Intelligente Muskeln – Sie wecken, was in uns steckt
Sie wecken, was in uns steckt
Sport ist Mord?! – Falsch! Das Gegenteil ist der Fall: Sport bedeutet Leben und Gesundheit. Nur reimt sich das nicht so schön und geht nicht so leicht von der Zunge, wie die Standardausrede aller Bewegungsfaulen.
Drei Arten von Muskeln
Die Muskulatur ist ein wichtiger Bestandteil des menschlichen Körpers und besteht aus verschiedenen Muskelgruppen, die für Bewegung, Haltung und Stabilität sorgen. Es gibt drei Arten von Muskeln: glatte Muskulatur, quergestreifte Muskulatur und Herzmuskulatur. Muskeln bestehen aus Muskelfasern, die sich zusammenziehen und entspannen, um Bewegung zu ermöglichen. Regelmäßiges Training und eine ausgewogene Ernährung sind wichtig, um die Muskulatur zu stärken und gesund zu halten.
Wenn wir uns sportlich betätigen und dabei die Muskulatur stärken, passiert so einiges im Körper: Straffung, Fettreduktion und gesteigerte Fitness sind dabei nur die für uns spür- und sichtbaren Ergebnisse. Es steht außer Frage, dass diese wichtig sind. Die Muskeln darauf zu reduzieren, wird ihnen nach heutigem Stand der Forschung aber nicht gerecht. Sie können noch viel mehr. Während wir es also anderen überlassen, einen passenden Slogan als Werbung für Sport und Bewegung zu erstellen, wollen wir uns eben dieses Können einmal genauer ansehen. Darüber hat es gerade in den letzten Jahren interessante Forschungsergebnisse gegeben.
Sie verdrängen Fett
Straffer und fester fühlen sich Körperpartien mit gut gestärkten Muskeln an, weil die Muskulatur natürlich eine dichtere Beschaffenheit als Fett hat. Außerdem schwindet Fett umso mehr, desto stärker die Muskulatur wird. Verantwortlich dafür sind bestimmte Botenstoffe, die sogenannten Interleukine 6 (IL6). Sie entstehen beim Muskelaufbau. IL6 regt den Fettabbau an, wodurch die arbeitende Muskulatur die notwendige Energie bekommt. Außerdem kann der Botenstoff veranlassen, Zuckerreserven der Leber zu nutzen. Ein Plus an Muskeln bedeutet auch mehr von diesen Botenstoffen.
Auch das Bindegewebe, wozu z.B. Sehnen und Bänder gehören, verändert sich beim Krafttraining. Durch die Muskelkontraktion wird es angeregt, mehr Kollagenzellen zu bilden. Diese machen den festeren Anteil des Gewebes aus. Es wird also widerstandsfähiger und stärker. Man geht auch davon aus, dass sich die Stammzellenanzahl im Muskel durch Training erhöht.
Neben dem „Fett-weg-Effekt“ des Muskeltrainings ist folgendes – auch wenn dies keine neue Erkenntnis ist – wichtig zu erwähnen: Eine starke Muskulatur stützt die verschiedenen Segmente des Bewegungsapparates. Das heißt, sie entlastet die Gelenke und beugt so z.B. Rücken-, Nacken- oder Gelenkschmerzen vor.
Jeder Muskel besteht aus vielen einzelnen Bündeln aus Muskelfasern. Jede einzelne dieser Fasern ist von einer bindegewebigen Hülle umgeben, welche sie gleichzeitig schützt und zusammenhält. Diese Faszienhülle sorgt auch dafür, dass der Muskel nach einer Anspannung wieder in seine Ausgangslage zurückkehrt.
Sie sind Medizin
Die positive Wirkung von Sport auf die Gesundheit, lässt sich vereinfacht mit den Punkten Reduktion von Übergewicht und gute Kondition begründen. Das heißt der Körper hat weniger Fettanteile und der wichtigste Muskel – das Herz – ist gut trainiert. Dadurch wird der gesamte Stoffwechsel anregt. Aber auch hier steckt mehr dahinter: Der Botenstoff Interleukin 6 ermahnt nicht nur zum Fettabbau. Sondern er wirkt sich auch positiv auf das Immunsystem aus, weil er entzündungshemmend ist. Außerdem verstoffwechseln starke Muskeln durch ihn Zucker besser.
So kann Diabetes Typ 2 vorgebeugt werden. Seine Fähigkeiten kommen nicht nur in den Muskeln zu tragen, sondern auch in anderen Körperteilen, in die IL 6 über den Blutweg gelangt. Selbst bei (leichtem) Bluthochdruck empfiehlt man heute Krafttraining. Dadurch erweitern sich die Blutgefäße und zusätzliche entstehen. Beides verbessert den Blutfluss und senkt daher den Druck.
