Ungewissheit gehört zur Natur des Golfspiels. Und macht letztendlich ihren Reiz aus. So sind nicht einmal die besten Spieler der Welt in der Lage vorherzusehen, ob ihr gerade geschlagener Ball vielleicht nicht doch irgendwo im Gestrüpp landet, dem so genannten „Rough“. Und von wo aus der nächste Schlag sehr viel schwieriger ist als der vorherige.
Mallorcas Golfclubs liegen seit fast einem Jahr im Rough. Und zwar tief und fest. Der monatelange Corona-Lockdown im Frühjahr vergangenen Jahres und das anschließende Ausbleiben des Kernklientels aus Mittel- und Nordeuropa, haben die Betreiber der über 20 Anlagen auf der Insel in ernste wirtschaftliche Schwierigkeiten gebracht. Einige Unternehmen, so wird in der Szene gemunkelt, stehen gar vor dem Bankrott.
Golf ist auf Mallorca reines Business, kein Vereinssport
„Der Golfsport ist auf den Balearen vor allem ein touristisches Angebot. Ohne Urlauber zahlt sich ihr Betrieb nicht aus“, sagt Luis Nigorra, Präsident des balearischen Golfclub-Unternehmerverbandes. Will heißen: Golf ist auf Mallorca keine Angelegenheit von gemeinnützigen oder nicht-wirtschaftlichen Vereinen, die sich fast ausschließlich aus den Beiträgen ihrer Mitglieder finanzieren, sondern vielmehr ein knallhartes, den Gesetzen von Angebot und Nachfrage unterliegendes Business. Nigorra, der seit etlichen Jahren dem Golfresort in Santa Ponsa sowie dem Golfclub Real Bendinat bei Puerto Portals vorsteht, beziffert die durchschnittlichen Umsatzverluste aller Golfanlagen auf den Balearen auf 70 Prozent. „Im Falle von Clubs, die über eine hohe Zahl von Stammspielern mit Jahresabonnements verfügen, liegen die Verluste sicherlich niedriger“, so Nigorra.
Aber auch die mussten angesichts der Pandemie die Notbremse hinsichtlich der weiter laufenden Betriebskosten ziehen.
Einfach die Türen schließen, geht nicht
„Einen Golfplatz kann man nicht einfach für ein paar Tage, Wochen oder gar Monate dichtmachen wie ein Ladenlokal, Restaurant oder Hotel, nur weil auf einmal keine Kunden mehr kommen“, sagt Jordi Vidal PR-Manager des Golfresorts Son Antem bei Llucmajor. „Ohne eine tägliche Pflege sind die Hektar großen Rasenflächen, aus denen die Spielbahnen bestehen, innerhalb kürzester Zeit irreparabel zerstört“. Dennoch: Ebenso wie alle anderen Golfclubs auf der Insel mussten auch die zum US-Konzern Marriott gehörigen Plätze samt Ferienvillen-Anlage aus Spargründen einen Großteil ihrer Angestellten in Kurzarbeit schicken.
Preisermäßigungen von bis zu 50 Prozent
Neben einer drastischen Reduzierung der Personalkosten sahen sich die meisten Clubs zudem veranlasst, ihre Eintrittspreise, sprich „Greenfees“, zu senken. Mallorcas – zumindest hinsichtlich der Gesamtspielfläche – größter Golfanbieter, das Arabella Resort in Palma mit drei 18-Lochplätzen unterhalb des Villenvorstadtviertels Son Vida, lancierte in den vergangenen Monaten Angebote mit Preisermäßigungen von mehr als 50 Prozent auf die Vorkrisen-Tarife, um zumindest möglichst viele einheimische Spieler trotz Covid-19 auf die Fairways zu locken.
„Dass Golfplätze die derzeitige Krise überstehen, indem sie ihre Preise nach unten setzen, wage ich zu bezweifeln“, glaubt jedoch Michael Hellwig, Direktor des Golf Park Puntiro zwischen Palma und Sineu. „Die Greenfee-Preise sind in den meisten Clubs den für den wirtschaftlichen Betrieb notwendigen Einnahmen angepasst. Sowohl die Bau- als auch die laufenden monatlichen Kosten einer Golfanlage sind auf Mallorca sehr viel höher als auf dem europäischen Festland. Der Transport von Material wie Bunkersand oder Herbiziden, aber auch die Abgaben und Kosten für die Wasseraufbereitung sind sehr kostenintensiv“, so Hellwig.
