Balearen Parlament – „Krönung“ nach schwierigen Verhandlungen
Keine „Brandmauer“: PP und Vox haben sich auf 110 Punkte verständigt, um der 41-jährigen Margalida Prohens zum Amt der Balearen-Präsidentin zu verhelfen.
Marga Prohens von der konservativen Volkspartei PP soll Anfang Juli zur neuen Balearen-Präsidentin gewählt werden. Der erste Wahlgang war laut Medienberichten für 3./4. Juli geplant, der entscheidende zweite dann voraussichtlich am 5. oder 6. Juli.
Zwar verfügt die PP zusammen mit ihrem Formentera-Ableger über 26 Mandate im Parlament und damit über mehr als die versammelte Linke mit 25. Doch wäre sie für die absolute Mehrheit von 30 auf aktive Unterstützung der Rechtspopulisten von Vox angewiesen. Im zweiten Wahlgang sollten sich diese zumindest enthalten, um Neuwahlen im November zu vermeiden.
In den letzten Juni-Tagen hat sich bestätigt, dass der Pakt steht. Über mehrere Wochen hin hatten Konservative und Rechtspopulisten verhandelt, konnten sich dann relativ rasch auf ein gemeinsames Arbeitspapier verständigen und den umstrittenen Vox-Politiker Gabriel Le Senne zum Parlamentspräsidenten wählen. Vox ist nicht in der Landesregierung vertreten, garantiert aber über die ganze Legislaturperiode eine konstruktive Haushaltspolitik und übernimmt auf kommunaler Ebene im Inselrat von Mallorca die Zuständigkeit für Umwelt und Jagd.
Zum Abschluss haben sich PP und Vox dann in einem 110-Punkte-Programm unter anderem auf Steuersenkungen, Wirtschafts- und Bauförderung, eine freie Wahl zwischen Katalanisch und Spanisch als Erstsprache in der Schule sowie auf ein strikteres Vorgehen gegen Bootsflüchtlinge geeinigt. Außerdem sollen die bisher obligatorischen Katalanisch-Kenntnisse für Ärzte und Pflegepersonal entfallen und die Zahl der Ministerien und Dienststellen verringert werden. Ein Komitee wird die Umsetzung der neuen Politik kontinuierlich überwachen, um den Einfluss von Vox trotz Tolerierung von außen zu sichern. Strittig war in den Verhandlungen etwa, ab wann und zu welchen Bedingungen die freie Sprachwahl für Grundschulen und weiterführende Schulen gelten soll. In anderen Punkten ging es schneller: Symbolisch ist, dass im Juli erstmals seit Jahren keine LGBT-Flagge am Parlament hängt, nachdem die rechte Mehrheit dagegen gestimmt hat.
„Penis-Präsident“
Der neue Parlamentspräsident Le Senne kündigte an, sich in den Dienst aller Bürger stellen zu wollen. In seinen Kolumnen wettert er allerdings gegen globale Migrationswellen sowie gegen Corona-Politik und Kinderimpfungen. Außerdem kämpft der Rechtslibertäre scharfzüngig gegen den Feminismus und für ein erzkonservatives Familienbild. „Frauen sind kriegerischer, weil sie keinen Penis haben“, so eine seiner polemischen Äußerungen im Wortgefecht bei Twitter.
Vox hatte zunächst angestrebt, mit Ministern ins Kabinett einzutreten. Die PP legte dagegen Wert auf eine Minderheitsregierung unter Führung ihrer 41-Jährigen Spitzenkandidatin Marga Prohens. Deren Lebensgefährte Javier Bonet avancierte im Juni bereits zum Vizebürgermeister von Palma de Mallorca. Ob das Vetternwirtschaft ist oder möglicherweise ein Vorteil im Sinn einer „Politik aus einer Hand“, muss sich noch zeigen. Der frühere balearische Tourismusminister Jaime Martínez Llabrés (ebenfalls von der konservativen Volkspartei PP) ist im Gemeinderat jedenfalls zum Bürgermeister gewählt worden.
Zwar hat seine PP-Fraktion nur elf von 29 Mandaten in Palma und befindet sich damit klar in der Minderheit, doch sieht die spanische Gemeindeordnung vor, dass immer der Kandidat oder die Kandidatin der relativ stärksten Einzelliste an die Rathausspitze gelangt, wenn sich keine alternativen Mehrheiten gefunden haben. Letzteres war in der Inselhauptstadt nicht der Fall. Der bisherige sozialdemokratische Bürgermeister José Hila (PSOE) übergab den Stab an Jaime Martínez Llabrés, der das seit 2015 amtierende Linksbündnis ablösen konnte.
Unklare Mehrheit
Bürgermeister Martínez, von Beruf Architekt, verspricht mehr Sauberkeit, Sicherheit und Ordnung. Außerdem will er den Wohnungsbau ankurbeln, Verkehrsprobleme lösen und Immobiliensteuern senken. Statt einer Straßenbahn zwischen Innenstadt und Airport möchte er wegen eklatanter Planungsmängel lieber auf Oberleitungsbusse setzen. Ob die aus Madrid bereits zugesagten Mittel von 180 Millionen Euro deswegen verloren gehen, ist noch unklar. Das hängt auch vom Ausgang der spanischen Parlamentswahl am 23. Juli ab. Martínez zeigte sich in seiner Antrittsrede versöhnlich gegenüber der Linken und hat angedeutet, den Haushalt für 2024 kurzerhand um ein Jahr verlängern zu wollen, falls er im Gemeinderat nicht genügend Unterstützung findet.
Auf Balearen-Ebene kritisierte die scheidende Ministerpräsidentin Francina Armengol (PSOE), „intransparente Verhandlungen“ zwischen PP und Vox. Sie bemängelte, dass womöglich in Madrid über das Schicksal von Mallorca und den Nachbarinseln entschieden werde. Hintergrund ist, dass sich PP und Vox nach den Regionalwahlen vom 28. Mai auch in anderen Regionen wie Aragón oder Murcia noch im Zwiespalt über Koalition oder Tolerierungsmodell befinden. In Extremadura mussten die Verhandlungen sogar unterbrochen werden, da Vox mutmaßlich zur Verharmlosung von häuslicher Gewalt neigt und in der politischen Mitte als frauenfeindlich gilt.
Nun drohen mancherorts Neuwahlen – auf den Balearen allerdings nicht. Der Showdown wird rund um die spanienweite Parlamentswahl am 23. Juli erwartet. In einigen Fällen könnte die Entscheidung erst nach dem Termin fallen, da für die Regierungsbildung teilweise eine Zweimonats-Frist nach Zusammentritt der regionalen Parlamente gilt. „Nichts ist beschlossen, bevor nicht alles verhandelt ist“, lautet vielleicht der CDU-Schwesterpartei PP, die sich vom extremen Rand absetzen möchte.