Bereits in der Zeit um 1.500 v. Chr. schafften es Mallorca und die Nachbarinseln im Mittelmeerraum zu überregionaler Bedeutung. Die von der iberischen Halbinsel eingewanderten Ureinwohner nutzten eine besondere Jagdtechnik mit überaus hoher Präzision: Steinschleudern. Els Foners Balears, wie sie auf Katalanisch bezeichnet wurden, gaben den Inseln nicht nur ihren Namen; sie sorgten auch für einen Export überaus spezialisierter Arbeitskräfte. Denn was ursprünglich als Mittel zur Jagd diente, war schon bald als Angriffs- und Verteidigungswaffe mehr als beliebt. Selbst Hannibal soll bei den Punischen Kriegen Foners aus Mallorca eingesetzt haben. Später leisteten die Steinschleuderer erheblichen Widerstand gegen die Truppen Roms.
Blickt man heute auf die Geschichten der Insel gab es mehr als nur einen großen Wurf. Mallorca machte schon immer von sich reden: Prominente kamen und gingen, mediale und politische Ereignisse führten zu international bedeutsamen Ergebnissen, technische und gesellschaftliche Ideen entstanden, wurden hier weiterentwickelt oder wieder verworfen. Die größte der Baleareninseln wurde vielfach von außen geprägt. Aber Mallorca schaffte es immer wieder, auch mit eigener Atmosphäre, individuellem Charme und einem besonderen Flair Menschen anzuziehen, sie zu prägen und hier entstandene Dinge unsterblich zu machen.
Wie sonst ist es zu erklären, dass sich unzählige Künstlerinnen und Künstler, Freidenker und Schriftsteller in die Hände eines kleinen Bergdorfes namens Deià begaben und hier nicht nur Kraft fanden, sondern kreativ wurden? Welcher andere Grund könnte zu einer solch' engen, über viele Jahrzehnte bestehenden Verbindung von Spaniens Königsfamilie zu Palma geführt haben? Wo hätten sich Staatsführer, Hollywood-Größen und Kunstschaffende gleichsam die Klinke in die Hand geben, ihre Spuren hinterlassen und von Land und Leuten überzeugt werden können, wenn nicht hier? Die Insel spricht für sich, und man spricht über die Insel.
Inselgeschichten haben, wie wir auf den folgenden Seiten sehen werden, häufig einen Bezug zu Personen und Persönlichkeiten. Doch Mallorca stellt mehr als eine Kulisse dar. Die Insel war und ist bis heute tonangebend und zeichensetzend in einem vielfältigen und bunten Kaleidoskop bedeutsamer und unterhaltsamer, spannender und verwirrender, interessanter und verrückter Geschichten. Abseits von unvergesslichen Momenten mit ebenso unvergesslichen Menschen bietet Mallorca viel Sehenswertes, das nicht in jedem Reiseführer steht.
Nehmen wir beispielsweise Sa Calobra. Auf Entdeckungsreise nach Kuriositäten ist der Weg das Ziel. Fährt man die Serpentinenstraße entlang, entdeckt man in Höhe von Kilometer 2,2 ein Fundament samt Mauerteilen. Es sind die Überreste der Talstation einer Seilbahn, die von hier auf Mallorcas höchsten Berg, den Puig Major, führen sollte. Die steinerne Ruine ist ein stiller Zeitzeuge aus Mallorcas touristischen Aufbruchsjahren.
Im Jahre 1929 eröffnete das renommierte Hotel Formentor im Norden der Insel. Gut betuchte Touristen aus ganz Europa fanden den Weg in die Nobelherberge. Sie sollten allerdings nicht nur Sommerfrische und Zerstreuung, sondern auch den gewissen Reiz des Außergewöhnlichen finden. Einen Namen für spektakuläre Dinge machte sich in diesen Jahren bereits der italienische Ingenieur Antoni Parietti Coll mit seinen in Fels gemeißelten Straßen zum Cap de Formentor und besagter Serpentinenstrecke nach Sa Calobra. Parietti sollte mit der Seilbahn auf den Puig Major ein weiteres Meisterwerk architektonischer Baukunst schaffen.
Doch aus den gewagten Plänen wurde nichts. Der Spanische Bürgerkrieg und der Zweite Weltkrieg machten dem Ingenieur und seinen Unterstützern einen Strich durch die Rechnung. Und so ist der Puig Major ungeachtet touristischer Beliebtheit ein natürliches Denkmal ganz ohne Massifizierung und technische Errungenschaften – sieht man von der militärischen Radarstation einmal ab.
Ein ganz anderes, bis heute genutztes Bauwerk, hätte ebenfalls eine völlig andere Entwicklung nehmen können. Der Flughafen von Palma de Mallorca, ein internationales Drehkreuz mit einem bewährten Parallelbahnsystem. Die beiden Start- und Landebahnen führen von Nordost nach Südwest und sind, abhängig vom Wind, in beiden Richtungen nutzbar. Historische Anflugkarten belegen allerdings, dass der Airport Son Sant Joan ursprünglich anders gelagert war.
Noch in den 1950er Jahren gab es ein sogenanntes Kreuzungsbahnsystem: Zwei Start- und Landebahnen in X-Konstellation. Wahrscheinlich hatte man sich beim damals noch kleinen Landeplatz aufgrund der Tramuntana-Winde für dieses System entschieden. Schließlich war Mallorca bekannt für seine oft drehenden und häufig auffrischenden Windrichtungen. Die Bahnen waren mit rund 500 und 600 Metern vergleichsweise kurz. Erst mit der offiziellen Ernennung zum Verkehrsflughafen wurde der Ausbau der heute bekannten Start- und Landebahnen umgesetzt.
Flughafen ohne Flugzeuge
Apropos Landebahn. In diesem Bereich hat Mallorca tatsächlich mehr zu bieten als man annehmen mag. Die nachfolgende Überraschung erkennt man vor allem im Rahmen einer virtuellen Reise auf Google Earth. Hier entdeckt man nordwestlich von Portocristo, inmitten eines weiten, freien Geländes nahe der Ostküste, eine Asphaltpiste.
Knapp einen Kilometer lang, in schnurgeradem Verlauf von Nordwest nach Südost ausgerichtet. Mit ein paar zusätzlichen Investitionen könnte die Piste samt Terrain um ein Terminal mit Rollwegen ergänzt werden. Handelt es sich um einen zweiten, in Bau befindlichen Flughafen, um Son Sant Joan zu entlasten? Oder spricht es für eine geheime Basis, ähnlich der sagenumwobenen "Area 51", die auf der Insel betrieben wird? Die Erklärung ist weniger geheimnisvoll.
Ein Landwirt aus der Gegend träumte von einem eigenen Flughafen. Nach unzähligen, abgelehnten Anträgen wurde er aktiv und stellte die Behörden nicht nur vor vollendete Pläne, sondern auch Bauvorhaben: Er schuf auf eigenem Land eine Start- und Landebahn. Bislang ist hier noch nie ein Flieger angekommen. Doch die Hoffnung stirbt zuletzt. Bei all den unglaublichen Geschichten, welche die Geschichte der Insel prägen, könnte auch der Traum von „Portocristo International“ irgendwann Realität werden.