Mallorca-Ausflugstipp: Die Plaza Carles V. in Alcúdia

Wer weiß. Vielleicht hat es sich damals ja so abgespielt:  

Wien, Anno Domini 1523, an irgendeinem dunkelgrauen Montagvormittag im Kaiserpalast. Karl V. sitzt bereits seit Stunden gelangweilt am Schreibtisch, um mit kleckender Tinte, kratziger Feder und fingerschnürendem Siegelring einen Haufen kaum entzifferbarer, scheinbar wichtiger Reichsdokumente zu unterzeichnen. 

Und da passiert es. Ein in fehlerhaftem Latein verfasster Antrag auf Gewährung des kaiserlichen Stadtrechtes lässt Karl schlagartig aus der schläfrigen Office-Arbeit  schrecken. "Alcúdia??? Wo liegt das denn, bitte schön?", ruft der Monarch in den fast menschenleeren Saal. Was folgt ist Stille. Peinliche Stille. Dann fasst sich der Kanzler ein Herz. "Tja, also, dieser Ort gehört zu Ihrem Reich, Majestät. Er liegt auf einer kleinen Insel im Mare Nostrum". "Ja und?", raunzt Kaiser Karl gereizt zurück. Der Kanzler greift sich nervös ins schüttere Haar. "Na ja, dieser Ort, Majestät, wurde einst von Ihrem, wie soll ich sagen, politischem Vorbild, also dem Heiligen Römischen Reich gegründet und nannte sich Pollentia. Später kamen allerdings die Mauren und machten dort fast alles dem Erdboden gleich. Dafür bauten sie anschließend an gleicher Stelle eine neue Siedlung und nannten sie Alcúdia. Allerdings heißt jetzt wiederum ein anderer, nur wenige Kilometer entfernter Ort Pollensa. Komisch, oder?". Der Kaiser reibt sich verwirrt die Augen. "Seltsame Leute dort auf dieser Insel", grummelt er – und unterschreibt resigniert die vor ihm liegende Schriftrolle. 

Dankeschön fürs Stadtrecht

Rund 2.000 Kilometer entfernt ehren die Einwohner von Alcúdia noch heutzutage diesen historischen Moment. Als ihnen El Emperador Carles V. – aus welchen Gründen letztendlich auch immer – das Stadtrecht  verlieh, mitsamt den dazugehörigen Privilegien wie Marktrecht und der Möglichkeit,  Zölle, Steuern und Abgaben zu erheben.  

Wo ein Bronze-Adler auf Sandstein hockt

Die Plaza Carles V. in Alcúdia ist nach eben diesem großzügigen Monarchen benannt, der Anfang des 16. Jahrhunderts neben Österreich und Deutschland auch Spanien und Portugal sowie deren Kolonien in Übersee regierte. Auf der Plaza findet sich ein seltsam anmutendes Denkmal in Form eines kreisrunden Palmengärtchens, in deren Mitte sich zwei unbehauene Maresstein-Platten erheben, auf deren oberen Ende ein Bronze-Adler mit den Flügeln schlägt: Das Wahrzeichen des einstigen Habsburger Königshauses, das man übrigens auch im Stadtwappen Alcúdias wiederfindet. Gerahmt wird das Monument inklusive einer  am unteren Ende in Stein gemeißelten   Gedenktafel von mehreren Zwergpalmen, zwischen denen ein eifriger Stadtgärtner noch schnell einen pfützengroßen Wasserteich implantierte. 

Doch es gibt noch mehr Historie zu entdecken. Die Plaza wird in erster Linie von der mittelalterlichen Porta del Moll dominiert, dem ehemaligen Stadttor am südlichen Ende von Alcúdia. Es war Teil der Ende des 13. Jahrhunderts errichteten Stadtmauer, deren Reste zweifellos zu den größten Attraktionen des Ortes gilt. Von der Plaza führt ein Boluevard, der Passeig de la Mare de Deu de la Victoria,  zurück zur Umgehungsstraße. Außer ein paar Bars und Geschäften, die im Winter meist geschlossen haben, gibt es hier nicht viel zu sehen. An einer düsteren Plaza-Ecke findet sich die ehemalige, seit Jahrzehnten verlassene Textilfabrik Vidal, deren verfallende, zum Teil mit Graffities beschmierte Fassade auch sehr gut als Schauplatz für einen Endzeit-Apokalypse-Film herhalten könnte. 

Die Auswahl an gastronomischen Einkehrmöglichkeiten beschränkt sich auf ein paar einfache Bars sowie dem etwas moderner gestylten "Sartén", einer Bistro-Bar, in der man auch A la cárte essen kann. 

Im Winter, wenn keine Fotomotiv-hungrigen Touristen mit Smartphones und Kameras über die Plaza, das historische Stadttor und den Habsburger Adler herfallen,  geht es hier sehr, sehr ruhig zu. Kaiser Karl V. hätte es vielleicht gefallen. Allerdings setzte der Monarch niemals einen Fuß auf die Insel. Vielleicht aus Angst vor den seltsamen Leuten hier. Aber wer weiß das schon.

 

Mallorca erleben – Alcudia