag am 1. März, der aber für alle Inseln als gesetzlicher Ruhetag gilt und an das Autonomie-Statut aus dem Jahr 1983 erinnert.
Das alles ist den meisten Mallorquinern aber zu abstrakt, und vielleicht lässt sich die Essenz der Insel am besten beim Sant-Antoni-Fest erleben – eine urige Tradition, die alljährlich am 16. und 17. Januar begangen wird und in manchen Gemeinden als wichtigster Feiertag des Jahres gilt.
Epizentrum ist Sa Pobla im Norden Mallorcas, aber auch andere Orte sind mit Feuereifer dabei. Es ist ein Fest zu Ehren des Heiligen Antonius, des Schutzpatrons der Tiere, und wird mit Umzügen der „Dimonis“ durch die Straßen Mallorcas begangen.Am Event nehmen Tänzer teil, die als Feuerteufel verkleidet sind. Nicht zuletzt wird Sant Antoni auf Mallorca von Tiersegnungen und derben Bräuchen begleitet, so etwa Spottlieder namens „Gloses“, mit denen die Mächtigen aufs Korn genommen werden und schon ein Stück weit der Karneval beginnt. Inmitten von Kriegen, Energiekrise, Inflation und wechselhaften politischen Veränderungen, dürfte sich bei den Volkssängern so einiges angestaut haben.
Tiersegnungen
Der Höhepunkt von Sant Antoni ist es, wenn Tausende von Menschen ihre Tiere segnen lassen. Dazu gehören nicht nur Katzen und Hunde, sondern auch Vögel, Mäuse Goldfische und ganze Schaf- oder Ziegenherden. Es ist ein malerisches Spektakel, das viele Besucher anzieht, um dieser einzigartigen Tradition beizuwohnen. Zusätzlich zu den Tiersegnungen werden zu Ehren des Heiligen Antonius auch Lagerfeuer entzündet, die Glück für das ganze Jahr bringen sollen. Ähnliche Inszenierungen gibt es unter anderem auch in Katalonien, Valencia und im Baskenland, wobei das Datum variiert und mit der Wintersonnenwende und dem Dreikönigstag zusammenfallen kann.
Ethnologen führen sie auf heidnische Zeiten zurück. Möglicherweise stammen sie von dem nicht-indogermanischen Volk der Iberer, das seit etwa 5000 vor Christus an der Mittelmeerküste ansässig war und auch Träger der jungsteinzeitlichen Talayot-Kultur auf den Balearen gewesen sein soll. Kaum ein anderes Fest verkörpert besser die urtümlich-derbe Essenz des ländlichen Mallorca.
Weil der Heilige Antonius der Legende nach einmal ein todkrankes Ferkel heilte und später als ständigen Begleiter an seiner Seite hatte, segnet man an seinem Ehrentag die Tiere mit Weihwasser. Das galt früher vor allem für die Schweine, deren Schutzpatron Antonius ist. Die Anekdote mit dem Schweinchen ist unter anderem auch aus dem Rheinland bekannt, wo man in Bezug auf den Heiligen immer noch gerne vom „Schweine-Tünnes“ spricht. Die Borstentiere waren in vergangenen Zeiten die Basis der Landwirtschaft auf Mallorca und werden bis heute noch sehr geschätzt – nicht zuletzt in Form der pikanten Paprikawurst Sobrassada oder als Schmalzlieferanten für Backwaren wie die Teigschnecke Ensaimada.
Die Tradition ist in Sa Pobla seit 1364 belegt. Während damals das lebenswichtige Nutzvieh im Mittelpunkt stand, bringen die Menschen heute vor allem Haustiere zu den Geistlichen. Allein schon, weil die kleinen Lieblinge von den Besitzern fein herausgeputzt werden, lohnt sich am Mittwoch, 17. Januar, ab 11.30 Uhr ein Besuch im Carrer Sant Miquel in Palma.
Rustikaler geht es in den Landgemeinden wie Muro zu, wo neben den berühmten Schweinen auch Massen von Schafen und Ziegen das Bild prägen, wenn sie von ihren Besitzern beim Pfarrer vorgeführt werden. Stichtag für die Tiersegnungen („beneïdes“) ist in den meisten Gemeinden der 17. Januar (Sant Antoni). Einige Orte sind allerdings etwas später dran, unter anderem Porreres und Cala Ratjada, wo es den Segen am folgenden Wochenende gibt. Das bezeichnet man im lokalen Jargon dann als „ultimes beneïdes“.
Uneinigkeit über den Sinn der uralten Tradition gibt es übrigens nicht. Schließlich kann in diesem Fall wirklich nicht von Misshandlung von Tieren die Rede sein.
Grill und Lagerfeuer
Die Sant-Antoni-Feierlichkeiten beginnen bereits am 16. Januar. In Artà treffen sich die Bürger schon um 8 Uhr morgens zu einer heißen Schokolade. Die Teufel treiben ab 9 Uhr ihr Unwesen. Am Vorabend des 17. Januar werden an fast jeder Ecke so genannte Foguerons, entzündet, also große Lagerfeuer im Stil eines Scheiterhaufens. Die Menschen schlagen sich den Bauch mit Fleisch voll, das zusammen mit Brot gegessen wird.
In Manacor werden außerdem die aus Pappmaché gefertigten Abbilder von Sant Antoni verbrannt (Prämierung zuvor am Nachmittag). In Sa Pobla findet um 21.45 Uhr ein besonders großes Feuerwerk auf der Plaça Major statt, das von eindrucksvollen Ton- und Lichteffekten begleitet wird. Am 17. Januar folgen die traditionellen Tiersegnungen, unter anderem auch vor der Kirche Sant Miquel in Palma. Typisch für Sa Pobla ist auch der Tanz der „Caparrots“. Diese fröhlichen Gestalten sind eine Art Scherzkekse, Spaßmacher und Hofnarren. Erleben kann man Mallorcas Schwellköpfe auf dem überfüllten Dorfplatz von Sa Pobla am 16. Januar abends (21.15 Uhr) und am 17. Januar mittags (12.30 Uhr).
Zu den bekennenden Sant- Antoni-Hochburgen auf Mallorca zählen darüber hinaus auch Manacor und Capdepera. Ansonsten wird der 17. Januar mit traditionellen Tiersegnungen begangen. In keinem anderen Dorf der Insel sind die Segnungen so hochgeschätzt wie in Muro. Sant Antoni wird hier seit dem 13. Jahrhundert geehrt. Der Ursprung der Beneïdes lässt sich mindestens bis ins 15. Jahrhundert zurückverfolgen, und noch heute treiben Hirten riesige Mengen an Schafen durch die Gemeinde, während die Pferde auch aus entfernten Gegenden kommen.
In Palma ist Sant Antoni ein Werktag. Dafür ist dort Samstag, 20. Januar, ein Feiertag zu Ehren des Stadtheiligen Sebastian. Am 16. Januar steht in der Inselhauptstadt aber in einigen Stadtvierteln ein gemütliches Grillfest mit selbst aufgebauten Rosten auf dem Programm – sozusagen ein kleiner Vorgeschmack auf das öffentliche Grillen und die vielen Konzerte am 20. Januar im Zentrum.
Arbeitsfrei am 17.Januar
Ariany, Artà, Biniamar, Búger, Calonge, Capdepera, Cas Concos, Colònia de Sant Jordi, Colònia de Sant Pere, Costitx, Llombards, Manacor, Maria de la Salut, Muro, Petra, Pollença, Sa Pobla, Sant Joan, Sant Llorenç, Ses Salines, Sineu, Son Servera, Vilafranca