Freizeit Marc Fischer 27/12/2022

Traditionen auf Mallorca: Wo Teufel und Dämonen tanzen

Teufel, Dimonis und Gegantes; Traditionen auf Mallorca

Um festzustellen, dass Mallorca eng mit seinen Traditionen verknüpft ist, bedarf es keiner Geduldsprobe: Bereits der Januar beginnt mit spektakulären Feiern. Das gesamte Jahr ist gespickt mit Fiestas und gepflegten Bräuchen, die das kulturelle Erbe bewahren.

Toni hütet sein Kostüm wie einen Schatz. Sein mit zottigem Fell behangener Anzug hängt in einem eigenen Schrank des gemütlichen Hauses nahe Palma. In einem Regal darüber liegt ein Stoffbündel, das eine Art unförmige Kugel beinhaltet. Vorsichtig gewährt er einen Blick in das Innerste: Zum Vorschein kommt eine furchteinflößende Maske, die an eine Mischung aus Teufel und Tier erinnert.

Nein, Toni ist kein Freak. Zumindest niemand, den man mit der modernen Bedeutung des Begriffs in Verbindung bringen könnte. Obwohl ein wenig Verrücktheit schon zu seinen charakterlichen Eigenschaften gehöre, wie er unumwunden selbst zugibt. Mit einem hintergründigen Grinsen verpackt er behutsam seine Verkleidung wieder im Schrank. Der Blick hinein ist auch so etwas wie ein Blick in das Innerste einer von Traditionen geprägten und lebenden Insel.

Treue gegenüber der Kultur
In seiner Freizeit „arbeitet“ Toni als tanzender Dämon. Auch, wenn der Reiz, sich einfach mal das Gewandt überzustreifen und an einem Einkaufssamstag auf der Plaza Major, ähnlich einem Derwisch, übers Pflaster zu springen und Leute zu erschrecken, schon häufig da war, weiß der Computerfachmann, dass das ein Traum bleiben muss. Als tanzender Dämon habe man sich zu Stillschweigen und zur Treue gegenüber dem kulturellen Erbe Mallorcas verpflichtet, sagt er nicht ohne spürbaren Stolz. Seit er denken kann ist der heute 42 Jährige Familienvater in einer der zahlreichen Brauchtumsgruppen der Insel aktiv.

Tradition über Generationen
Sein Vater habe ihn dazu gebracht, erinnert er sich. Schon als kleines Kind sei er mitgegangen zu den Feuerläufen, habe zuschauen dürfen und Spaß dabei gehabt, seinen Vater, „die erschreckendste Teufelsfigur der Gruppe“, wie er sich sicher war, beim wilden Tanz ausfindig zu machen.

Auch dem Vater sei es nicht anders ergangen. Mitten im Spiel habe plötzlich einer der Dämonen direkt vor ihm gestanden, ein paar Sekunden hätten sich ihre Blicke getroffen, und ja, genau in diesem Moment habe er gewusst, „das ist mein Vater“. Fortan wuchs bei Toni der Wille, irgendwann einmal selbst mittanzen zu können.

Inzwischen hat er seinen festen Platz bei den correfocs, die alljährlich Einheimischen und Touristen das Fürchten lehren. Sein Sechsjähriger begleitet ihn. Heute ist sein Vater stolz auf Sohn und Enkel. Er konnte ein wichtiges Stück Tradition an die nächsten Generationen weitergeben.

Feuer in Palma
Die Auftritte der tanzenden Feuerteufel finden ihren Höhepunkt zu den San-Sebastià-Feiern, jeweils am 25. Januar. Dann wird ganz Palma zu einer lauten und brennenden Partymeile.

Trommlergruppen geben den Takt vor, zu dem zottelige Dämonen und Teufel wilde Tänze aufführen. Flammen werden in Feuerläufen getragen und malen funkensprühende Moment­aufnahmen in den Nachthimmel. Es ist laut, es ist spektakulär, es ist ergreifend.
Bedeutung des Feuers
Feuer und Dämonen spielen eine wichtige Rolle in der mallorquinischen Tradition. Bereits ein paar Tage vor San Sebastià feiert die Insel San Antoni.

Am 16. und 17. Januar eines Jahres wird, begleitet von traditioneller Musik, rund um die foguerons, die Lagerfeuer, getanzt und gesungen. Im Mittelpunkt stehen die Gemeinden Artà, Manacor und Sa Pobla.

Für das leibliche Wohl sorgen inseltypische, deftige Produkte, wie die Paprikastreichwurst Sobrassada oder die Presswürste Botifarrons. Die Insel lebt in diesen Tagen ein besonderes Leben, voller Ausgelassenheit und Freude. Zum Klang der ximbombes (Streichtrommeln) und der besonderen Gesänge namens glosas verkümmern Alltag und Probleme schnell zur Nebensache.

Teufel und Dämonen in Verbindung mit Feuer sind vor allem Symbol des Widerstands gegen die winterliche Kälte. Häufig wird gesagt, dass sie den Winter vertreiben sollen. Das erscheint angesicht des Datums als eher unwahrscheinlich. Nachvollziehbarer ist vielmehr ein Akt der Gegenwehr gegen die unliebsame Witterung und die Unbilden des Winters. Man kommt zusammen, isst und feiert, lässt sich nicht unterkriegen, nicht in den eigenen vier Wänden „gefangenhalten“, sondern geht mit dem Teufel einen Pakt ein. Viele Wissenschaftler haben bereits versucht, den Brauch zu interpretieren.

Correfocs das ganze Jahr
Dass es nicht nur um die Vertreibung des Winters geht, zeigen die weiteren Auftritte der mit dem Feuer tanzenden Dämonen. Zum Beata-Fest ziehen die correfocs am Morgen des 28. September durch die Straßen von Santa Margalida und wecken die Einwohner mit Rasseln und Schellen, die sie an ihrer Kleidung tragen. Erinnert wird an Santa Catalina Thomàs, die im Volksmund lediglich Beata, die Selige, genannt wird und 1531 in Valldemossa zur Welt kam. Sie wurde 1792 selig gesprochen, seitdem erinnern zahlreiche Gemeinden der Insel an sie.

Wie eben auch in Santa Margalida, wo die tanzenden Feuerteufel am Abend wiederkehren. Dann liefern sie sich ein buntes Stelldichein mit den Bauern, welchen sie mitgeführte Krüge entreissen und auf dem Boden zerschmettern wollen. Die Prozession Ende September endet mit einem im wahrsten Sinne des Wortes „Höllenlärm“: Die Teufel zerschmettern sämtliche Krüge gleichzeitig auf dem Platz vor der Kirche des Ortes am Boden. Tradition darf laut sein.