Keine Hilfe von der Landesregierung
Finanzielle Hilfe von oben ist auch nicht in Sicht. „Leider können wir wohl mit keinen Hilfen seitens der Regierung rechnen“, sagt Kristoff Both, Direktor des Golfclubs Alcanada im Norden der Insel.
Keine Möglichkeit für Neuausrichtung
Also Kopf in den (Bunker-) Sand und irgendwie durch die Krise? „Unser Angebot jetzt womöglich auf den Kopf zu stellen, neue Kundenmärkte anzupeilen, ist keine Lösung. Wie jedes andere touristische Freizeitangebot funktionieren auch wir nur mit Urlaubern, die in der Mehrzahl über Reiseveranstalter und Hotels zu uns kommen“, sagt Verbandspräsident Luis Nigorra. Die rund 7.000 im balearischen Golfverband registrierten, meist einheimischen Spieler würden bei weitem nicht ausreichen, um damit alle Clubs, am Laufen zu halten. Dennoch sehe auch er in der Krise eine Chance, neue Wege zu gehen. „Corona hat die Digitalisierung der Vertriebskanäle mächtig vorangetrieben. Das Internet und die dort vertretenen Social-Media Plattformen haben enorm an Bedeutung gewonnen. Angebot, Bestellung und Kauf von Waren aber auch Dienstleistungen werden vornehmlich nur noch online abgewickelt. Unser Verband hat sich aus diesem Grund seit Ausbruch der Pandemie auf die Verbesserung und Weiterentwicklung des Online-Reservierungssystems konzentriert. Golfspieler können damit in Zukunft noch schneller, einfacher und günstiger Startzeiten inselweit buchen als bisher“, so Nigorra.
Klasse statt Masse: Unabhängig vom Touristenstrom
Auch Borja Ochoa, Manager des „T Golf & Country Club Poniente“ in Calvià sieht in der gegenwärtigen Krise – zumindest für seinen Club – eine Chance, sich aus der bisherigen Abhängigkeit ausländischer Heerscharen von Golftouristen zu lösen . „Wir haben die vergangenen Monate dafür genutzt, unsere Anlage und Serviceleistungen noch exklusiver zu gestalten“, so Ochoa. Motto: Klasse statt Masse. Inklusive einer Begrenzung des Greenfee-Verkaufs an Tagesgäste.
Eines jedoch scheint allen Golfclubs auf Mallorca klar. Die bevorstehende Hauptsaison zwischen März und Mai kann man wohl getrost abschreiben. „Prognosen abzugeben, fällt in der augenblicklichen Situation schwer. Persönlich rechne ich aber nicht vor Herbst dieses Jahres damit, dass sich die Lage normalisiert“, beschreibt es Michael Hellwig vom Golf Park Puntiró. Ähnlich sieht es Kristoff Both. „Wir hoffen, dass das Geschäft in der zweiten Jahreshälfte wieder anläuft. Sobald das Reisen weitgehend risikolos möglich ist, werden auch die Golfspieler nach Mallorca zurückkehren“, meint der Golf-Alcanada-Manager.
Oder wie es Jordi Vidal vom Mariott -Resort Son Antem ausdrückt. „Man kann derzeit einfach nur hoffen, dass sich die Situation für die Tourismusbranche auf der Insel bis zum Sommer halbwegs normalisiert.“
Macht Covid-19 den Golfsport vielleicht populär?
Verbandspräsident Luis Nigorra zeigt sich – wenn auch reserviert – optimistisch. „Irgendwann erreicht auch eine Virus-Pandemie ihr Ende. Natürlich sind es für alle derzeit schwierige Zeiten. Jammern hilft aber wenig. Nur mit Geduld und Zuversicht werden wir auch diese Krise überstehen“, so Nigorra.
Und überhaupt: Dass der Golfsport – egal ob als Hobby, Vereinsmeierei oder touristisches Angebot – gestärkt aus der jetzigen Krise hervorgehen wird, scheint für Nigorra keineswegs unwahrscheinlich. „Golf ist hinsichtlich der dabei möglichen Ansteckungsgefahr einer der wohl sichersten Sportarten überhaupt. Und wird zudem an der frischen Luft, mitten in der Natur praktiziert. Das dürfte gerade in diesen Zeiten viele Menschen dazu bewegen, einen Golfschläger in die Hand zu nehmen“, glaubt Nigorra.
Vielleicht liegt er mit dieser Einschätzung gar nicht mal so falsch. Vielleicht landet sie aber auch im Rough. Ach ja. Ungewissheit macht den Reiz des Golfsports aus.