Während bei Erwachsenen die sogenannten reversiblen Funktionsstörungen am Bewegungsapparat, die der Volksmund als „eingeklemmter Nerv“ oder „ausgerenkter Wirbel“ bezeichnet, normalerweise mit heftigen Schmerzen wegen der begleitenden ausgeprägten muskulären Verspannung einhergehen, bietet sich bei Kindern oft ein anderes Bild: Wegen anderer Schmerzwahrnehmung bzw. Schmerzverarbeitung führen die muskulären Verspannungen oft zu anderen Symptomen.
Nach sorgfältiger manualmedizinischer Diagnostik und Chirotherapie verschwinden diese Symptome erstaunlich schnell und oft dauerhaft. Begleitende Physiotherapie kann dies positiv unterstützen. Auch spezielle osteopathische Behandlungsmethoden zeigen gerade bei Kindern frappierende Behandlungserfolge. Vorausgehen sollte allerdings eine komplette pädiatrische Untersuchung, um strukturelle Erkrankungen auszuschließen.
In der Folge werde ich nun chronologisch nach Lebensalter einzelne Symptome und Krankheitsbilder erläutern:
– Neugeborene:
Die Babys zeigen Atem- und Schlafstörungen, hervorgerufen durch muskuläre Verspannungen bei sich entwickelndem Schiefhals. Die Mütter wundern sich, dass ihre Kinder nur von einer Brust trinken, was sich aber durch die Haltungsstörung erklärt. Es zeigen sich typische Verdauungsstörungen mit Verstopfung von bis zu sieben Tagen! Auch übermäßiges Speicheln wird beobachtet. G. Gutmann, einer der Pioniere der Manualmedizin in Deutschland, fasste diese Krankheitsbilder unter der Bezeichnung „Gedeihstörungen“ zusammen, die oftmals nach nur einer Behandlung der Kopfgelenke verschwinden!
– bis zu den ersten drei Monaten:
Weiterhin Trink-, Verdauungs- und Schlafstörungen. Die sogenannten „Dreimonatskoliken“, begleitet von Unverträglichkeiten von Mutter- aber auch Kuhmilch, Weizenmehl und Zucker, können auch durch eine Blockierung des obersten Nackenwirbels ausgelöst werden. Manchmal bildet sich eine Skoliose in C-Form aus, der Kopf wird oft schief und überstreckt gehalten.
Es zeigt sich eine deutliche Asymmetrie der Gesichtsform, Begriffe wie KISS-Syndrom oder MBD (Minimal Brain Dysfunction) beschreiben diesen Zustand.
– 4. Lebensmonat bis etwa 12. Lebensmonat:
Trink- und Verdauungsstörungen werden seltener, es zeigen sich aber immer noch Störungen im Schlaf-/ Wachrhythmus. Die motorische Entwicklung ist meist deutlich gestört, vor allem beim Krabbeln und Aufrichten. Fernerhin beobachtet man Sprachstörungen in unterschiedlichster Darstellung.
Wie schon erwähnt, sollte vor der manualmedizinischen Diagnostik und Therapie eine komplette pädiatrische Untersuchung erfolgen, bei entsprechenden Beschwerden auch immer an Unverträglichkeiten oder Allergien, spezifische Defizite in der Ernährung und an ein mögliches Herdgeschehen gedacht werden.
Nach Ausschluss einer pädiatrischen Er-krankung kann die entsprechende manualtherapeutische Behandlung, unterstützt durch begleitende Physiotherapie, die funktionelle Störung und die entsprechende Symptomatik beseitigen.
– erstes bis zweites Lebensjahr:
„In der Entwicklung zurück im Vergleich zu den Geschwistern“: motorisch, vegetativ, emotional, infektanfällig. Die Kinder zeigen ein unregelmäßiges Gangbild, sind sehr unsicher und stolpern viel. Beim Laufen fällt ein sog. „Innenrotationsgang“ aus, das Kind läuft „über den großen Onkel“. Ferner scheinen sie oft ängstlich, unkonzentriert, schlafen schlecht ein und sind auch sehr unruhig.
– drittes bis sechstes Lebensjahr:
Die Kinder sind im Kindergarten oder der Vorschule ängstlich bis aggressiv, unkonzentriert und motorisch etwas retardiert. Es zeigt sich ein ausgeprägter Innenrotationsgang mit rascher Ermüdung beim Gehen. Hier tritt auch der sog. „Wachstumsschmerz“ auf, vor allem im Becken-Bein-Bereich und in den Knien. Charakteristisch für diesen Schmerz – oft durch eine Blockierung im Kreuz-Darmbeingelenk hervorgerufen – ist das Auftreten in Ruhe und beim Einschlafen, Bewegung bessert die Schmerzen.
– ab siebentem Lebensjahr mit der Schulzeit:
Konzentrations- und Schlafstörungen, Kopfschmerzen, „Migräne“, auch der sog. „Schulkopfschmerz“, der nur in der Schule und beim Hausaufgabenmachen auftritt und sich bei Bewegung bessert. Motorisch fällt eine gewisse Ungeschicktheit auf, vor allem beim Sport, mit erhöhter Verletzungsanfälligkeit. Auch zeigt sich eine allgemeine Unruhe wie beim „Zappelphilip“ im Märchen der Gebrüder Grimm, der zudem äußerst unbeholfen ist.
Hier sind auch die hyperaktiven Kinder zu nennen. MCD- Syndrom (Minimal cerebral Disease), ICP (Infantile Cerebralparese) oder auch sensomotorische Integrationsstörung werden hier synonym gebraucht. Wenn eine psychotherapeutische Exploration und Therapie keinen Erfolg zeigt, sollte der erfahrene Manualmediziner zu Rate gezogen werden, bevor mit nebenwirkungsträchtigen zentral wirksamen Medikamenten, beispielsweise Ritalin, gearbeitet wird.
Nun werden auch erstmals Schmerzen in unmittelbarem Zusammenhang mit der entsprechenden Blockierung angegeben, und zwar überwiegend im HWS-Rücken-Becken-Bereich. Auch der berüchtigte „Scheuermann“ sowie die idiopathische Skoliose treten erstmals auf und können chirotherapeutisch behandelt werden.
– ab zwölftem Lebensjahr…
stimmen die Beschwerdeäußerungen über Art und Ort reversibler Funktionsstörungen am Bewegungsapparat schon recht gut mit den Angaben Erwachsener überein.
Die manualmedizinische Behandlung mittels chirotherapeutischer oder osteopathischer Verfahren kann in einigen Fällen schon in einer einzigen Sitzung die Beschwerden verschwinden lassen, oft sind aber auch mehrere Sitzungen und eine krankengymnastische Nachbehandlung durch entsprechend spezialisierte Therapeuten/-Innen erforderlich. Auch Akupunktur mit Nadeln oder per Laser kann unterstützend hilfreich sein.
Dr. Wolfgang Czichon / Arzt für Orthopädie
Chirotherapie, Osteopathie, Akupunktur,
spezielle Schmerztherapie, Sportmedizin, Präsident der DGMSM
Deutsches Facharzt-Zentrum,
Tel. 971 685 333 – www.dfz.es