IZ Kolumne“Aber Hallo!“

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Schade, die Mauren sind schon weg

Realität und Reality bei Aus- und Einwanderern

Betrachtet man die medialen „Auswanderer“, kommt man um den Bezug zur Frage nach dem Huhn und dem Ei nicht herum: Wer oder was war eigentlich zuerst da? In diesem Fall also: Mallorca, oder der unbedarfte Deutsche? Natürlich wird jeder Mallorca nennen. Historisch unbestritten. Doch das wäre nur die Spitze des Eisbergs der Geschichte(n), der schneller als man denkt im sonnenverwöhnten Blau des Mittelmeeres versinkt.

Mal ehrlich: Hätte es im 8. Jahrhundert bereits Fernsehen gegeben, wäre die Sache mit den Mauren weitaus unterhaltsamer gelaufen. „Goodbye Nordafrika – Die Eroberer“ hätte sicher das Zeug zu einer Langzeitserie gehabt. Man verlässt die Heimat, um irgendwelchen Stämmen im fremden Land freundlich mitzuteilen: „Hallo, hier bin ich endlich, auf mich habt ihr gewartet.“

Iberia war für Ortsfremde offenbar schon immer reizvoll. Irgendwie kuschelig und einladend, ganz gleich, welche Bedingungen dort herrschten und herrschen. Vollkommen egal, ob man dazu bereit war, sich mit diesen zu arrangieren oder nicht. Wir erinnern uns im Sinne von Guido Knopp: Erst kamen die Phönizier, dann die Römer, gefolgt von den West­goten, und schließlich waren sie da, die Mauren.

Es ist eine Ironie des Schicksals, dass Spanien schließlich auf den Grundfesten österreichischer und französischer Herrschaftsdynastien fußt. Vor diesem Hintergrund mag man verstehen, dass der geneigte Iberer der heutigen Zeit eher abgeneigt gegenüber jedem ist, der länger als drei Wochen und abseits von all inclusive im Land bleibt. Umso tapferer jene Auswanderer, welche die Insel immer wieder und immer noch als Schauplatz eigener Bedürfnisse und Lebensphilosophien betrachten.

Größtes Problem hierbei ist, dass insbesondere Mallorca überaus einfach zu erreichen ist. Waren es einst Galeeren und Segler, funktioniert die Anreise heutzutage recht bequem. Aus diesem Grund schafft es auch der größte Dödel irgendwie und irgendwann auf die Insel, um sich fortan zu etablieren. In den meisten Fällen allerdings übergangsweise, wie man – Dank Fernsehen – immer wieder feststellt. Die Halbwertszeit heutiger „Eroberungszüge“ ist meist kürzer als es für ein frisch gezapftes Pils braucht. Apropos Pils: Warum planen die meisten Auswanderer eigentlich eine Karriere in der Gastronomie, wenn doch a) es nicht gerade wenige Kneipen auf der Insel gibt und b) ein Lokal echte Arbeit bedeutet?

„Wir sind nach Mallorca ausgewandert, wegen des tollen Lichts, der Sonne und dem Meer…“ – Ja, geht’s noch? – Klingeling! Aufwachen! – Ihr seid hier, weil das Licht bald auf- und die sonnendurchfluteten Träume bald untergehen.

Genau hier trennen sich die Wege der Definition von „Reality TV“. Das, was den unbedarften Newcomer als Realität erwartet, wird in die Unterhaltungsrealtität übertragen. Koste es was es wolle. Im schlimmsten Fall Pleiten, Pech und Pannen.

Vor einiger Zeit sprach ich mit einer Redakteurin eines entsprechenden Auswanderer-Formats und fragte, ob sie Interesse an einer Erfolgsstory habe. „Wo denkst Du hin“, sagte sie entrüstet. Wir brauchen Katastrophen. Schade, die Mauren sind schon weg.