Stunde der Wahrheit für Frank Hanebuth und Konsorten: Für mutmaßliche Taten im Zeitraum 2009-2013 auf Mallorca müssen sich vom 23. Januar bis 10. Februar 49 Beschuldigte vor dem Nationalen Gerichtshof (Audiencia Nacional) in Madrid verantworten.
Das Verfahren gegen die Mallorca-Connection der Hells Angels ist live per Youtube zu sehen, so Justizsprecher Javier Valero Alcántara. Verhandelt wird in einem speziellen Gerichtssaal für Großverfahren in San Fernando de Henares nahe der Luftwaffenbasis Torrejón de Ardoz nordöstlich von Madrid.
Die Anklage vor Gericht erfolgt mit 10 Jahren Verspätung nach der „Operation Casablanca“ im Juli 2013 auf Mallorca, bei der damals 25 Personen aus dem Dunstkreis der Hells Angels festgenommen worden waren. Sprach Frank Hanebuth bei einem Haftprüfungstermin seinerzeit noch scherzhaft von „Urlaubsverlängerung auf Mallorca“, so verging ihm anschließend das Lachen. Der mittlerweile 58-Jährige musste zwei Jahre U-Haft auf dem spanischen Festland verbringen, bevor er vorläufig auf freien Fuß kam und 2017 eine Genehmigung zur Ausreise aus Spanien erhielt. Vorübergehend hatte sich Hanebuth wegen Meldeauflagen auf Mallorca einen Wohnsitz mit Meerblick in Palmas Yachthafen Portitxol zugelegt.
Hinter der relativ zuvorkommenden Behandlung Hanebuths vermuten Beobachter eine Art Gentlemen´s Agreement. Trotzdem fordert die Staatsanwaltschaft nun 13 Jahre Haft für den Hannoveraner. Wegen der überlangen Verzögerung bis zum Prozessbeginn sind in Spanien zwar 50 Prozent Strafrabatt üblich, das wären dann aber immer noch 6,5 Jahre von denen Hanebuth erst zwei verbüßt hat. Ohne weitere Haft würde er nur dann davonkommen, wenn das Gericht ihn lediglich zu etwa 4 Jahren verurteilt. Durch den Strafrabatt wäre er dann ein freier Mann oder könnte bei einer unwesentlich höheren Strafe womöglich auf Bewährung entlassen werden.
In den Ermittlungsakten, die der Inselzeitung vorliegen, gibt es keine direkten Hinweise auf Straftaten durch Hanebuth persönlich. Allenfalls könnten Abhörprotokolle eine Mitwisserschaft oder Rädelsführerschaft belegen. Unter anderem geht es um eine Rockerjacke mit der Aufschrift „President Mallorca“, mit der Hanebuth fotografiert wurde. Die Anklage leitet daraus eine strafbare Rolle als Anführer einer kriminellen Vereinigung ab.
Noch ernster ist die Situation für die deutsch-marokkanischen Gebrüder Khalil und Abdelghani Youssafi, die nach wie vor an der Playa de Palma auf Mallorca präsent sind. Für sie forderte die Staatsanwaltschaft 38,5 bzw. 33 Jahre Gefängnis. Zum Prozessauftakt wurde die Strafe für Khalil Youssafi durch einen Deal überraschend auf 12 Jahre und 3 Monate gesenkt. Jeder Tag Haft kann in diesem Fall durch 8 Euro Geldbuße ersetzt werden, wodurch sich eine Summe von lediglich etwa 37.000 Euro statt Jahrzehnten im Gefängnis ergibt. Insgesamt 34 Beschuldigte kamen zu solch günstigen Absprachen mit der Staatsanwaltschaft. Vier Personen waren nicht zum Prozess erschienen, nach einigen wird jetzt gefahndet.
Die Vorwürfe lauten unter anderem auf Drogenhandel, Zwangsprostitution, Geldwäsche und Erpressung. Insgesamt geht es um 16 Delikte, und die Indizien in den Akten scheinen vor allem in Bezug auf das Thema Rauschgift recht solide zu sein, weniger jedoch in Bezug auf Geldwäsche und manches andere. Dunkel bleibt auch die Rolle von Frank Hanebuths väterlichem Freund Paul E. alias „Thrombose-Paul“, auf dessen Finca bei Lloret de Vistalegre 2013 die Fahnder zugeschlagen hatten. Was E. neben der Freundschaft zu Hanebuth genau vorgeworfen wird, ist eher nebulös. Man darf gespannt sein, ob aus verfahrensökonomischen Gründen vielleicht ein Teil der Anklagen fallen gelassen wird.
Unter den Beschuldigten sind auch fünf Frauen sowie als mutmaßliche Komplizen der Hells Angels ein Beamter der Guardia Civil und zwei Lokalpolizisten aus Palma de Mallorca. Hier gibt es personelle Überschneidungen zum jüngst ergebnislos eingestellten großen Korruptionsprozess gegen Nachtclub-König Bartolomé Cursach und dessen Mitbeschuldigte.
Dass das Hells-Angels-Verfahren in Madrid ähnlich blamabel platzt wie der Fall Cursach auf Mallorca, ist nicht ausgeschlossen, aber eher unwahrscheinlich. Immerhin gibt es Abhörprotokolle, in denen ein Hells Angel von inzwischen suspendierten Polizisten als „Bruder“ tituliert wird – und das ist nur ein kleiner Ausschnitt eines wüsten Sittenbildes unter Beteiligung teils angesehener Inselpersönlichkeiten. Anders als zwischendurch spekuliert müssen die Angeklagten natürlich persönlich vor Gericht erscheinen.
Bei der Operation Casablanca 2013 auf Mallorca waren PS-starke Sportwagen, Boote, diverse Waffen, Kunstwerke und Schmuck, etwa 50.000 Euro Bargeld sowie erhebliche Mengen an Kokain, Marihuana und illegalen Muskelaufbaumitteln beschlagnahmt worden.
Youtube-Channel aus der „Sala de macrojuicios“ der Audiencia Nacional in San Fernando de Henares bei Madrid.
Youtube-Kürzel: @AN_S2
Foto: Wikimedia Commons