Corona-Impfungen: Schutz im Blindflug
Corona-Impfungen: Schutz im Blindflug
Antikörper werden vom Immunsystem nach einer Infektion gebildet. Durch sie kann der Organismus bei einem erneuten Kontakt mit dem Erreger diesen frühzeitig erkennen und abwehren. Bei Covid-19 sollen sie plötzlich keine Rolle spielen.
Das Immunsystem unseres Körpers hat ein gutes Gedächtnis. Es erinnert sich an Virusinfektionen und greift damit auf einen Schutzmechanismus zurück. Das wissen wir nicht erst seit SARS-CoV-2. Doch die Dauer der Immunität ist unterschiedlich.
Eine aktuelle Studie der medizinischen Universität Innsbruck hat jetzt gezeigt, dass bei der Mehrzahl untersuchter Menschen mit einer überstandenen Corona-Infektion noch zehn Monate nach Infektion Antikörper nachweisbar waren. An der Studie nahmen 31 Probanden teil, die sich zu Beginn vergangenen Jahres im Tiroler Hot-Spot Ischgl angesteckt und die Erkrankung teils symptomfrei, teils mit schwerem Verlauf überstanden haben. Nur sieben ehemalige Patienten hatten ihre Antikörper und damit ihren Immunschutz innerhalb des Studienzeitraums verloren.
Nachgewiesener Immunschutz
Antikörper im Blut können bestimmt werden. Das gilt auch und gerade für SARS-CoV-2. Ob nach überstandener Coronavirus-Infektion oder nach einer Impfung: Antikörper sind ein wichtiges Indiz für einen vorhandenen Immunschutz. Dabei unterscheiden Labormediziner zwei Arten von Tests. Die einen zeigen die Zahl der Antikörper an, die anderen ihre Wirksamkeit gegenüber dem Virus (sog. Neutralisationstests). Grundsätzlich lässt sich sagen: Je mehr Antikörper ich besitze, desto wahrscheinlicher ist ein Andocken der Schutzzellen an das Virus und mein Immunschutz gegen Corona.
Antikörper „nicht entscheidend“
Diese Erkenntnis könnte ein wichtiger Baustein im Kampf gegen Corona und im Rahmen der Impfungen sein. Denn bei wem sich in einem Labortest Antikörper nachweisen lassen, der müsste aufgrund einer vorhandenen Immunität nicht geimpft werden. Zudem weiß man nicht, wie ein Mensch mit (noch) vorhandenen Antikörpern auf eine Impfung reagiert.
Umso überraschender ist die Vorgabe der Ständigen Impfkommission (STIKO). Diese erklärt, dass der Antikörpergehalt, der sogenannte Titer, nicht entscheidend für eine Impfung sei. Antikörper, die nach einer natürlichen Corona-Infektion gebildet werden, seien weniger lang vorhanden als nach einer Impfung, heißt es. Doch diese Feststellung ist nicht belegt und widerspricht den Erkenntnissen der Uni Innsbruck.
Ebenso fragwürdig ist vor diesem Hintergrund die Empfehlung der STIKO, dass Menschen, die an COVID-19 erkrankt waren und genesen sind, ebenfalls noch eine Impfdosis erhalten sollen, wenn auch mit der Einschränkung, diese erst nach frühestens sechs Monaten durchzuführen.
Reine Kostenfrage
Aus diesem Grund wird zum Nachweis einer SARS- CoV-2-Infektion aktuell auf den PCR-Test gesetzt, der eine höhere Aussagekraft besitzen soll, wie das Paul-Ehrlich-Institut auf Anfrage der "Inselzeitung" mitteilt. Dieser Nachweis muss mindestens 28 Tage und längstens sechs Monate zurückliegen. Begründet wird dieses Verfahren mit der genaueren Möglichkeit, den Zeitpunkt einer akuten Corona-Infektion feststellen zu können. Doch das ist nur die eine Seite.
Der Deutsche Hausärzteverband will sich gar nicht dazu äußern, warum man beim Nachweis einer Corona-Immunität und vor einer Impfung nicht stärker auf Antikörper setzt und verweist auf die Vorgaben. Deutlicher wird hingegen die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM). Deren Pressesprecher erklärt das Vorgehen schlicht mit zu hohen Kosten. Eine Titer-Bestimmung im Neutralisationsverfahren wäre viel aufwändiger und teurer als eine Impfung, heißt es. Zudem bedeuteten nicht vorhandene Antikörper keineswegs, dass kein Immunschutz bestehe. Dieser könnte nämlich auf zellulärer Ebene vorhanden sein. Vorhandene Antikörper wären hingegen kein Indiz für "ich bin safe", so die DEGAM.
Im Ergebnis bleiben mehr Fragen als Antworten. Fakt ist: Corona-Impfungen werden grundsätzlich im Blindflug durchgeführt, es sei denn, der Patient besteht auf einen vorherigen Antikörpernachweis (der im Zweifel selbst zu zahlen ist). Niemand weiß zum jetzigen Zeitpunkt, wie ein Körper auf eine auf vorhandene Antikörper aufgesetzte Impfung und damit Immunisierung reagiert. Die könnte auch Einfluss auf die sogenannte Long-Covid-Symptomatik haben.