Sie wirken positiv auf Geist und Seele
Wer körperlich in einer guten Verfassung ist und starke Muskeln hat, der ist auch geistig leistungsfähiger und fühlt sich besser. Als einer der Wirkmechanismen, die dahinterstecken könnten, vermutet man ein bestimmtes Protein. Es wirkt sich positiv auf das Nervenwachstum im Gehirn aus. Dieses Protein wird unter anderem bei Anstrengung in der Muskulatur gebildet und könnte das Risiko für Alzheimer senken. Ebenso vermutete man, dass der stimmungshebende Effekt durch Muskeltraining biochemische Ursachen hat. Auch wenn die genauen chemischen Formeln dafür noch nicht benennbar sind – für den Laien sind sie mitunter ohnehin schwer einzuordnen – können viele Sportler sicherlich bestätigen, dass ihnen das Training auch mental guttut.
Schicksal oder (harte) Arbeit?
Ob wir jemals muskelbepackte Kraftpakete werden, hängt vom Training, aber auch von unseren Erbanlagen ab. In Studien, bei denen mehrere Probanden gleich viel oder auch wenig trainierten, waren die Ergebnisse der Teilnehmer sehr unterschiedlich. Während bei manchen die Muskelmasse durch das Training sehr viel größer wurde, stieg sie bei anderen unter denselben Bedingungen nur geringfügig an. Bei Tests, die Schonung beinhalteten, gab es Probanden, deren Muskelmasse rapide abnahm. Bei anderen war die Reduktion nicht so stark. Als ein Grund dafür wurde ein Protein namens Myostatin ermittelt. Es reguliert als Signalstoff den Aufbau von Muskelzellen und wird in der Muskulatur selbst produziert. Ein seltener Gendefekt, durch den Myostatin fehlt, bewirkt bei seinen Trägern schon in der Kindheit ungewöhnlich große Muskeln. Um von all den bereits aufgezählten Vorteilen einer gut trainierten Muskulatur zu profitieren, müssen sie aber nicht zwingend voluminös sein. Wer eher zu den Menschen gehört, die weniger Muskelmasse aufbauen, sollte sich daher davon nicht vom Training abhalten lassen.
Sport soll Spaß machen
Bedeuten die Erkenntnisse über die Muskelfähigkeiten nun, dass man nur noch Kraftsport betreiben sollte? Ausschließlich sicherlich nicht. Die Wichtigkeit von Muskeltraining ist mit der des Ausdauersports nach den neuesten Erkenntnissen so gut wie gleich zu setzen. Oder, um es von einer anderen Seite zu betrachten: Ausdauersport ist Kraftsport. Sportempfehlungen zu geben, ist recht schwierig – ganze Bücher und Dissertationen werden darübergeschrieben.
Gerade für Hobbysportler ist der passende Sport sehr individuell. Er ist abhängig z. B. von Körperbau, bereits vorhandener Kondition und vor allem natürlich auch vom Spaßfaktor. Denn Sport soll ja Spaß machen. Und gesund sein. Übertreiben oder gar Übungen falsch zu machen, ist ohnehin nicht zielführend. Außerdem sollten Einschränkungen, die bereits bestehen, durch den Sport verbessert und nicht verschlechtert werden. So ist es z.B. bei starken Knieproblemen zu empfehlen, weniger zu laufen und vielleicht eher auf knieschonenderen Sport wie Radfahren oder Schwimmen umzusteigen. Hören Sie dabei auf die Signale des eigenen Körpers. Fragen Sie auch ihre Ärztin oder Ihren Arzt um Rat. Bei dem Bestreben, sich sportlich gesund zu betätigen, werden Sie dort bestimmt Unterstützung erhalten.
Im Alter nimmt die Muskulatur ab
Bei allen Menschen nimmt die Muskelmasse mit zunehmendem Alter ab. Das heißt, ab dem 30. Lebensjahr reduziert sie sich um ca. drei Kilo alle zehn Jahre. Mit Krafttraining können wir dagegen arbeiten und im höheren Alter das Sturzrisiko reduzieren. Das ist besonders wichtig hinsichtlich der Vermeidung von Oberschenkelhalsbrüchen, die oft zur Immobilität führen. Der Muskelrückgang bei längerer Bettruhe (mehrere Wochen) ist noch viel stärker als der im Alter und kann mitunter fatale Folgen haben. Daher wird bei den meisten Erkrankungen im Rahmen einer Reha so schnell wie möglich wieder Muskelbewegung angestrebt.
Egal, ob man nun mehr oder weniger dazu prädestiniert ist, Muskelmasse aufzubauen – Sport ist gut für uns, Bewegungsfaulheit ist schlecht für uns.
Oder: Wer rastet, der rostet – um am Ende doch noch einen Reim zu präsentieren.
Dr. Wolfgang Czichon / Arzt für Orthopädie
Chirotherapie, Osteopathie, Akupunktur,
spezielle Schmerztherapie, Sportmedizin, Präsident der DGMSM
Deutsches Facharzt-Zentrum,
Tel. 971 685 333 – www.dfz.es