Kein Schwein auf Mallorca mag Weihnachten. Das muss mal gesagt werden. Auch, wenn der Grund überaus banal ist: Viele Borstentiere erleben das Fest nicht mehr. Anfang Dezember finden in vielen Orten der Insel Schlachtfeste statt. Die matances läuten die Adventszeit ein und haben eine lange Tradition.
Seit Mitte des 18. Jahrhunderts geht es am 3. Dezember den Schweinen an den Kragen. Dabei übt sich der professionelle, mallorquinische Schlachter, der acorador, in Nachhaltigkeit. Soll heißen, ein Tier wird praktisch vollständig verwertet: Von Botifarrónes bis Sobrasada kommt alles auf den Tisch, oder in die Vorratskammer, was die Sau zu bieten hat.
Die Produkte waren einst wichtige Lebensgrundlage der Familien. Nicht nur für die Festtage, sondern weit darüber hinaus. Heute sind sie ein Stück gelebte Tradition im Advent, so etwas, wie der in Deutschland bekannte Nikolaus am 6. Dezember. Vielleicht kommt daher der Ausspruch „Schwein gehabt“, denn wer ein Schwein sein Eigen nennen konnte, hatte einfach Glück und musste das Jahr über nicht hungern.
Globalisierung unterm Baum
Weihnachten auf Mallorca – das klingt nach Kerzen unter Palmen und sandigem Christstollen. Weit gefehlt. Tatsächlich ist das Fest auf der Insel, sieht man von den Schweinen einmal ab, inzwischen international angepasster, als man denken mag. Große und kleine Orte erstrahlen im Glanz der mit Leuchten und – nicht selten künstlichem – Nadelwerk geschmückten Straßen und Gassen. Auf öffentlichen Plätzen und in privaten Wohnstuben hat längst der Tannenbaum mit bunten Lichtern oder echten Kerzen Einzug gehalten. Krippen, meist liebevoll gestaltete Dioramen mit viel mehr Details als der Stallszene, sind wichtiger Bestandteil der Adventszeit und des Weihnachtsfestes in Spanien und laden Groß und Klein zu spannenden Entdeckungsreisen ein.
So süß ist das Inselfest
Natürlich dürfen auch die Leckereien nicht fehlen, die, Dank angenehmer Temperaturen bis in den Oktober, nicht ganz so früh in den Supermarktregalen auftauchen, wie beispielsweise in Deutschland. Auf Mallorca dominieren bei den Süßwaren allerdings nicht Spekulatius oder Lebkuchen. Hier dreht sich alles um die Mandel. Der turrón wird zu ihrer verführerischen Heimat. Ein turrón gibt es in fester und weicher Form. Er sollte mindestens zur Hälfte aus Mandeln bestehen, entweder ganz oder gemahlen. Die andere Hälfte setzt sich aus Zucker, Honig und Eiweiß zusammen.
Nicht ganz so übertrieben verzuckert sind die polvorones, eine Art Mandelplätzchen in verschiedenen Geschmacksrichtungen. Ihr Name ist Programm, denn im Mund „stauben“ sie regelrecht. Wenn bei der Herstellung auf die Mandel verzichtet und dafür Schweineschmalz verwendet wird, heißt das Gebäck mantecados.
In Sachen Familie
Der Heilige Abend ist dem Mallorquiner nicht ganz so heilig, wie dem Deutschen. Die meisten Geschäfte haben bis zum Abend geöffnet. Glücklich, wer ab dem Mittag bereits alles Notwendige im Hause hat. Denn auch auf der Insel macht sich in den Supermärkten eine Art Endzeitstimmung breit. Alle Jahre wieder versinkt der Mallorquiner im selbstgebastelten Weihnachtsstress.
Dabei verläuft der Heiligabend vergleichsweise unspektakulär. Höhepunkt auf Mallorca und den Nachbarinseln ist die Mitternachtsmesse Misa del Gallo, die „Messe des Hahns“. Dieser soll als Erster die Geburt Jesu verkündet haben.
In vielen Kirchen, wie beispielsweise der Kathedrale von Palma, trägt zur Messe ein Mädchen den Gesang der Sibilla vor. Der mittelalterliche Ritus ist seit 2010 UNESCO- Weltkulturerbe. Erinnert wird an Sibylle von Erythrai. Die Seherin soll den Fall Trojas vorausgesagt haben.
Am 25. Dezember steht die Familie im Mittelpunkt. Es wird geplaudert, gefeiert – und geschlemmt. Ob Spanferkel, Truthahn, Gans oder mallorquinische Weihnachtssuppe – Kalorien sollte man an diesem Tag nicht zählen, sondern sich vielmehr unbeschwert den kulinarischen Freuden hingeben. Der zweite Weihnachtstag wurde in diesem Jahr balearenweit als offizieller Feiertag hinzugenommen.
Nach dem Fest ist vor dem Fest
Mit dem Ende der eigentlichen Weihnachtsfeiertage ist das Fest auf Mallorca allerdings noch lange nicht vorüber. Der Tag der großen Gaben ist traditionell der 6. Januar. Die Heiligen Drei Könige bringen in Spanien die Geschenke. Der „Día de los Reyes Magos“ markiert den wichtigsten und zugleich letzten Tag der Weihnachtsfeierlichkeiten auf der Insel.
Das biblische Dreigestirn trifft am Abend des fünften Januars ein und zieht in einer spektakulären Parade, genannt „Cabalgata de los Reyes Magos“, durch die Orte. Da die Zahl verfügbarer Kamele aus sicheren Drittländern auf der Insel begrenzt ist, greifen einige Rathäuser auf Pferde, Esel und auch schon mal auf ein VW-Cabrio zurück. Hauptsache, Caspar, Melchior und Balthasar schaffen es, Groß und Klein mit süßen Leckereien zu versorgen.
Der größte Umzug findet in Palma de Mallorca statt. Gegen 18 Uhr legen die Heiligen Drei Könige mit einem historischen Segelschiff an der Alten Mole an. Von dort geht es auf Festwagen, begleitet von Musik- und Tanzgruppen, durch die Straßen und über die Avenidas bis zum Rathaus. In der Balearenhauptstadt herrscht an diesem Abend Ausnahmezustand.
Ausklang mit Leckereien
Ist alles vorbei, macht man sich auf den Heimweg. Viele Kinder stellen vor dem Schlafengehen noch etwas Heu und eine Schale mit Wasser vor die Tür. So sollen die Tiere versorgt werden, welche die Weisen aus dem Morgenland begleiten.
Marc Fischer