Dass ihre kleine Mittelmeer-Insel im rund 2.000 Kilometer entfernten Alemania einen ganz, ganz, ganz besonderen Stellenwert genießt, dürfte den Mallorquinern im Laufe der vergangenen Jahrzehnte langsam klar geworden sein. Und ganz ehrlich: Manchmal mal muss man die Mallorquiner für ihre Gelassenheit, mit der sie diese germanische Besessenheit nach Sonne, Sand und Sangria jedes Jahr ertragen, nur bewundern. Irgendwann stößt aber auch dieses südländisches Laissez-Faire an seine Grenzen.
Letzten Donnerstag (25.3.) beispielsweise. Da strafte der SPD-Politiker und angebliche Epedemie-Experte Karl Lauterbach in einer Talkshow des öffentlichen deutschen Fernsehsenders ZDF die Mallorquiner – oder zumindest deren politische Entscheidungsträger – als Lügner ab. Er glaube nicht, dass die von der Balearenregierung bekannt gegebenen Zahlen der aktuellen Corona-Inzidenzfälle der Wahrheit entsprechen. "Da wird getrickst", so der dünnhaarige Politiker. Zudem behauptete Lauterbach vor Millionen bundesdeutscher TV-Zuschauer, dass auf Mallorca entgegen einer kürzlichen Verlautbarung aus dem balearischen Gesundheitsministerium sehr wohl die scheinbar gefährliche, aus Brasilien stammende Virus-Variante "P1" grasiere.
Anschuldigungen, zumal in keinster Weise von Carlos (so würde Lauterbachs Vorname auf Spanisch lauten) belegt, die in früheren Jahrhunderten möglicherweise zu ernsten diplomatischen Spannungen zwischen Madrid und Berlin geführt hätten.
In Palma reagierte man auf die von Herrn Lauterbach im Rahmen der seit Wochen entbrannten Diskussion über das Für und Wider von Mallorca-Reisen zu Ostern dennoch wie gewohnt. Also sonnig, sprich gelassen. Die balearische Ministerpräsidentin Francina Armengol von der sozialistischen PSOE-Partei verzichtete auf jeglichen Kommentar zu den Vorwürfen ihres eigentlich ja gleichgesinnten politischen Genossen in Alemania. Lediglich Antoni Oliver, Chefbiologe des Landeskrankenhauses Son Espases nahm in den Medien Stellung. Fakten seien Fakten, erklärte Oliver gegenüber dem "Diario de Mallorca". Es sei schon empörend, wenn sie anders dargestellt würden. Und: "Wir sind hier schließlich nicht in einer Bananenrepublik". Auch wenn man das im fernen Deutschland derzeit anders sieht.
Lauterbauchs peinlich-populistische Vorwürfe sind allerdings soweit zu entschuldigen, als dass sie möglicherweise von ganz, ganz oben angeheizt wurden. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte in einer Art "Trotz-Corona-Nach-Malle" einberufenen Bundestagssitzung zuvor erklärt, dass sie "Himmel und Hölle" in Bewegung setzen würde, um ihrem Volk die Osterferien am Ballermann (okay, vielleicht meinte sie möglicherweise auch andere Urlaubsziele im Ausland) zu verbieten. Doch selbst Himmel und Hölle haben ihre verfassungsrechtlichen Grenzen. Gott sei Dank!
Immerhin schaffte es die Bundesregierung am Dienstag, die Wiedereinfühung einer Corona-Testpflicht für Mallorcaurlaubs-Rückkehre rechtswirkend durchzusetzen. Und das, obwohl die Balearen seit Anfang März vom Auswärtigen Amt in Berlin nicht mehr als "Ansteckungs-Risikogebiet" eingestuft werden. Ist ja auch Wurst. Ab kommenden Dienstag (30.3.) müssen Flugreisende von Palma nach Alemania am Zielflughafen eine virenfreie Testbescheinigung vorweisen. Verantwortlich für die ordnungsgemäße Durchführung dieser Tests vor dem Abflug in Palma – und in Absprache mit der Bundesregierung – sind allerdings nicht die Gesundheitsbehörden vor Ort sondern die Airlines wie Tuifly, Ryanair oder Lufthansa. Ist auch logisch. Die haben die Leute ja auch auf die Insel gebracht.
Stellt sich die Frage, was deutsche Osterurlauber überhaupt noch nach Mallorca bewegt. Denn auch die balearische Landesregierung hat hinsichtlich einer möglicherweise währende der Feiertage drohenden Virenausbreitungswelle die Handbremse gezogen. Seit Freitag (26. März) bis einschließlich 11. April gelten auf der Insel verschärfte Einschränkungen hinsichtlich der öffentlichen Bewegungsfreiheit. Restaurants und Bars dürfen ausschließlich in den Außenbereichen bedienen. Ab 17 Uhr ist das Essen und Trinken aber auch dort vorbei. Immerhin: Bis 22 Uhr darf außer Haus geliefert werden. In den Hotels müssen Bars ebenfalls um 17 Uhr schließen. Abendessen darf aber bis 22 Uhr serviert werden. Sämtliche Indoor-Aktivitäten sind in Ferienunterkünften verboten, Indoorpools oder Spa-Bereiche dürfen bis vorerst 11. April keine Gäste empfangen.
Verschärfte Beschränkungen gelten aber auch für Nicht-Urlauber auf Mallorca. Private Treffen von Mitgliedern unterschiedlicher Haushalte sind seit dem 26. März untersagt, Ausnahem gelten nur pflegebedürftige Famlilienmitglieder oder Kindern unter sechs Jahren.
Es gibt auch positive Nachrichten. So soll nach Angaben des meteorologischen Instituts in Palma der Frühling auf Mallorca Einzug halten. Sonne, blauer Himmel und Temperaturen über 20 Grad. Mal sehen, ob man das im fernen Alemania glaubt.